Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Dieses Mal: Warum Politik offenbar auch keine Lösung ist.
Geht es Ihnen auch so? Bei all diesen Krisen verliert man schnell mal den Überblick. Krieg in der Ukraine, Energiepreise, globale Ernährungskrise, ein gewisses Virus namens Sars-CoV-2, Affenpocken… Bei den ganzen Weltgeschehnissen könnte man fast den Dauerbrenner in Luxemburg vergessen: den Wohnungsmarkt. Sie wissen schon, dieses Ding, das so gut funktioniert, dass die Politik seit Jahrzehnten nicht eingreifen musste.
Nur die fortgeschrittenen Krisenmanager wissen dabei: Selbst wenn man wollte, könnte man an diesem Markt nur schwer etwas ändern. Der Grund: die Demokratie. Das meint zumindest Henri Kox. Auf die Frage, warum alles so lange dauert, meinte der Wohnungsbauminister, dass es eben schwierig sei, in einer Demokratie überhaupt Projekte zu lancieren: „Weil man die Menschen mit ins Boot nehmen muss“, so der aktionistischste Minister der Regierung im „Luxemburger Wort“.
Damit ist der Grünen-Minister voll auf einer Linie mit dem Industrieverband Fedil, der dieses Problem schon vor einem guten Jahr erkannte (Retrospect berichtete). Mit der geballten Kompetenz aus der Wirtschaft sowie hohen Beamten und Politikern wäre die Wohnungskrise längst überwunden. Nur das doofe Volk checkt es nicht. #WatWëllsDeMaachen
Null Prozent, null Peilung
Ein ausgewiesener Experte in Sachen markttreuer Politik ist auch Gilles Baum (DP). Die Inflation sei für Eigenheimbesitzer etwa zweitrangig, weil „wir sind ja im Moment noch in einer Null-Prozent-Zinspolitik“, dozierte der DP-Fraktionschef jüngst im Radio. Er zweifelt deshalb auch daran, dass die Kosten für einen Kredit zurzeit für ein Eigenheim im Wert von 800.000 Euro monatlich um 500 Euro steigen könnten. Fakten liefert er dabei nicht, Baum argumentiert lieber mit dem generellen liberalen Wohlgefühl, das die Regierungspolitik mittlerweile leitet.
Zu Recht! Die Berechnungen basieren nämlich auf irgendeinem dahergelaufenen abstrusen Nischenmedium. Prof. Dr. Baum weiß natürlich: Eine Null-Prozent-Politik der Zentralbank bedeutet auch Null-Prozent beim Endverbraucher. Das kann ja jeder leicht auf seiner Kontoabrechnung überprüfen. Und falls nicht, liegt es jedenfalls nicht an der Politik, die sich mit immer abstruseren Ausreden aus der Verantwortung stiehlt. Auch wir wissen nur zu gut: Das Problem der Wohnungskrise sind nicht untätige Regierungen, sondern Journalisten und Wähler, die einfach rein gar nichts verstehen.
„D’Realitéit, wéi se haut ass“
Konsequent zu Ende gedacht, hat diesen Politikansatz übrigens ein gewisser Claude Meisch. Krisen relativieren, die Sorgen vieler Menschen einfach ignorieren, das ist nämlich nur was für Amateure. Der wahre Luxemburger Politikprofi hat längst aufgehört, so zu tun, als ob man Politik macht. Das gilt nicht zuletzt für die Bildungspolitik.
„Do kënnt fir mech awer dacks eppes ze kuerz, dat ass d’Realitéit, wéi se haut ass“, antwortete der Minister bei der „RTL“-Call-In-Show „Dir hutt d’Wuert“ auf irgendeine läppische Sorge aus dem Volk. „Déi kréie mer net geännert, mir kréien d’Welt net einfach duerch eng politesch Décisioun geännert, a mier kréien se net esou gemach, wéi eenzelner sech dat géiwe virstellen.“
Et voilà. Sonst noch Fragen? Während uns Politiker jahrzehntelang glauben machen wollten, ihnen ginge es in ihrem Job allein um die „Gestaltung“ und die „Lösung“ von „Problemen“, sagt Meisch endlich, wie es wirklich ist. Wir sind auch schon gespannt auf die DP-Slogans für die kommenden Wahlen: „Wunnengskris – Déi kréie mer net geännert“, „Politik ass och kéng Léisung!“, „Et ass wéi et ass – dofir déi mam Xav.“
Auf der einen Seite gibt es also die „Realität“, auf der anderen die Erwartungen der Bürger, dass man an dieser „Realität“ etwas ändern könnte – womöglich sogar mit „politischen Entscheidungen“. #Pfff Deshalb gehen sie alle paar Jahre wählen und erhoffen sich zumindest irgendeine, kleine Verbesserung jener Probleme, die sie persönlich betreffen. Und mittendrin steht die Politik und lacht sich angesichts der Naivität aller Nicht-Politiker ins Fäustchen.
Wir finden: Das Parlament sollte konsequent sein, und auch dem Staatsphilosophen Claude Meisch die Führung beim anstehenden Besuch von Wolodymyr Selenskyj übertragen. Dem ukrainischen Präsidenten könnte der Minister dann auch noch mal erklären, warum die Realität nun einmal so ist, wie sie ist. So einen russischen Angriffskrieg kriegt man halt nicht einfach so „duerch eng politesch Décisioun geännert“.
Kollektive Inkompetenz im Fokus
Einer, der Meischs Memo auch noch nicht erhalten hat, ist Frank Engel. Der frisch gekürte Spitzenkandidat der Vereinigung aller Enttäuschten, Geknechteten und gescheiterten Parteipolitiker („Fokus“) hat bekanntlich nicht nur zu allen Themen etwas zu sagen. Nein, die Medien machen ihm auch noch den Gefallen und laden ihn zur Primetime ein, damit er seine starken Thesen und geschliffenen Pointen unters Volk bringen kann.
Seine Rhetorik schwankt dabei immer zwischen fabelhafter Prosa und durchaus gequirltem Schwachsinn. So antwortete Engel im „RTL“-Interview direkt auf die erste Frage nach der Index-Debatte mit den Worten: „Realismus ass mengen ech hei net d’Fro. Hei ass d’Fro, datt eigentlech en Institutioune-System géing vergewaltegt ginn…“
Doch Frank Engel vergreift sich nicht nur gerne mal bei seiner Verbwahl, er hält sich auch allzu oft mit absoluten Banalitäten auf. So behauptete der Mann mit dem besonderen Fokus für unnötig komplizierte Schachtelsätze (Retrospect berichtete) doch tatsächlich, dass das Luxemburger Parlament inkompetent und arbeitsfaul sei. „Jo, ech hätt einfach dommerweis gären, wa Leit, déi gewielt sinn, an déi net midd ginn, eis de ganze Dag ze zielen, wat fir eng terribel responsabel Charge si do hätten, dann och fir dat, wat se dofir kréien, e bësselchen eppes leeschten“, raunte der Ex-Compliance-Beauftragte der CSV.
Was der Sprecher dabei aber offenbar verkannt hat: Auch die „Zort vun kollektiver Inkompetenz am Lëtzebuerger Parlament“ ist nun einmal „d’Realitéit, wéi se haut ass“, „déi kréie mer net geännert“ …
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