Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Dieses Mal: Nicht nicht interessante Umfragen und die Rückkehr der Politzombies.
„Der Morgen nach der Sonndesfro“, titelte das „Wort“ etwas dramatisch. Ja, was ist dann am Morgen danach? Sind Politikerinnen und Politiker in einem fremden Koalitionsbett aufgewacht? Ist Sven Clement bereits Außenminister? Müssen wir im nächsten Jahr dennoch zur Wahl gehen?
Kurz zusammengefasst: Es ist nichts passiert. Die Parteien bemühen nach Umfragen immer die Floskel der „Momentaufnahme“. Doch insgeheim verteilen sie bereits die Felle untereinander. Das Problem ist allerdings, dass sie die Fehlerquote der „Sonndesfro“ vergessen. Es kann nämlich sein, dass auch einfach nach Oktober 2023 alles so bleibt, wie es ist. Für Luxemburg ist das sowieso das realistischere Szenario.
Der Bär hängt also noch am Fell, über das sich unter anderen die Piraten freuen. Die Partei für Nerds, Cat-Ladies und Mufflons-Schützer darf sich über eventuell sechs Sitze im Parlament freuen. Da drängt sich die Frage auf: Wer sollen die sechs sein? Auf diese Frage ist der beste Parteikoordinator aller Zeiten natürlich vorbereitet: Im Interview mit „RTL“ zückte Marc Goergen seinen Spickzettel mit seinen hochkompetenten Kandidaten. Es ist ja auch enorm schwer, sich sechs Namen halbwegs brauchbarer Parteikollegen zu merken!
Voll unfair aber, dass die Journalisten gar nicht wissen wollen, wer da alles draufsteht. Die Retrospect-Redaktion hat allerdings nachgehakt. Auf der Liste finden sich ohne größere Überraschung: Marc Goergen, Sven Clement, Pascal Clement, Jill Clement, Max Mustermann und Erika Mustermann.
„Net net interesséiert“
Das Luxemburger Spitzenpersonal startet jedenfalls supermotiviert in das Superwahljahr. Leaderin aller Umfragen ist natürlich Vizepremierministerin Paulette Lenert – oder „Paulette“, wie es „RTL“-Journalisten ausdrücken. Sie strotzt vor Zuversicht. Am Premier-Posten sei sie „net net interesséiert“, meinte LSAP-Co-Parteichef Dan Biancalana in seiner parteiintern gefürchteten naiv-kryptischen Art. Auch Sie sollten sich das für das nächste Bewerbungsgespräch merken. Das Staunen und sichtbare Grübeln des Gegenüber, ob „net net“ jetzt „jo“ oder „nee“ bedeutet: Priceless! Wie wir aber längst wissen, heißt es in allen Sachen, die „Paulette“ betreffen: Vielleicht, also eventuell, oder auch nicht, et muss ee kucken!
Die Piraten sind da direkter – oder wie „RTL“ es ausdrückte: „Pirate flirte mam Paulette“. Da wird die letzte LSAP-Hoffnung dann doch deutlich: „Es ist kein Wunschkonzert“ und swiped nach links. Und fairerweise sollte man Sven Clement warnen: Ein Ministeramt ist auch ein CDD und zwar noch unsicherer als ein Parlamentsmandat. Ein „cochon grillé“ und du bist raus. Vor allem aber freuen sich die anderen Parteien, die mit den Piraten regieren sollen, schon auf die ultra-mega-krass verlässliche Parlamentsmehrheit einer solchen Konstellation: Mit Marc Goergen, Dan Frères, Starsky, Hutch und Max Mustermann lässt sich definitiv ein Staat machen.
Andererseits ist Minister sein in Luxemburg auch offensichtlich nicht so anstrengend. Premier Xav ist in Brüssel unter seinen Kollegen vor allem als Partyprinz bekannt. Mit welchem Staatenlenker würde sie am liebsten Party machen, wurde die finnische Premierministerin Sanna Marin im australischen Fernsehen gefragt. Als gewiefte Politikerin antwortete sie natürlich nicht auf die Frage und nannte keinen „world leader“, sondern eben nur Xav.
Der Jang und sein Knie
Schwer hat es auch Jang Asselborn, dienstältester Außenminister nach Sergej Lawrow, wie er gerne betont. Und mindestens so relevant, aber ohne komplett durchdrehenden Chef. Für Aufregung sorgte seine Knie-OP, die er Gott sei Dank gut überstanden hat. Das mediale Drama ging aber nicht um die Frage, ob er arbeiten könne oder nicht, sondern, ob und wann er sich wieder auf sein Rennrad schwingen kann. Das ist konsequent, denn ob der Luxemburger Außenminister in Brüssel anwesend ist oder nicht, fällt kaum auf.
„Man kann mir die Politik wegnehmen, aber nicht das Fahrrad“, sagte Jang seiner Hauspostille „Tageblatt“. Da kann man nur hoffen, dass Paulette Lenert das nicht als Aufforderung verstanden hat. Wer nun befürchtete, dass Jang das Weltgeschehen während mehrerer Tage nicht kommentieren würde, der sei beruhigt. Das „Tageblatt“ brachte präventiv ein ellenlanges Stück zu Putin und die Welt nach dem Heiligen Jang. Aus dem Home-Office heraus lässt Jang nichts unversucht, seinen Fame zu steigern.
Nur mit der alljährlichen Bezwingung des Mont Ventoux auf dem Rad dürfte es nächstes Jahr schwierig werden. Und dann kommen noch die Wahlen, wo Spitzenkandidatin (also vielleicht, eventuell) Paulette Lenert dem früheren Umfragen-König die Show und anschließend den Job stibitzen könnte. Es klingt fast schon nach Endzeitstimmung.
Die Zombie-Kandidaten
Die Verzweiflung ist allerorten groß, aber bei der CSV besonders. Diese Woche wurde das Gerücht öffentlich, dass dunkle Kräfte Luc Frieden als letztes Aufgebot gegen „Gambia“ ins Rennen schicken wollen. Aus mäßig informierten Parteikreisen heißt es, dass kein anderer so engagiert und stilvoll die nächste Wahl verlieren könnte wie der einstige, mittlerweile 59-jährige „Junior“
Wie die Lemminge rennen ihm manche in der Partei jetzt hinterher. Seine Bilanz ist ja auch großartig. Für die Oppositionsbank war er sich zu schade, versilberte seine Kontakte für einen Fantasieposten bei der lupenrein antikorrupten Deutschen Bank, ruinierte eine Tageszeitung, wurde nicht EU-Kommissar … und die Liste geht weiter. Aber wie ein Zombie kommt er selbst nach den peinlichsten Fails wieder.
Man muss dem Luxemburger Friedrich Merz aber zugestehen: Er war schon immer ein Trendsetter. Seine Würde und das halbe Land in Katar verscherbeln, dafür braucht Frieden keine WM, das hat er bereits vor zehn Jahren gemacht. Ein klares Feindbild würde den anderen Parteien natürlich nicht schaden. Der „Minister mit dem kalten Herz“ wäre also Paulette Lenerts beste Option, um Premierministerin zu werden. Es wäre wahrlich die Vollendung von Luc Friedens beeindruckender Erfolgsbilanz.
Andrerseits ist das Motto der Luxemburger Politik aktuell wohl: „back to the future“. Denn Iron Lydie will es noch einmal wissen. Also man sollte es zumindest „net net“ ausschließen. Und nein, wir schreiben nicht das Jahr 1982. (Der erste „Back to the Future“-Film kam übrigens 1985 raus.) Über die 18 Jahre, die Jang Außenminister ist, kann Lydie nur müde lächeln. Beide haben aber das Motto: „In Amt und Würden zu sein, ist alles“. Politische Inhalte sind so Achtziger.
Eigentlich könnte man ihr Erfolgsrezept aber kopieren. Die Retrospect-Redaktion hat einige Vorschläge parat: Robert Goebbels wird Klimaminister, Marie-Josée Jacobs Jugendministerin, Colette Flesch wieder Außenministerin (sorry, Jang) und – um ein bisschen Jugend reinzubringen – Alex Bodry Justizminister. Im Fernsehen läuft ja auch wieder „Wetten dass?“. #LetsDoThisBoomers
No Future
Kein Wunder, dass die Gefühlslage der Jugend, jener der frühen Achtziger ähnelt. „Vill Jonker kénne sech keng Zukunft méi virstellen“, sagte Luxemburgs „elder millennial“-Intellektueller Ian de Toffoli. Er wünscht dann nach 2 Minuten 30 „Carte blanche“ auf „RTL“ ein Ministerium für die Zukunft. Nun rätselte halb Luxemburg-Twitter, wie er das denn gemeint haben könnte. Weder die „No Future“-Haltung ist neu (hello, Eighties), noch die Idee eines „Ministry of the Future“. Aber auf „RTL“ muss ja immer alles so kurz sein und ein Verlagsinhaber hat ja auch keine andere Möglichkeit, sich auszudrücken. Und schon gar nicht – wo kommen wir da hin! – in kurzer, prägnanter oder gar origineller Form.
Auch in der politischen Klasse herrscht Verwirrung: Gibt es noch eine Zukunft nach den nächsten Wahlen? Und Premier Xav sorgt sich durchaus um die nächste Generation: Können sie die Schulden zurückzahlen, die wir jetzt machen? Also die Schulden in Euro (Stichwort AAA) – ums Klima, Artensterben und Menschenrechte sollen sich die Gören mal selbst kümmern.
Eine peinliche, aber unbedingt notwendige Richtigstellung: Vor zwei Wochen meldete die Retrospect-Redaktion, die Staatsbeamten könnten sich bei den anstehenden Gehälterverhandlungen eine „Allocation de présence“ aushandeln. Dies war natürlich falsch bzw. ein schlechter Scherz. In Zukunft gibt es einfach pauschal für alle Beamten 106 Euro im Monat mehr, dafür müssen sie nicht mal im Büro erscheinen und werden auch nicht mehr für ihre Arbeit bewertet. Und wie es heißt, ist das auch definitiv kein, also nicht kein Nicht-Wahlgeschenk. „Minister“-ehrenwort.
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