Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Index-Schlachten und andere wiederkehrende Enttäuschungen.

Na, wer hätte das gedacht? Da will die Regierung „de Leit“ großzügig unter die Arme greifen, mit Steuerkrediten, Mietembargos, Tankrabatten, und allem drum und dran. Und wer torpediert die frohe Kunde des „Solidaritéitspak“? Ausgerechnet die „soziale Kraft im Dienst des Arbeitnehmers“ aka OGBL. Was für die einen nämlich einen historischen Akt der Solidarität darstellt, ist für die anderen schlicht herkömmlicher „Sozialabbau“. Oder wie es Vizepremierministerin Paulette Lenert schon in der Pandemie auf bitterböse Oppositionskritik an ihrer einwandfreien Krisenpolitik auf den Punkt brachte: „Egal, wéi een et mécht, et ass ëmmer falsch…“

Bei der Begründung der Verweigerungshaltung des OGBL wird es jedoch tricky. Wie es auch in Luxemburgs Politik mittlerweile üblich ist (Retrospect berichtete), wirft die größte Gewerkschaft ihren Kritikern nämlich „Liggen“ vor. Die Pressekonferenz des OGBL-Politbüros vom Donnerstag darf dabei als Bilderbuchbeispiel für äußerst professionelle Kommunikation gelten. 1. Geben Sie den Zuschauern schon vorab ein paar Einblicke in Ihr Seelenleben, während die Kameras schon laufen. 2. Sprechen Sie mit einer so melodramatischen Stimme, als wären Sie Wolodymyr Selenskyj und es würde hier tatsächlich um Leben und Tod gehen. 3. Laden Sie nicht nur die Presse, sondern zur Sicherheit auch ein paar Claqueure ein, die in den hinteren Reihen für Stimmung sorgen und die Oratorin am Ende so richtig abfeiern. #BigSuccess

Nun aber Spaß beiseite und „Liggen“ auf den Tisch: Man habe natürlich gar nicht gefordert, dass Jahreseinkommen von 160.000 Euro für eine verschobene Indextranche kompensiert werden sollen, hüstelte die OGBL-Präsidentin in die Mikrofone von „RTL“ und Co. Sondern: Nur „bis zu“ 160.000 Euro! Nicht nur der OGBL, auch wir wissen nur zu gut: Bei all der großen Solidarität im Lande sollte man eben nicht jene Menschen vergessen, die am Ende des Monats jeden zehntausendsten Euro zweimal umdrehen müssen.

Spaßbremse OGBL. (Symbolbild: SIP/Jean-Christophe Verhaegen)

Eines muss man den mutmaßlichen Spindoktoren aus dem Staatsministerium aber lassen: Der 160.000-Euro-Leak war zwar ein latentes Plagiat der 1. Staffel von „House of Cards“, hat seine Wirkung aber nicht verfehlt. Wer bisher noch dachte, die eingestaubten Index-Gladiatoren aus der Maison du Peuple seien die Garanten des sozialen Friedens im Land, glaubt wohl auch daran, dass es dem wohltätigen Patronat lediglich um „Solidarité et Prévisibilité“ (dixit Fedil) geht.

Wir sind uns aber sicher: Die neu gegründete Interessensvereinigung der blutenden gehobenen Luxemburger Mittelschicht (OGBL) wird sich von diesem Schlag des DP-Staates in die syndikalistische Magengrube früher oder später erholen. Denn die nächste Index-Schlacht kommt bestimmt.

Tipps und Tricks zum „Solidaritéitspak“

Wie schon beim ähnlich fesch klingenden „Zukunftspak“ (die Älteren unter Ihnen werden sich erinnern) liegt aber auch beim „Solidaritéitspak“ der Teufel im Detail. So richtig „iwwerkompenséiert“ wird nämlich bei Weitem nicht jeder. Nicht kleine, aber auch nicht wirklich große Einkommen zum Beispiel, deren Bezieher sich aus irgendeinem absurden – bis Redaktionsschluss jedenfalls nicht bekannten – Grund bei einer Bank verschuldet haben, um sich ein Eigenheim zu leisten. Oder auch ähnlich bemitleidenswerte Zeitgenossen, die nur eines von diesen futuristischen Elektroautos, oder – let’s be really crazy – überhaupt kein Auto, besitzen und deshalb nicht in den Genuss des staatlichen fossilen Spritrabatts kommen.

An dieser Stelle haben wir aber ein paar exklusive Tipps für Sie parat, wie Sie diese und andere undichte Stellen des „Solidaritéitspak“ lässig austricksen können: Sie können zum Beispiel einfach bei einem Bekannten im SUVchen als Beifahrer mitfahren und so dessen klimapolitische Überkompensierung an der Tanke zumindest passiv miterleben. Oder Sie beschaffen sich einfach einen günstigen Dieselgenerator, mit dem Sie Ihr E-Fahrzeug dann aufladen können. Dann klappt das auch wieder mit den 7,5 Cent pro Liter! #AllesSuper

Mögen Sie es jedoch etwas waghalsiger: Vielleicht wäre ja die Gründung eines energieintensiven Unternehmens etwas für Sie. Es ist eine klare Win-win-Situation: Der Staat garantiert nicht nur den Kredit für die Gründung, sondern setzt auch noch Beihilfen für die hohen Energiekosten drauf! #GärGeschitt

Iron Lydie vs. Kinky Corinne: The Endgame

Ein Regierungsmitglied hat den Dreh auf jeden Fall schon mal raus. Corinne Cahen beherbergt zurzeit eine ukrainische Familie und fuhr kürzlich den Sohn ins Lycée Michel Lucius. Warum wir das wissen? Die Familienministerin teilt ihr Public-Private-Life eben gerne und ausführlich in den sozialen Medien. Und sie sei, so schreibt sie bei Facebook, vom schulischen Programm so begeistert gewesen, „dass ech am Léifsten direkt do bliwwe wier“, so die Noch-Ministerin und Noch-Parteipräsidentin der DP.

Tatsächlich war der Joke aber nur ein Ablenkungsmanöver von Cahens wirklichen Plänen zur Übernahme der schönsten Festungsstadt, seit es enge Asphaltstraßen mit bemalter Fahrradinfrastruktur gibt. „Ech hu meng Stad einfach schrecklech gären“, drohte die DP-Politikerin jüngst im Interview mit „RTL“. Auf die Journalistennachfrage „Lydie Polfer och?“ antwortete Corinne „Kinky“ Cahen durchaus schlagfertig: „Ech hunn d’Lydie Polfer och gären.“

In der DP ist offenbar nur Platz für eine mächtige Dame. (Symbolbild: DP-Staat 2022)

Die vergiftete Liebeserklärung an die Noch-Bürgermeisterin wurde aber nicht von jedem als Scherz aufgenommen. Nicht nur in der Hauptstadt pfeifen die gut unterrichteten Spatzen von den Dächern, dass die Ministerin scharf auf den Chefsessel am Knuedler sei und Iron Lydie am liebsten noch vor den kommenden Gemeindewahlen aufs (politische, versteht sich) Altenteil schicken würde. In DP-Kreisen zirkuliert denn auch schon eine Kompromisslösung: Cahen soll den Bürgermeisterposten übernehmen und zwar für maximal zwölf Jahre. Danach übernimmt wieder Lydie Polfer, das ist angeblich ein altbewährtes liberales Erfolgsrezept (die noch viel Älteren unter Ihnen werden sich auch daran erinnern).

Menschenliebe und Lesen wie ein Minister

Dass die Familienministerin nun überhaupt solche persönlichen Geschichten mit der Facebook-Öffentlichkeit teilt, ist ihrem neuem Lebensmotto geschuldet: „Weise gëllt.“ Aber die nette Corinne hat wie gesagt noch ein zweites Motto: Nach zwei Mandaten ist Schluss. So auch mit dem Parteivorsitz. Die neue Stelle an der Spitze der Langzeitpremierpartei ist denn auch schon ausgeschrieben. Und genau so beliebig wie ihr Programm ist auch die Jobbeschreibung, die Corinne Cahen im Interview mit „RTL“ gibt. „Et muss ee virun allem Léift fir Mënsche matbréngen an u Politik interesséiert sinn.“ Sie mögen also Menschen und interessieren sich ansatzweise für Politik? Nichts wie ran, die DP sucht genau Sie!

Während Corinne Cahen ihr Image als sozialmediale Tratschtante pflegt, haben andere Minister aber ganz andere Sorgen. So etwa Lex Delles, Claude Haagen und Marc Hansen, die bei den Verhandlungen der Tripartite stets in der ersten Reihe saßen und dort stundenlang so tun mussten, als hätten sie hier irgendetwas zu melden. Oder Franz Fayot, der als Wirtschaftsminister die richtigen Prioritäten setzt. Während sich Gewerkschaften und Regierung nämlich bis in die Nächte streiten, erfreute sich der Genosse der Bosse zwischendurch einer kleinen Auszeit in der Sonne und tat sich als wahre Leseratte hervor.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen auch ein so entspanntes Wochenende wie dem entspanntesten Minister, seit es Luxemburger Hipstersozialisten gibt. Dabei gibt es keine Ausreden mehr. Auch wenn Ihnen bei all der Arbeit, dem Familienleben und stündlichem Twittern eigentlich keine quality time mehr zum Lesen bleibt: Kaufen Sie sich einfach ein paar Zeitschriften, schlagen ein Buch auf und tun Sie einfach so als ob. #lectures…


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