Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Bittergrüner Humor und die CSV im Siegesrausch.
Nach acht Jahren Dreierkoalition stieg am Freitag endlich weißer Rauch aus dem Justizministerium auf. Die Grünen haben sich knallhart durchgesetzt. Die Cannabis-Legalisierung kommt. Endlich ist Luxemburg auch für Kiffer ein freies Land. Selbst der „Guardian“ ist begeistert und titelt: „Luxembourg first in Europe to legalise growing and using cannabis.“
Dabei hält sich die Regierung natürlich peinlich genau an den Koalitionsvertrag von 2018. Der hält zu Cannabis zum Freizeitgebrauch fest: „Zu diesem Zweck soll eine nationale Produktions- und Verkaufskette unter staatlicher Kontrolle eingeführt sowie die Produktqualität gesichert werden.“
Und genau das haben gleich fünf Minister am Freitag der Öffentlichkeit vorgestellt. Also fast. Naja, so ein bisschen. Ok, eigentlich überhaupt nicht. Und im Grunde ging es auch überhaupt nicht um Cannabis. Sondern um ein Maßnahmenpaket zur Prävention und Bekämpfung der Drogenkriminalität. Oder wie es die Grünen ausdrücken: Klarer Fall von „Green Win!“

Das Konzept sieht unter anderem vor, dass jeder und jede vier Cannabis-Pflanzen zu Hause aufziehen darf. Und der Besitz von einer Menge unter drei Gramm wird von einem Vergehen zu einer Ordnungswidrigkeit herabgestuft. Wer nach der Präsentation ganz genau hinhörte, der konnte ein ganz leises „Yay“ aus einer Studenten-WG aus dem Bahnhofsviertel hören. Als danach allerdings bekannt wurde, dass auch Wohngemeinschaften nur vier Pflanzen anbauen dürfen, verstummte auch der letzte kiffende Grünen-Wähler.
Zumindest für die vier Pflanzen-Regel hat Retrospect jedoch bereits die Lösung parat. Und die eignet sich auch hervorragend, um gegen Einsamkeit im Alter vorzugehen. Corinne, are you listening? Wir präsentieren: Die Hanf-Patenschaften. Wer mehr als vier Pflanzen anbauen will, dem stellen alleinstehende Rentner, die eigentlich in viel zu großen Häusern wohnen, die nötigen Räumlichkeiten zur Verfügung. Im Gegenzug bleiben die Besitzer der Cannabis-Pflanzen zu Kaffee und Kuchen, wenn sie „no de Blumme kucke kommen“.
Ein kleiner Tipp: Über die nächste Stromrechnung der Hanf-Paten sollte man dabei auch reden. Sonst könnte die Freundschaft zwischen den Generationen schnell wieder beendet sein.
Freunde kann man sich nicht aussuchen
Generationenübergreifende Freundschaftspflege betrieb diese Woche auch der Premierminister. Spätestens seit letzter Woche wissen Retrospect-Leser: Xavier Bettel ist ein Angela-Merkel-Groupie. Doch während der Bürgermeister von Luxemburg in seiner Rede zur Lage der Nation der scheidenden Kanzlerin nur inhaltlich huldigte, war es diese Woche an der Zeit für ein echtes Meet-and-Greet. Dafür lud sich Xav einfach selbst zum Staatsbesuch nach Berlin ein. Mit im Gepäck hatte er neben einem Orden auch die eine oder andere Flasche Wein. Bekanntlich hält der Weinberg des Herrn Gramegna für jeden etwas bereit. Triple-A hin oder her.
Der stolze Xav postete nach dem Treffen natürlich sofort ein Fan-Foto mit seinem Idol auf Twitter. Xav und Angela stehen auf der Dachterrasse des Bundeskanzleramts. Lässig lehnt der Premierminister an der Balustrade. Beide lachen herzlich mit einem Weinglas in der Hand. Wahrscheinlich hatte Xav Angela gerade erklärt, wieso Frank Engel nicht mehr Präsident ihrer luxemburgischen Schwesterpartei ist. Das Foto auf Twitter betitelte der Premierminister übrigens mit: „Danke für 8 Jahre Freundschaft und enge Zusammenarbeit.“ Außerdem sei Angie immer gerne gesehen in Luxemburg, auch nach der Kanzlerschaft, so Bettel bei der offiziellen Pressekonferenz.

Etwas nüchterner beschrieb indes Angela Merkel selbst das Treffen mit dem luxemburgischen Regierungschef. Auf dem offiziellen Instagram-Account der Bundeskanzlerin hieß es etwas lapidar: „Kanzlerin Merkel hat heute den Premierminister des Großherzogtums Luxemburg, Xavier Bettel, empfangen. Im Fokus des Treffens standen europapolitische und internationale Themen – insbesondere mit Blick auf den bevorstehenden Europäischen Rat in Brüssel.“ Wer seine wahren Freunde sind, erfuhr Xavier Bettel erst am Donnerstag. Da beschwerte sich der lupenreine, tschechische Premierminister Andrej Babiš auf Twitter, weil „my friend Xavier Bettel“ ein vehementer Gegner der Kernenergie sei.
Sommerschlussverkauf bei der CSV
Die CSV hatte fast so eine gute Woche wie der Premier. Für die Partei gab es, wie die Grünen sagen würden, nur „Orange-Wins“. Frei nach dem Motto: Es gibt keine schlechte Presse, wollte die Partei einfach nicht mehr aus den Schlagzeilen raus. Gleich an drei Tagen konnten Frank Engel und seine Freunde aus dem Innenleben der Partei berichten.
Pikante Details kamen endlich ans Tageslicht: Die Partei ist nämlich gar keine Partei, sondern nur ein Luxusmöbelhaus! Im Angebot befand sich etwa noch kürzlich ein wunderschöner Schreibtisch. Die Partei kaufte ihn vor fünf Jahren für läppische 25.000 Euro und verkaufte das gute Stück nun für den gleichen Preis! Das Möbelhaus CSV gilt einfach als begabtester Gebrauchtwarenverkäufer des Landes.
Der Preis erklärt sich dadurch, dass das Möbelstück immerhin von niemand Geringerem als Marc Spautz während fünf Jahren benutzt wurde. Jegliche Wertverluste konnte die Partei durch den prominenten Erstbesitzer also wieder wettmachen, als sie den Schreibtisch einem anonymen Käufer unter dem Decknamen „Spautzen hieren M.“ verkauften. Wir gratulieren an dieser Stelle zu diesem Schnäppchen, das jeden übermotivierten Budgetverwalter in jeder x-beliebigen Luxemburger Verwaltung alt aussehen lässt!
Was jedoch nur Insider wissen: An dem Luxus-Schreibtisch, oder vielleicht an seinem minderwertigen Folgemodell für 20.000 Euro, hat die CSV auch ihre Position zum Referendum über eine mögliche Verfassung beschlossen. „Die Partei wollte kein Verfassungsreferendum, nicht ich. Die Partei hat mich genötigt, das danach nach außen zu tragen“, sagte der stets wahrheitstreue und vertrauenswürdige Frank Engel vor Gericht. Und wer Frank Engel auch nur ein bisschen kennt, der weiß: Das ist ein Typ, der sich gerne mal nötigen lässt.
Im Fegefeuer der Politmetaphern
Wenig später wurde der Parteipräsident a.D. in den sozialen Medien noch deutlicher: „Dat ass ee Witz“. Um aber nun auch wirklich klar zu machen, dass die Partei absolut, aber wirklich so rein gar nichts mehr mit Frank Engel zu tun haben will, hat sie auch noch diese Position gekippt. Zuerst für ein Referendum, dann dagegen, dann weder noch oder eventuell, also wenn die Populistenfreunde von der ADR genügend Unterschriften sammeln. Das nennen wir mal eine konsequente Positionsentwicklung. #PolitikmitRückgrat
Die audiovisuellen Medien mutmaßen derweil, dass der Parteigrande Michel Wolter hinter der neuen Position stehen soll. Der habe sich plötzlich – also zweieinhalb Jahre, nachdem sich die Partei gegen ein Referendum ausgesprochen hatte – erinnert, dass eine Volksbefragung für ihn eine Gewissensfrage sei. Ein RTL-Kommentator wittert hingegen reinen Opportunismus und veranschaulicht das durch ein regelrechtes Metaphern-Feuerwerk: „op dat Boot wëll d’Partei lo eropsprangen – zwar komplett ouni Plang a Kompass an ouni wäitsiichteg Kapitänen hannert dem Rudder, mä mam Courage vun Engem, deen um Erdrénken ass, an lo no dem Rettungsrank gräift, deen den Auteur vun enger Petitioun gezammert huet.“
Bei so viel Sprachkunst schließen wir uns doch gerne, wenn auch etwas neidisch an. Die CSV erinnert Retrospect nämlich in der Tat an einen blinden Passagier in einem Zug nach nirgendwo, der entgleist, nachdem die Weichen falsch gestellt wurden. Oder einen Geisterfahrer, der das Lenkrad aus der Hand gegeben hat, nachdem er rückwärts in eine Sackgasse eingebogen ist. Oder einen Trittbrettfahrer, der beim Sprung ins Ungewisse aus dem Tritt gerät und den Abgrund schon von unten sieht. Oder eben an eine ganz normale, planlose konservative Volkspartei anno 2021 in Europa.
Bei den Regierungsparteien freut man sich auf jeden Fall über die gute Oppositionsarbeit. Da kann man sich gerne mal zurücklehnen und neue Familienporträts für die nächste Inthronisierung des DP-Staats schießen. Oder wie es die Grünen wohl in Anlehnung an Winner-in-Chief Donald J. Trump ausdrücken würden: „We are going to win so much, you will get tired of winning…“
