Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Unendlich viele Gründe, um für unseren Finanzplatz zu sterben.

Manchmal gibt es ja Wochen, in denen wirklich kaum etwas Nennenswertes passiert. Diese Woche war auch so eine. Denn die große „OpenLux“-Enthüllung war in Wahrheit ein Non-event, zumindest wenn man den Finanzplatz-Lobbyisten (aka Abgeordnete von Blau-Rot-Grün) glauben darf. Wobei die riesengroße Koalition gegen die Kritik aus dem Ausland sogar die ansonsten so regierungskritischen CSV- und ADR-Volksvertreter umfasste. Nur die carrément staatsfeindlichen Linken und Piraten wollten nicht so recht in den Chor der rot-weiß-blauen Finanzplatzharmonie einstimmen.

Das ist denn auch eine Lehre dieser total ereignislosen Woche: Wenn es um eine Jahrhundertpandemie geht, tut sich Luxemburg durchaus schwer mit einer „Union nationale“. Geht es aber um ein paar Artikel, in denen ausländische Journalisten sich das großherzogliche Geschäftsmodell vorknöpfen, dann schließen die Parteien regelmäßig schnurstracks die Reihen, als ob die Kavallerie schon auf der Brücke in Remich steht. Wer jedenfalls dachte, wir würden uns im Krieg gegen ein tödliches Virus befinden, den belehrte die nationale Union eines Besseren. Der wahre Feind unserer Politiker steht nämlich offenbar woanders.

My Finanzplaz, right or wrong

Dabei verharren auch wir regelmäßig in ehrfürchtiger Stille angesichts der hochwertigen Argumente, die zur Verteidigung des saubersten Finanzplatzes unter dieser Sonne angebracht werden. „Orchestrierte Attacke“, „nichts Illegales“, „die sind doch nur neidisch“, „die Anderen sind doch noch viel schlimmer“, „aber die Waffenexporte…“: Bei den (Aus-)Reden der Abgeordneten war für fast jeden etwas dabei. Die besten Hits seit den 90ern…

Den Vogel der High-End-Finanzplatzverteidigung schoss allerdings Gilles Baum ab. Auch der DP-Fraktionschef sprach natürlich nicht von journalistischen Recherchen, sondern von unberechtigten „Attacken vun der internationaler Press“. Man müsse sich auch fragen, welche Interessen besonders Deutschland und Frankreich an so einer kritischen Berichterstattung über das arme Luxemburg hätten, sagte der Liberale bei „Radio 100,7“. Auf die Frage, ob er damit auf eine Verschwörung anderer Finanzzentren gegen Luxemburg anspiele, versicherte Gilles Baum: Nein. Denn er habe die betreffenden Zeitungsartikel noch gar nicht gelesen.

Wir finden: Genau so soll es sein. Das Vaterland vor ausländischen Attacken verteidigen und pauschal gegen Journalisten pöbeln, das kann nun wirklich jeder. Wirklich überzeugend wird die anti-verschwörerische Agitation erst, wenn man gar nicht weiß, worum es eigentlich geht.

„Vum Portier erop bis bei den Direkter“

Doch nicht nur der Attila Hildmann der DP glänzte diese Woche mit einer unschlagbaren Kombination aus Unwissen, kruden Verschwörungstheorien und vorbildlichem Finanzpatriotismus. Auch Fernand Kartheiser holte zum rhetorischen Gegenschlag gegen das bitterböse „Luxemburg-Bashing“ aus. Man merke an dieser Stelle: Immer wenn jemand von „Bashing“ spricht, ist der Schwachsinn nicht weit.

Vor allem die von Grund auf scheinheilige „Süddeutsche Zeitung“ nahm der Doppelagent (00) dabei ins Visier. Die ganze Kritik am „Steuerparadies“ Luxemburg wäre ja nur ansatzweise glaubwürdig, wenn die Zeitung denn auch mal „ee scheine Reportage“ über deutsche Waffenexporte in die Türkei machen würde. So etwas würde sich die „Süddeutsche“ ja niemals trauen, ja das wäre so abwegig, wie wenn diese „Süddeutsche“ die jüngste deutsche Rüstungspolitik als „schändliche Bilanz“ brandmarken würde, eine geradezu lächerliche Vorstellung.

Symbolbild. (Foto: Chambre des Députés)

Sichtlich beleidigt, dass Baum, Kartheiser und Co. ihm den Rang als Cheflobbyist ablaufen wollen, war diese Woche Nicolas Mackel von „Luxembourg for Finance“. Zuerst machte er seinem Ärger im „Interview“ mit seinen Kumpels bei „Paperjam“ Luft. Obwohl, im Vergleich mit diesem lang erwarteten Exklusiv-„Interview“, war die Eizi-Eizi-Plauderei mit dem BFF von LFF geradezu ein Hard Talk.

Doch das war nur der Anfang der medialen OpenLux-Gegenoffensive. Damit aber auch jeder versteht, wer der King of Finanzplaz ist, überlegte sich Mackel vor seinem Interview bei „RTL“ dann das beste, überzeugendste, ja ultimative Argument, warum das Ländchen so viele tolle Firmen mit so unfassbar viel wirtschaftlicher Substanz ins Land lockt.

Steuern, ja ok, das sei durchaus „eng Fro“, so der CEO des führenden Humoristenverbandes des Landes. Der wirkliche Grund sei aber: „Dir kennt bei d’CSSF goen an vum Portier erop bis bei den Direkter schwätzt jiddereen Englesch. Dat fannt der net op ganz villen anere Plaatzen.“ Das ist nun wirklich absolut einleuchtend. Dass der „Portier“ in London, Dublin, Delaware, Malta, den British Virgin oder den Cayman Islands Englisch spricht – absolut ausgeschlossen.

„Mir sinn komplett an der Rei“

Es ist aber irgendwie mal wieder so wie in der Schule. Gilles, Nicolas, Fernand und wie sie alle heißen, stehen in der hintersten, dunklen Ecke des Schulhofs. Sie sind die kleine ausgestoßene Gang, die doch so gerne mit den coolen anderen Ländern abhängen würde. Dabei strengen sie sich immer so an, um hip, trendy und voll transparent zu wirken. Wenn sie dann aber doch mal auf eine Party oder zum Fußball eingeladen werden, tauchen sie einfach nicht auf, mit Verweis auf das fehlende „Level playing field“.

Sich selbst reden sie immer wieder ein: „Mir sinn dach komplett an der Rei!“ Rein fiskalisch versteht sich, wie Pierre betont, der Anführer der Gang, die anderen Kids nennen ihn abfällig nur den „Jong vun Esch“. Pierre hat zur Not auch immer „5 Gründe“ parat, warum seine Gang eigentlich ganz nett ist. Nur die anderen wollen es erst gar nicht hören. Stattdessen machen sie Pierre und seine Freunde immer runter und verfassen alle paar Jahre ätzende, als recherchierte Artikel der Schülerzeitung getarnte „Attacken“.

Dabei ist sich die kleine Gang ihrer Schwächen dann doch klammheimlich bewusst. „Du nervs mat dengem Triple A, domat kann een sech näischt kafen“, sagte Pierre diese Woche voller Selbsterkenntnis beim Gang-Treffen in der „Chamber“. „Wann ee bei de Bäcker geet a seet, ech sinn Triple-A-Customer, gitt mer d’Baguette méi bëlleg, esou funktionéiert dat net.“

Aber natürlich wäre Pierre nicht Pierre, wenn er das Triple A nicht doch ein bisschen cool fände. Dazu kommt: Die Luxemburger Gang besteht nachweislich aus „very stable geniuses“. Also politisch und sozial gesehen. „Mir streiken ni“, sagte Pierre, weil wir immer so viel „dialogéieren“ – mit dem Pförtner der CSSF, und zwar ausschließlich auf Englisch, versteht sich.

Kachkéis, Bouneschlupp, Quetschekraut a Soparfien

Zum Schluss wollen wir die Stimmung dann doch etwas heben. Als gute Patrioten standen auch wir diese Woche in Reih und Glied, um die Attacken aus dem Ausland abzuwehren. Damit auch ja kein Zweifel an unserem lupenreinen Nationalstolz entsteht, haben wir wie der Großherzog auch schon ein paar Soparfis gegründet. Natürlich mit riesengroßer Substanz, nigelnagelneuem Briefkasten und englischsprachigem Türsteher. Sicher ist sicher.

Doch auch wir wissen: Der Krieg ist noch nicht vorbei. Nach Luxleaks, Offshore Leaks, Panama Papers, OpenLux – die nächste Schlacht kommt bestimmt. Also, solange unsere Nachbarn ihre völlig unbegründete Luxemburg-Obsession, ihren Frust und ihre krankhafte Jalousie nicht überwinden können.

Bis dahin hilft wie so oft nur Singen. Im Zweifel die neue Nationalhymne …

Wou d’Geld duerch d’Bréifkëschte zéit,
Duerch Tricks keng Gesetzer brécht,
Wou engem keng Steieren a kee Prisong bléit,
Den Marius Rulings ons mécht:
Dat ass ons Finanzplaz fir déi mer géif
Heinidden alles won,
Ons Finanzplaz déi mir sou déif,
An onsen Hierzer dron.
Ons Finanzplaz déi mir sou déif,
An onsen Hierzer dron.

Und jetzt alle …




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