Die Interessierten am Lehrerberuf entsprechen dem gefragten Profil immer weniger. Defizite in einem bestimmten Fach, oft Französisch oder Mathematik, lassen die Frage der Teilspezialisten aufkommen. Muss ein Lehrer eigentlich alles können? Oder könnten bestimmte Schulfächer den Kindern beispielsweise von einem anderen Lehrer unterrichtet werden?

Die Lücken in den unterschiedlichen Sprachen, aber auch in der Mathematik, stellen eine Barriere in den Lehrberuf dar. Von 287 Kandidaten nahm die Universität 2018-2019 nur 77 Studierende nach bestandener Aufnahmeprüfung sofort auf, 55 weitere erhielten die Bedingung, ihr Defizit in einem Fach während des Studiums aufzuholen. Erstmals in obligatorischen Nachholkursen. Die Interessierten am Lehrerberuf entsprechen demnach des Öfteren nicht dem gefragten Profil. Dabei werden dringend ausgebildete Lehrpersonen gesucht.

Ein Lösungsansatz für den luxemburgischen Kontext wäre das Modell des Spezialisten oder Teilspezialisten für die Grundschule. Dabei handelt es sich um ein umstrittenes Modell, das vonseiten des Ministeriums nicht in Erwägung gezogen wird. „Wir halten am Modell des Generalisten fest“, heißt es auf Nachfrage.

Der Grundschullehrer als Generalist bedeutet, dass der Lehrer die Klasse in fast allen Fächern unterrichtet und somit ein Gesamtbild des Kindes erhält. Einige Kinder sind vielleicht schwach in den Sprachfächern, aber besonders gut in Mathematik.

Es bedeutet aber auch, dass der Lehrer die nötigen Kompetenzen haben muss, um in diesen Fächern zu unterrichten. Und genau das ist bekannterweise das Problem.

Der Teilspezialist als Lösung

„Fakt ist jetzt schon, dass ohnehin viele Klassen von mehreren Lehrpersonen unterrichtet werden, aufgrund von Dienstbefreiungen oder Teilzeitaktivitäten“, argumentiert die Abgeordnete Josée Lorsché (Déi Gréng). In der Praxis seien schon mehr als eine Person pro Klasse eingeteilt. Ihrer Meinung wäre der Teilspezialist eine geeignete Lösung für den luxemburgischen Kontext. „Ich kann mir vorstellen, dass gute Pädagogen eingesetzt werden, die eine Sprache perfekt beherrschen“, sagt die Abgeordnete weiter. Sprachliche Schwächen würden die pädagogischen Fähigkeiten nicht beeinträchtigen. Die ehemalige Lehrerin ist nicht gegen das Konzept des Generalisten, im Gegenteil. Die Lehrperson solle weiterhin das Kind in seiner Gesamtheit einbeziehen.

Die Abgeordnete Martine Hansen (CSV) ist ihrerseits der Meinung, dass sowohl das Fachliche wie das Pädagogische zu beherrschen seien. Und dennoch ein Weg gefunden werden müsse, um mit den Defiziten (ein Defizit pro Lehrperson) zu arbeiten. „Wir müssen anerkennen, dass es Schwächen gibt, wir müssen ehrlich sein“, sagt Martine Hansen.

Ohne auf reine Experten zurückzugreifen, könnte sie sich ein ähnliches „Teilspezialisten-Modell“ vorstellen: Mit der klaren Auflage die Defizite nachzuholen, beispielsweise durch berufsbegleitende Weiterbildungen. Die Lehrpersonen würden in ihrem schwächeren Fach nicht unterrichten.  Als Konsequenz würde die Schulorganisation natürlich komplexer. Deswegen sieht Martine Hansen als Grundvoraussetzung den Präsidenten der einzelnen Schulen mehr Befugnisse zu erteilen, ihnen sozusagen eine Direktorenfunktion zu geben.

Dass es gerade auf die pädagogischen Fähigkeiten ankomme, meint auch Gilbert Busana, Studienrektor der Universität. Dennoch sieht er die Entwicklung zum Experten mit fundiertem Fachwissen angesichts der neu eingestellten Bachelor-Quereinsteiger kritisch. Vielmehr sieht er das Aufkommen der öffentlichen internationalen Schulen als prägend für das Schulsystem. So könnte man das Lehrerprofil seiner Ansicht nach an diese Art Schulen anpassen.

Vorteilhaft für die Rekrutierung wäre dies jedenfalls, denn es eröffnet Perspektiven für andere Profile und neue Lehreranwärter, solche, die gegenwärtig unter der Drei-Sprachen-Regelung leiden. Schwächen in einer der beiden Sprachen Deutsch oder Französisch könnten in solch einem System eine weniger große Rolle spielen.

In der Praxis

Patrick Arendt vom SEW (OGBL) sieht diesen Ansatz kritisch, obwohl er nahelegend sei. „Wie soll das Konzept des Spezialisten in der Praxis aussehen?“ In der Grundschule könnte man sich etwa vorstellen, die französische Sprache wegzulassen und für dieses Fach eine französische Lehrkraft einzustellen. „Wie aber soll der Kontakt mit den mehrheitlich französischsprachigen Eltern ablaufen?“, fragt Patrick Arendt weiter. Das Argument gilt allerdings nur für Lehrpersonen, die überhaupt kein Französisch verstehen und sprechen – ein Modell das ohnehin nicht in Erwägung gezogen wird.

Mit der Auflockerung des Profils wird ein Qualitätsverlust befürchtet. Zumal am Ende auch bei bedingter Aufnahme an der Universität, ein Diplom ausgestellt wird. Feststeht, dass es schwierig wird das Konzept des Generalisten beizubehalten, ohne größere Qualitätsverluste im Schulsystem hinzunehmen.


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