Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Dieses Mal: Tankrabatt, Frank Engel und andere vernunftbegabte Phänomene.

Es ist Krieg, es ist Krise, es herrscht Klassenkampf. Aber vor allem waren Osterferien. Das Parlament ist zwei Wochen quasi dicht, in den Ministerien ist kaum jemand anzutreffen. Nur der OGBL ist auf der Straße, um die Unterschicht davon zu überzeugen, der oberen Mittelschicht auch noch was vom Kuchen übrig zu lassen. #IndexOrDie

Zwei Wochen nach der hochdramatischen Tripartite hat sich das Land aber dann doch etwas beruhigt. Nur beharrliche Nervensägen wie Journalisten wollten noch wissen, wie das Geld denn nun genau unters Volk kommt und vor allem um wie viele Milliönchen es geht. Die Antwort unisono aus den Schaltstellen der Macht: Bitte nach den Ferien fragen, jetzt haben wir wirklich andere Sorgen. #VakanzAssVakanz

Auch ein gewisser Wolodymyr Selenskyj wunderte sich: Er hatte quasi alle Parlamente in Europa durch und wollte sich laut gut gebräunten Beamtenkreisen dann in Luxemburg melden. Aber bei Fernand „FeelTheFern“ Etgen ging nur der Anrufbeantworter dran. Wie gesagt: Ferien sind Ferien. Da reicht der politische Wille nur, um den Tankrabatt zu beschließen.

Frischgezapfter Diesel à gogo

Konkret heißt das: 3,75 Euro Ersparnis bringt der Tankrabatt auf 50 Liter, rechnete die liberale Finanzministerin die wahrscheinlich sinnloseste Maßnahme, seit es Politik gibt, vor. Der klassische DP-Wähler ist bei solchen Summen natürlich verwirrt. Darum zum Mitschreiben: Zwei- bis dreimal Tanken mit Ihrem Porsche Cayenne und die „Kippchen“ bei der Brasserie Guillaume geht auf die Rechnung des Staates. #TchinTchin

Wenn sie kein Brot mehr haben, sollen sie halt Diesel saufen, denkt sich die Marie-Antoinette aus der „Jofferegaass“. Scherz beiseite, der letzte grüne Fundi Luxemburgs (aka Super-Turmes) erklärte „RTL“ den wahren Grund: Es könne ja nicht sein, dass jetzt Luxemburger zum Tanken nach Frankreich fahren. Auch wir finden: Klima retten, ist ja schön und gut. Aber die Freiheit des Großherzogtums wird eben an der Tanksäule verteidigt.

Apropos Brasserie Guillaume: Dort traf sich vor gut einer Woche die Internationale des zwitschernden Spaß-Liberalismus. Posterboy und deutscher Zahlmeister Christian Lindner dinierte dort mit seinen Fans Xavier und Yuriko. Für ein lustiges Selfie reichte es natürlich auch. #SchönerAbend

Liberale Exzellenz unter sich. (Foto: Twitter.com)

Man kann sich vorstellen, wie die drei von der Tankstelle über sozialliberale Wohlfühlpolitik in Zeiten des Krieges philosophierten, den Klimawandel als ganz schön dornige Chance begriffen oder herzlich über rote und grüne Koalitionspartner ablästerten. Lindner wollte dem Vernehmen nach aber nicht glauben, dass es grüne Parteien gibt, die sich nicht mal wehren, wenn sie von der liberalen Agenda überrollt werden. Aber wie François Bausch immer sagt: Déi Gréng sind einfach die besseren Liberalen.

Den Mittelstandsbuckel runtergerutscht

Luxemburgs Liberale haben es aber auch so viel einfacher. Sie warten einfach, bis die größte Gewerkschaft des Landes Entlastungen für Besserverdiener fordert. Dann sagt man erst mal empört Nein und leakt es an die Presse. Dann kommt die rote Nora und fordert die Glättung des „Mittelstandbuckels“. Irgendwann hört selbst der willkürlichste liberale Regierungsspaß aber auf. Schon Ex-Finanzminister Pierre Gramegna verweigerte sich dieser Maßnahme, weil er fand, da bekämen Menschen wie er Geld, das sie wahrlich nicht brauchen. In der Tat: Wer braucht denn schon zwei Häuser in der Toskana?

Aber wenn erst einmal die Studienräte und Middle Manager aus den Banken im SUV-Autokorso gegen den „Indexklau“ demonstrieren, erst dann kann man als liberale Regierung guten Gewissens einlenken. Sie wollten es ja so. Bis es so weit ist, schwelgen die OGBL-Gewerkschafter aber lieber in den Erinnerungen an den Generalstreik 1982. Da war die Proletarierwelt noch in Ordnung. John Castegnaro war noch ein Arbeiterführer, der die Stahlbarone eigenhändig niederrang. Der Index war unantastbar und wenn nicht, wurde halt gestreikt. Dann wurde Luxemburg zur niedlichen Steueroase. Seitdem heißt es: Gießkannen raus und einfach laufen lassen, wenn auch auf Kosten anderer Länder und deren ausgesuckelten Steuereinnahmen. Oder um es im OGBL-Jargon zu sagen: Alles wie gehabt.

Als dann auch nach der 28. Pressemitteilung noch immer kein Journalist (OGBL-Mitglied Ali Ruckert ausgenommen) verstanden hat, wie genial und glaubwürdig die größte Gewerkschaft des Landes kommuniziert und dass alle, die etwas anderes sagen, „Liggen“ erzählen (Retrospect berichtete), kam irgendeiner auf eine ganz tolle Idee. Nach dem Motto: Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?

Der OGBL erinnerte sich also gerade noch rechtzeitig, dass er doch eine eigene Zeitung besitzt, die dem Land ganz neutral erklären kann, wie der Index-Hase läuft. Und warum selbst die topegsten Topverdiener ein von Natur aus gegebenes Recht auf eine automatische Lohnerhöhung haben. Das Resultat: Eine „magistrale Analyse“, wie die Gewerkschaft es in den sozialen Medien kommentiert, natürlich total unabhängig recherchiert und geschrieben. #MäinTageblatt #MäinIndex

Endlich wieder Engelsplaining

Und dann waren da noch die Wahlen in Frankreich, also in dem Land, in dem ein wahrer grüner Luxemburger Patriot, wie gesagt, bitte nicht tanken gehen soll. Doch während nun die Angst vor einer möglichen Präsidentin Marine Le Pen umgeht, halten wir es da ganz mit dem CSV-Präsidenten der Herzen und Lebern aka Frank Engel. Selbst wenn die Hoffnung des nationalen Aufmarsches im zweiten Wahlgang gewählt werden sollte, wird die Suppe nicht so warm gegessen, wie sie gekocht wird.

Sorry, wir haben die Quintessenz der Engel’schen Rhetorik aus Gründen hier etwas abgekürzt. Nur im Original entfaltet sich natürlich die komplette, wenn auch Junckeresque wirkende, sprachgewandte Genialität (Quelle: Radio 100,7): „Souguer dann, wann d’Madame Le Pen gewielt géing ginn, wat ech net fir ausseruerdentlech wahrscheinlech halen, mee wat awer natierlech eng theoretesch Méiglechkeet ass, déi kéint zu enger praktëscher mutéieren, et sou wäert sinn, wéi meng Groussmamm ëmmer sot: Déi Zopp gëtt warscheinlech och net sou waarm giess, wéi se gekacht gëtt.“

Ist die braune Rassemblement-National-Suppe einmal gekocht, abgeschmeckt und etwas abgekühlt, meint der anerkannte Extremistinnenversteher Frank Engel nämlich, dass Marine Le Pen „jenseits vun all Kampfrhetorik, déi et reegelméisseg un den Dag leet, eigentlech eng vernuftbegabte Fra ass“. #EhBenDisDonc

Engels früherer Parteifreund und Nachfolger im Amt des Präsidenten der Partei für Arroganz, Überheblichkeit und kreative Buchführung (CSV) hat das mit den französischen Wahlen dagegen irgendwie falsch verstanden. So als dürfte da am nächsten Sonntag jeder mitmachen und sich dank pathetischer Slogans wählen lassen…

Man wird ja wohl noch träumen dürfen. (Foto: Claude Wiseler/Facebook.com)

Aber auch hier gilt natürlich, dass die theoretische Möglichkeit, die nicht allzu wahrscheinlich ist, dass Claude Wiseler Präsident der französischen Republik werden kann, zumindest hypothetisch, also nachdem die Suppe gekocht wurde, im Prinzip zu einer praktischen mutieren könnte. #MoiPrésident

„Kanner, sidd keen Appendix!“

Doch Engel wäre nicht Engel, wenn er nicht auch in der großen Weltpolitik den vollen, gänzlich unbescheidenen Durchblick hätte. Im Konflikt mit Russland gelte es, prinzipientreu zu sein und in Europa endlich mal wieder selbst Dinge zu produzieren. Denn: „Ech hu keng Loscht, en Appendix vun engem totalitären euraseschen Grousskontinent ze sinn.“

Das Gleiche gilt natürlich für China, wo es laut Engel ganz einfach zu Fortschritten käme, „wann ee vis-à-vis vu China mol eemol mat der Fauscht op den Dësch géing schloen an soe géing: Kanner, mir akzeptéieren elo net, datt sech hei eng eurasesch Mass vun totalitäre Regimmen zesummendeet, fir eis ze quëtschen.“

Ganz genau. Wir finden: Der Mann ist eindeutig unterfordert. Die EU sollte einfach Frank Engel zum Sondergesandten ernennen und dann läuft der Rest quasi von alleine. Engel in Peking: „Kanner, mir akzeptéieren dat elo net…“ Engel in Washington: „Kanner, lo zielen ech iech mol, wat mer maan…“ Engel in Moskau und Kiew: „Kanner, lo packt iech einfach…“ Engel in Bergkarabach: Ach nee, das lassen wir lieber sein …

Bei dieser Jobperspektive gäbe es übrigens noch einen weiteren, unschlagbaren Vorteil: Die EU-Bürokratie müsste noch nicht einmal einen Arbeitsvertrag aufsetzen, das macht der Welterklärer mit den schicken Karosakkos schon ganz alleine. #WinWinWinWin

Schluss mit dem Gefasel!

Aber jetzt ganz ohne Scherz: Alle Journalisten und sonstigen Satiriker dieses Landes können nur dankbar sein, dass Frank Engel wieder da ist. Müsste man sich sonst mit seichtem Wortgeklingel der Max Hahns, Serge Wilmes‘ und Djuna Bernards dieser Welt herumplagen, liefert der Frankster wahre, wenn auch oft altertümlich anmutende, und in ebenso ellenlangen wie unnötig komplizierten Schachtelsätzen verpackte, Schätze der politischen Rhetorik ab. Seine Spezialität ist aber: Sätze, die im ersten Moment saustark klingen, sich bei genauerem Hinhören aber nur als Gefasel, gewissermaßen als Appendix des politischen Establishments entpuppen.

„D’Leit wëllen dat Gefasels vu ganz ville Politiker vun den etabléierte Parteien einfach net méi héieren“, raunte der erfolgreichste Parteichef aller Zeiten etwa in besagtem Interview mit „Radio 100,7“. Und auch wir können uns nur anschließen. Auch wir wollen wie die meisten „Leit“ nur noch das Gefasel vun Politikern von nicht-etablierten Parteien hören. Also #KeepItComingFrank!

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen ein ebenso entspanntes wie vernunftbegabtes Wochenende. Und, wie nicht nur Frank Engel und Yuriko Backes wissen: The sky is the limit. Hören Sie also nie auf zu träumen. Vielleicht erreichen Sie ja eines Tages Ihr Lebensziel wie ein gewisser MdB…


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