„Méi mat manner“: Geht es nach der EU-Kommission, soll die europäische Agrarpolitik in Zukunft mit weniger Geld mehr erreichen. Die Luxemburger Landwirte machen sich jedoch große Sorgen, denn bereits jetzt sind die administrativen Hürden groß und das Geld knapp.
„Es kommen Reformen und Reformen und Reformen. Und wir drehen uns weiter im Kreis“, sagt Jean-Paul Friedrich. Der Landwirt betreibt einen Hof nahe Weiler. „Unser Ziel ist es nicht, von Beihilfen und Zuzahlungen abhängig zu sein.“ Seit rund 30 Jahren ist Friedrich als Landwirt aktiv. Sein Hof hat sich in dieser Zeit verändert.
„Tatsächlich erinnere ich mich noch, wie ich als Kind am Zaun seine Kühe und Kälber beim Grasen beobachtet habe. Heute bleiben zwar immer noch Kinder neugierig vor seinem Hof stehen. Das liegt aber an den Pferden, die sich auf seinen Koppeln tummeln.“ Kühe hält der Landwirt schon lange nicht mehr. Als 2015 die Milchquoten abgeschafft wurden, sah Friedrich sich gezwungen, seinen Betrieb umzustellen: In der Milchwirtschaft sah er keine Zukunft mehr.
Friedrich ist frustriert. Denn die vielen Reformen, Reglementierungen und administrativen Hürden führen zu viel Verdrossenheit. Und die Landwirtschaft steckt weiter in der Krise. Die Bauern fühlen sich wie in einer Zwangsjacke: Ihnen bleibt kaum noch Handlungsspielraum. „Wieso können wir nicht das machen, was wir gerne und gut machen?“, fragt er. Denn immer noch würden die Bauern aufgefordert, mehr von dem Gleichen zu produzieren „und nicht das, was der Markt wirklich braucht.“ Es finde kein Umdenken statt, sondern es zähle nur „groß, groß, groß.“
Reformverdrossenheit der Bauern
Dass die europäische Landwirtschaftspolitik einen Mehrwert hat, bezweifelt der Landwirt. „Wenn jetzt wieder eine Reform kommt, müssen wir uns eben wieder anpassen.“ Denn der Gedanke einer gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) sei zwar schön, doch der Nutzen für lokale Landwirte halte sich in Grenzen. „Das meiste kriegt die Queen“, scherzt Jean-Paul Friedrich. Tatsächlich ist eines der großen Kritikpunkte der aktuellen GAP, dass die größten Betriebe die meisten Zuschüsse erhalten. Die Spitze des Eisbergs: 2009 machte die Nachricht Schlagzeilen, dass die britische Königin rund 500.000 Euro an EU-Agrarsubventionen erhalten würde.
Das soll sich mit der GAP-Reform, die die Kommission in Kürze vorstellen will, ändern. Man wolle in Zukunft den Bedürfnissen von Klein-und Mittelbetrieben mehr Aufmerksamkeit widmen, ließ die EU-Kommission kürzlich verlauten.
Ohne die Zuschüsse der EU ginge es den Bauern wohl noch schlechter. Oder der Staat müsste deutlich tiefer in die eigene Tasche greifen.“
Dass die EU-Agrarpolitik beim Bauern um die Ecke vorwiegend als Ansammlung von administrativen Hürden wahrgenommen wird, zeigt, dass die EU es nicht schafft, ihren Mehrwert erfolgreich zu kommunizieren. Sieht man sich die Zahlen an, so wird klar: Ohne die Zuschüsse der EU ginge es den Bauern wohl noch schlechter. Oder der Staat müsste deutlich tiefer in die eigene Tasche greifen.
So hat die EU-Kommission in einer Kommunikation zur GAP-Reform eine Grafik beigefügt, in der das Einkommen von Landwirten einmal mit und einmal ohne GAP-Zuschüsse berechnet wurde. Zwar sind die Daten nicht brandaktuell, denn untersucht wurde der Zeitraum zwischen 2011 und 2013. Dennoch spricht das Resultat Bände: Luxemburg ist neben Finnland der einzige EU-Staat, in dem das durchschnittliche Einkommen der Landwirte ohne die Unterstützung durch die GAP im negativen Bereich läge.
Kürzungen sind unausweichlich
Tatsächlich macht die gemeinsame Agrarpolitik neben der Kohäsionspolitik den größten Teil der EU-Ausgaben aus. Im mehrjährigen Finanzrahmen 2014-2020 waren das 37 Prozent, sprich 408,31 Milliarden Euro. Den größten Teil davon machen die Direktzahlungen an die Betriebe, die sogenannte Erste Säule mit 308.72 Milliarden Euro, aus. Der Rest dient der Förderung der ländlichen Entwicklung (99.6 Milliarden).
Die EU muss sparen, und das liegt nicht nur am baldigen Austritt Großbritanniens.“
Im nächsten Finanzrahmen 2021-2027, der diese Woche im Straßburger Plenum diskutiert wird, wird die Agrarpolitik jedoch weniger gut wegkommen. Die EU muss sparen, und das liegt nicht nur am baldigen Austritt Großbritanniens. Auch verhindern die zunehmende EU-Skepsis und die Wahlerfolge der Populisten, dass die Mitgliedstaaten wohlwollend in die eigenen Staatskassen greifen, um das Loch zu füllen.
Das bedeutet: Um rund vier Prozent soll das Budget für die europäische Landwirtschaft gekürzt werden. Berücksichtigt man aber die voraussichtliche Inflation sind es eher 15 Prozent, bestätigt Zsolt Darvas vom Brüsseler Thinktank „Bruegel“. Darvas meint, dass die Kürzungen nur durch eine intelligente Reform der GAP aufgefangen werden können. Das ist auch das Argument der Kommission, mit dem sie die budgetären Einschränkungen rechtfertigt: Die künftige Agrarpolitik soll effizienter und ausbalancierter sein und insbesondere Klein-und Mittelbetrieben zugute kommen. Mit weniger Mitteln mehr erreichen, lautet die Devise.
Die „Großen“ gegen die „Kleinen“
Die Kürzungen sollen demnach vor allem die großen Betriebe treffen. Für Luxemburg wäre das gut, bestätigt Fernand Etgen (DP). „Sie werden am meisten geköpft. Von denen haben wir zum Glück keine“, so der DP-Landwirtschaftsminister, der sich generell für eine „robuste Agrarpolitik der EU“ ausspricht.
Für jeden Euro, den wir hier von der EU bekommen, legen wir in Luxemburg vier Euro drauf.“Fernand Etgen, Landwirtschaftsminister
Die Frage, wer am meisten unter den Kürzungen leiden wird, ist jedoch komplex und letztlich erst dann zu bewerten, wenn der Kommissionsvorschlag zur GAP-Reform vorliegt. Aktuell gehen die Meinungen in Fachkreisen auseinander.
So bezweifelt etwa Arnd Spahn von der „Europäischen Föderation der Gewerkschaften für Nahrungsmittel, Landwirtschaft und Tourismus“ (EFFAT), dass die Kürzungen tatsächlich die Großen treffen, nicht zuletzt weil diese eine starke Lobby hätten. „Die großen Grundbetriebe sind politisch nicht zu unterschätzen.“ Für ihn ist klar: Diejenigen, die am meisten auf die Gelder angewiesen sind, werden die großen Verlierer sein. „Seit 50 Jahren wird argumentiert, die GAP solle sozialer werden. Doch in der Praxis zeichnet sich ein anderes Bild ab. Kleinbauern und Kleinbetriebe werden ausgeschlossen, dabei müsste die Agrarpolitik eigentlich genau ihnen dienen.“
Auch Zsolt Darvas kann die Sorge verstehen. „Wenn die Landwirte weniger einnehmen, verschlechtern sich ihre Lebenskonditionen. Das kann sich am Ende auf die Preise der landwirtschaftlichen Erzeugnisse auswirken.“
Warten und Hoffen auf die neue GAP
Das hänge aber auch davon ab, ob die Mitgliedsstaaten die Verluste kompensieren dürfen, ergänzt Darvas. Aktuell sind Co-Finanzierungen mit nationalen und regionalen Mitteln nur für die zweite Säule der GAP erlaubt, also für die Politik zur Entwicklung des ländlichen Raumes, bei der es unter anderem um eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft, eine nachhaltige Bewirtschaftung und eine ausgewogene räumliche Entwicklung der ländlichen Wirtschaft geht.
„Für jeden Euro, den wir hier von der EU bekommen, legen wir in Luxemburg vier Euro drauf“, beschreibt Fernand Etgen das Ausmaß der nationalen Beihilfen. Er will sich dafür einsetzen, dass die EU-Budgetkürzungen von den Mitgliedsstaaten aufgefangen werden. Die Bereitschaft dazu sei jedenfalls da. Ähnliches hat auch Etgens Partei- und Kabinettskollege Finanzminister Pierre Gramegna jüngst der Luxemburger Landwirtschaftskammer versprochen.
Doch Etgen ist sich durchaus bewusst: „Das ist die Aufgabe der nächsten Regierung.“ Unklar ist also nicht nur, wie viel Flexibilität im Rahmen der nächsten GAP erlaubt sein wird, sondern auch ob die nächste Regierung die Andeutungen von Etgen und Gramegna umsetzen wird. Doch dass sich Luxemburg eine etwaige Erhöhung der finanziellen Unterstützung leisten kann, ist ein Luxus, der wohl kaum für jene Staaten gilt, die sich ohnehin schon in der Schuldenspirale befinden. Auch werfen solche Überlegungen die Frage auf, wo denn dann die „Gemeinsamkeit“ der gemeinsamen Agrarpolitik bleiben wird.
„Harte, aber spannende Verhandlungen“
Angesichts so vieler Variablen machen sich die Luxemburger Landwirte große Sorgen, bestätigt der Generalsekretär der Luxemburger Landwirtschaftskammer Pol Gantenbein. „Den Bauern geht es nicht gut. Es liegen schwere Jahre hinter ihnen.“ Die Moral sei schlecht und es herrsche Unsicherheit bei den Landwirten, schließlich gehe es um ihre Existenz. „Die baldigen Reformen machen den Bauern Angst“, betont Gantenbein.
Zudem zeichnen sich schon jetzt mögliche Widersprüche im Hinblick auf die zukünftige GAP ab. So hat die Kommission angekündigt, dass die Mitgliedsstaaten mehr Freiraum haben werden, übergeordnete Ziele zu erreichen, besonders wenn es um die Umsetzung von Klima-und Umweltzielen geht. Dazu sollen die Mitglieder quantitative Ziele festlegen und es gilt eine sogenannte Leistungspflicht („obligation de résultat“). Auch die Verteilung der Direktzahlungen wird an solche Ziele gekoppelt.
Den Bauern geht es nicht gut. Es liegen schwere Jahre hinter ihnen.Pol Gantenbein, Generalsekretär der Landwirtschaftskammer
Doch Pol Gantenbein sieht ein potenzielles Problem: Zum einen könnte der Vorschlag in der Praxis äußerst kompliziert werden, besonders für ein solch kleines Land wie Luxemburg. Zum anderen sollen mit weniger Geld noch mehr Resultate erzielt werden, ein offensichtliches Paradoxon. „Was passiert, wenn man die Ziele nicht einhalten kann. Wer muss dann finanziell einspringen? Die Regierung oder die Betriebe, die die Vorgaben nicht erfüllen konnten?“, fragt der Generalsekretär der Landwirtschaftskammer.
Es werde zwar immer hervorgehoben, wie wichtig die Umwelt sei, „doch beim Bauern wird gespart“, klagt Gantenbein. Das Geld für die Umsetzung einer grünen Politik reiche nämlich nicht aus und die Landwirte reiben sich an den zahlreichen administrativen Hürden, die ihnen sowohl von der Kommission als auch von der Regierung auferlegt werden. Würde das Geld in Zukunft noch knapper, so läge auf der Hand dass die Landwirte sich vor Investitionen drücken. „Dann haben die Landwirte kaum Anreize, bei ‚grünen’ Projekten mitzumachen.“ In anderen Worten: Dann würde die GAP ihr Ziel weiterhin verfehlen und vielleicht eher dazu führen, dass Landwirte wie Jean-Paul Friedrich ihren Betrieb aus Frust und Zukunftsangst umstellen.
Angesichts der zu erwartenden Budgetkürzungen ist jedoch eines klar: Die Kommission begibt sich auf schwieriges Terrain: Mitgliedsstaaten wie Frankreich, Irland, Polen oder die Niederlande haben bereits angekündigt, die geplanten Kürzungen nicht mitzutragen. „Das werden harte, aber spannende Verhandlungen“, blickt Fernand Etgen voraus.