Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Dieses Mal: Extrem hart arbeitende Parlamentarier und andere Verblüffungen.

Heute machen wir es ausnahmsweise wie die Politiker: Auch wenn wir in den vergangenen Wochen durchaus Retrospect-Ausgaben hätten veröffentlichen können, ließen wir uns Zeit und packen nun alles in eine einzige Ausgabe. Das mag im ersten Moment vielleicht unnötig anstrengend wirken, aber andererseits sieht es dann doch nach ordentlich viel Arbeit aus.

Der Hang des Parlaments, vor der Sommerpause die Tagesordnungen bis zum Gehtnichtmehr vollzupacken, hat ja mittlerweile Tradition. Doch dieses Mal war dennoch rekordverdächtig. Läppische 17 Gesetzvorhaben und eine Verfassungsreform peitschten die Volksvertreter in nur einer Woche durch. Dazwischen parlierten sie noch ein wenig über die Impfpflicht – also jene Maßnahme, die laut dem Premier und seinen parlamentarischen Fanclubs eigentlich unbedingt kommen sollte, dann aber doch trotz anderslautender Expertenmeinung auf den Sankt Schockmeltag verschoben wurde.

Schön, dass wir drüber debattiert haben

Doch der Höhepunkt war zweifellos die größte Steuerdebatte, die dieses Land – nein, diese Welt – nein, das Universum – je gesehen hat. So wurde sie jedenfalls von den Parteien angekündigt. Monatelang rangen die Abgeordneten der Steuerverwaltung und anderen Behörden jene grundsätzlichen Daten ab, die in richtigen Ländern zwar längst öffentlich wären, in Luxemburg jedoch wie ein Staatsgeheimnis gehütet werden. Andererseits: Dass die Kosten von politischen Maßnahmen nicht beziffert werden können, hat uns doch noch nie beim Politik machen gestört. #LetItFlow

Aber – Achtung: Spoiler alert! – so groß war die Debatte dann leider doch nicht. Die Sozialisten täuschten zwar wie gewohnt an, dass es ihnen anscheinend um eine grundlegende Umverteilung der Reichtümer im Land geht. Immerhin schickte die LSAP ihr A-Team ins Rennen. Nein, nicht Paulette, sondern – noch besser – den Paulette-Erfinder Dan „Rout Wullmaus“ Kersch. Der zeigte es denen im Parlament mal so richtig. Gilles Baum verstand die liberale Welt nicht mehr. Sven Clement wähnte sich auf einem Kongress der Sozialistischen Internationalen. „Das ist Kommunismus“, weinte Roy Reding, der unbedingt eines Tages seinen ganzen Immobilienbesitz vererben will – ohne Steuern!

Tatsächlich war das passiert, was der alte Bankenlobbyist Jean-Jacques Rommes – seine Freunde nennen ihn JJ – befürchtet hatte: Ein ganzes Parlament voller Marxisten. Dabei hatte er extra noch im werbefinanzierten öffentlich-rechtlichen RTL gewarnt, dass man auf keinen Fall Kapital genauso besteuern könne wie Arbeit. Das wäre unfair und ungeheuerlich. Paradise Lost – das Ende von allem, wofür Luxemburg steht.

Überbezahlte Talente braucht das Land

Am Ende erteilte die Finanzministerin aber auch den letzten Hoffnungen, dass der muntere politische Ideenaustausch zu einer halbwegs mutigen Reform führen könnte, eine klare Absage. Nach dem Motto einer latent arrogant dozierenden Oberstudienrätin sagte Yuriko Backes: Es sei ja schön und gut, über alles Mögliche zu debattieren, aber in Krisenzeiten sei halt kein Geld da, das man verteilen könne. Also außer, die Idee kommt von der DP, dann kann man im Sinne des willkürlichen Sozialliberalismus auch schon Mal viele Hunderte Millionen Euro verteilen, die man eigentlich nicht hat.

Yuriko Backes trägt politisch übermütige Abgeordnete ins Klassenbuch ein. (Foto: Chambre des Députés)

Noch schlimmer als ansatzweise, also zumindest rhetorisch auf die eigenen Koalitionspartner zuzugehen, ist für die Liberalismus-Praktikantin nur, wenn jemand die wahren „Talente“ des Landes ins Visier nimmt. Und Talente sind laut dem liberalen Minister-Handbuch eben nur die allerbesten der Besserverdiener. All die anderen 99 Prozent hatten eben Pech.

Auch sonst hüteten sich die DP-Redner davor, das internationale Kapital, dieses scheue Reh, das allein wegen der Mehrsprachigkeit und dem schönen Wetter nach Luxemburg flüchtete, zu verschrecken. Nach dem bewährten CSV-Motto „Regieren heißt Verhindern“ machte sich die DP jedenfalls ganz viele Freunde in der Debatte: Reichensteuer – no way. Vermögensteuer – ein Werk des kommunistischen Teufels. Erbschaftsteuer in erster Linie – mess du de Geck?!

Wir warten indes auf die naheliegende liberale Erkenntnis, dass Expats keine DP wählen (können), wohnungslose Berufsanfänger dummerweise aber tatsächlich das Wahlrecht haben. Diese böse Wohnungskrise lässt sich aber bekanntlich am besten mit homöopathischen politischen Mitteln bekämpfen. Und für den Rest findet sich eben noch irgendein Steuerkredit. #WarSosNachEppes?

Inspirational Joke of the Year

Wir finden jedenfalls: Die Finanzministerin hat bereits jetzt einen Preis verdient. Für was genau, wissen wir noch nicht. Das ist aber noch lange kein Grund, ihr keinen zu geben. Das dachte sich auch das ruhmreiche Preiskomitee der „WTF Awards“, als es der Gesundheitsministerin den Titel „Inspirational Healthcare Personality of the Year“ überreichte. Paulette Lenert hat den Joke jedoch offensichtlich nicht verstanden und den Preis auch noch allen Ernstes angenommen.

#LuxembourgHealthcareAwards #KeeWitz (Foto: Twitter.com)

Wir hätten an dieser Stelle noch ein paar weitere würdige Preisträger und Preisträgerinnen parat. François Bausch könnte sich etwa zum „Inspirational Mobility Disruptor of the Year“ krönen. Für den Grünen, der sich im Ausland alle paar Wochen für den Gratis-Transport feiern lässt, also für jene Maßnahme, die er vor den Wahlen noch für kontraproduktiven Schwachsinn gehalten hatte, wäre das eine total überfällige Ehrung. Auch Corinne Cahen hätte sich den Titel der „Inspirational Nursing Home Lifesaver of the Decade“ redlich verdient. Und dass die Université de Lorraine ihrem Starstudenten Xavier Bettel den Preis des „Inspirational Academic Compilation Artist“ überreichen wird, ist dem Vernehmen nach auch nur noch eine Frage der Zeit.

Annalena disst Mr. Deutschlandfunk

So richtig abfeiern ließ sich aber auch Jean „de Jang“ Asselborn. Nicht mit einem selbstgesponserten Preis wie so eine Polit-Anfängerin, sondern richtig – im Sturmgeschütz der deutschen Demokratie, aka dem „Spiegel“. Dafür lässt der alte Charmeur sich auch mal lässig von der netten Annalena auf den Arm nehmen.

Russland, Ukraine, Energiekrise, darüber quasselte de Jang gewohnt locker vom Hocker. Die wirklich harte Frage lautete aber: Ist Europas beliebtester Außenminister eventuell süchtig nach Aufmerksamkeit? Sécher dat, wissen Journalisten und Politikerkollegen. Kann gar nicht sein, sagt dagegen Asselborn selbst. „Es gibt Tage, an denen kein Mensch weiß, dass ich existiere“, erklärt er. „Außer wenn man den Deutschlandfunk anschaltet“, kontert die Kollegin aus Berlin. #OhSnap

Sozialisten haben aber eben andere Maßstäbe der politischen Wirklichkeit. In ihrer Welt ist es auch normal, dass Sergej Lawrow 2009 in Steinfort vorbeischaute, um mit Jang Geburtstag zu feiern. #Psssst

Genauso normal ist es, dass nun rauskommt, dass Super-Etienne als Minister Steuergelder verbrannt hat. #Gääähn Und das Parlament anscheinend belogen hat. Naja, wenn die alles glauben … Aber Etienne hat dazu gelernt. Jetzt verbrennt er kein Geld mehr, jetzt geht es um sein eigenes. Und das macht er durchaus erfolgreich. Innerhalb eines Jahres hat er den Umsatz verdoppelt und den Gewinn vervierfacht! Da schaut der Franz! Das ist Kaviar-Sozialismus.

Blöd nur, dass sich russische Truppen auf ukrainisches Staatsgebiet verirrt haben. War bestimmt nicht so gemeint. Aber Etienne schreibt in seinem Jahresbericht im Juni, dass es da „Spannungen“ zwischen den beiden Ländern geben soll. Eine „Krise“, Genaueres will er nicht wissen. Also Jang sollte das mal mit seinem Freund Sergej klären. So ein Krieg mit Kriegsverbrechen, das wäre ja ganz schlecht für Etiennes Geschäft mit seinen russischen Freunden.

Zielstrebig ins verdiente Sommerloch

Jang und Etienne sind einzigartig. Alles, was nach ihnen kam, sind nur billige Kopien. Auch die „Revue“ verliert langsam den Überblick bei Ministerinnen, die gefühlt im Wochentakt vereidigt werden. Gott sei Dank haben sie beim zielstrebigen Hochglanzmagazin aber ein Cover für alle Fälle.

Die Schlagzeile ist kurz, knackig und nicht zu aussagekräftig. Da kann man wenig falsch machen. Nur blöd halt, wenn den Lesern und Leserinnen das auffällt. Und so austauschbar sind die Ministerinnen gar nicht. Die zielstrebige Taina zum Beispiel hat sogar Humor. Und Paulette Lenert ist anscheinend nicht so zielstrebig wie ihre Kabinettskolleginnen, laut „Revue“ ist sie eher „Fair und sozial“. Klar, mit „zielstrebig“ hätte sich Paulette zu sehr festgelegt für ihren Geschmack. Man weiß ja nicht, was kommt.

Wir beglückwünschen Sie hiermit, dass Sie den politischen Endspurt vor den Ferien endlich geschafft haben. Und damit geht es auch für uns zielstrebig ins wohlverdiente politische Sommerloch. Aber nicht vergessen: Wenn Ihnen die heimische Politik zu sehr fehlen sollte, dann einfach mal den Deutschlandfunk einschalten. Ein Außenminister auf Lebenszeit kennt nämlich keine Ferien.


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