Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Immer samstags blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Fernand „Sherlock“ Etgen und andere Polit-Phänomene.
„Top!“, „Flotte Kommentar“: Die Meinungen über in den Medien veröffentlichte Meinungen gehen ja bekanntlich auseinander. In einem Land mit freier Meinungsäußerung darf man das. Das gilt offenbar selbst für staatliche, vom Steuerzahler finanzierte Verwaltungen, von denen man ansonsten einen gewissen Anspruch auf Neutralität erwarten kann. Das neu getaufte „Ministère de la Mobilité et des Travaux publics“ testete die Grenzen der politischen PR diese Woche auf Twitter gleich mehrmals aus.
Der Minister reagierte prompt und räumte Verständnis für die Verschmelzung zwischen ihm und seinem Ministerium ein. Nicht ohne zu betonen, dass ein Ministerium zwar neutral bleiben sollte, ein Minister aber durchaus mit Journalisten streiten und deren Arbeit gut oder schlecht finden darf. Versehen mit einem „Grinning Face With Smiling Eyes“-Smiley, der einen kichernden Minister vermuten lässt. Er werde das mit der zuständigen „Moderatrice“ besprechen. Der „Winking face“-Smiley deutet an dieser Stelle auf mögliche Ironie hin.
Doch Twitter wäre nicht Twitter, wenn die Antwort des Ministers jedem User genügt hätte. In der Tat wirft der Minister-Tweet so manche Fragen auf. Erstens wissen wir nun, dass der für den Twitter-Feed zuständige Beamte eine Frau ist (Wir wünschten uns an dieser Stelle einen „Who cares“-Smiley). Zweitens hatte Bausch die medienlobenden Tweets seines Ministeriums selbst geliked bzw. war selbst darin verlinkt. Ihm hätte das mit der Neutralität also durchaus schon früher auffallen können. Sei’s drum.
Ehrlicher Chamber-Pirat
Zu ehrlich waren diese Woche gleich mehrere Politiker. Darunter Marc Goergen (Piraten), als er im RTL-Interview zu seinen ersten Monaten im Parlament befragt wurde. Selbstverständlich war auch die neue Beziehung mit der ADR ein großes Thema. Dazu, dass man sich in einem „Groupe technique“ zusammengeschlossen hatte, will Goergen dann aber gleich klarstellen: „Et as net aus Léift geschitt.“
In der Tat hatte bisher auch niemand das Gegenteil behauptet. Trotzdem gut, dass Goergen nicht von Liebe geblendet ist und so in Bezug auf die Kooperation mit der Gibéryen, Kartheiser und Co. offen sagen kann: „Finanziell ist es natürlich interessanter.“ Wobei sich die Attraktivität für ihn persönlich auf das Einstellen von zusätzlichem Personal beschränkt; von den rund 70.000 Euro, die sein Parteikollege Sven Clement in den kommenden Jahren voraussichtlich als Koordinator nebenher kassieren wird, bleibt wohl nichts für Goergen übrig. Aber bitte keine Eifersucht. Denn: „Et as jo net aus Léift geschitt.“
Fernand „Sherlock“ Etgen
Auch der Chamber-Präsident war wie gewohnt etwas zu ehrlich, als er im „Tageblatt“-Interview (Titel: „Nicht nur die Glocke bedienen“) zu den Debatten der Abgeordneten hinter verschlossen Türen befragt wurde. Wäre es nicht besser, wenn die Kommissionssitzungen öffentlich wären? „Es ist so, dass Abgeordnete sich anders verhalten, wenn Kameras auf sie gerichtet sind“, entgegnet Fernand Etgen prompt. Und fügt eine ungeahnte, analytisch messerscharfe Erklärung hinzu: „Dann können sie nicht frei sagen, was sie eigentlich sagen wollen.“ Ach nee.
Die, naja, unzensierte Variante der politischen Zankerei kann die Bevölkerung ja immerhin in den öffentlichen Sitzungen mitverfolgen. Da wollte es sich Etgen auch nicht nehmen lassen, all jene, die diese Woche die Parlamentsdebatten spannungsgeladen „virun der Télé“ mitverfolgten, während der Sitzung ganz offiziell zu begrüßen. Von Streaming und Smartphones hat der parlamentarische Privatdetektiv wohl noch nichts gehört. Naja, egal. Hauptsache er läutet die Glocke weiter.
Homosexualität als „Phänomen“
Fernand Kartheiser hat dagegen ganz andere Probleme. Er wird von einem Känguru verfolgt. Noch schlimmer: Von einem schwulen Känguru. Ja, immer noch. Seitdem er sich besorgt darüber zeigte, dass Schulkinder im Theaterstück „Ein Känguru wie du“ dem Thema Homosexualität regelrecht ausgesetzt werden, wird der ADR-Politiker das Tier nicht mehr los. Jetzt haben die jungen Grünen auch noch ganz dreist angeboten, mit ihm gemeinsam eine Vorstellung anzuschauen – damit er sich selbst ein Bild von diesem doch so skandalösen Känguru machen kann.
Die jungen Politiker haben keine Kosten und Mühen gescheut und Kartheiser das Ticket sogar bezahlt. Es hat aber alles nichts genützt. Kartheiser lehnte die Einladung in einem offenen Brief kategorisch ab. Für so viel Offenheit und Toleranz ist der Politiker und Känguru-Feind einfach nicht bereit. Er investiere seine Zeit lieber auf andere Weise, schreibt er an die Jonk Gréng. „Homosexualität als Phänomen“ interessiere ihn nicht.
An dieser Stelle eine kleine Begriffsbestimmung. Mit Phänomen meint Kartheiser laut Duden „(bildungssprachlich) etwas, was sich beobachten, wahrnehmen lässt bzw. [bemerkenswerte] Erscheinung“. Synonyme: Besonderheit, Merkwürdigkeit oder auch Kuriosität. Der Ex-Diplomat hat aber vielleicht auch einen Hang zur philosophischen Begriffsbildung: „das Erscheinende, sich den Sinnen Zeigende; der sich der Erkenntnis darbietende Bewusstseinsinhalt“.
In jedem Fall hat der bekennende Katholik keine Hemmungen, sein Unbehagen mit dem „Phänomen“ schriftlich noch einmal zu dokumentieren. Zugleich sagt er der „Frühsexualisierung“, „Indoktrinierung“ und „Kommerzialisierung“ unserer Kinder den Kampf an. Oder wie es Marc Goergen wohl sagen würde: „Et as net aus Léift geschitt.“ Und dennoch haben wir kein Problem damit, uns aus finanziellen Interessen mit Politikern, die homosexuelle Menschen als „Phänomen“ bezeichnen, zu verbünden.