Der Bedarf an Lehrpersonen ist hoch. Die Schülerzahlen wachsen in Luxemburg von Jahr zu Jahr. Mangelnde Sprachkenntnisse und die Abhängigkeit von ausländischen Hochschulen erschweren die Rekrutierung. Engpässe sind somit auch in Zukunft zu erwarten.

Die Rekrutierung von Lehrpersonen erweist sich als schwieriges und komplexes Unterfangen. Jedes Jahr werden neue Lehrkräfte gebraucht, zwischen 300 und 400 waren es in den letzten Jahren. Doch die Rekrutierungsplanung ist eine Rechnung mit vielen Variablen.

Eine eigens dafür eingesetzte Kommission verfasst einen Bericht: Darin wird die Altersstruktur der Lehrkräfte analysiert, die Bedürfnisse der Gemeinden festgehalten, die Expertise des Statec miteinbezogen. Trotz all dieser Anstrengungen kam es im Schuljahr 2017-2018 zu einer negativen Überraschung. Es fehlte massiv an Lehrern in Luxemburgs Grundschulen.

Die Ursachen sind vielschichtig. Laut dem Bildungsministerium war es vor allem eine Variable, die nicht abzusehen war: Um die 100 Lehrer hatten gleichzeitig unbezahlten Urlaub beantragt. Schuld an dieser Planungsunsicherheit ist das Statut der verbeamteten Lehrpersonen: Zwei Monate im Voraus reichen, um einen Antrag zu stellen.

Vor allem aber präsentierten sich lediglich 90 neue und fertig ausgebildete Lehrer zum Schulanfang. Zum Vergleich: Dieses Jahr waren es 212. Und trotzdem mussten im September noch zusätzliche Quereinsteiger eingesetzt werden. Der Bedarf ist also groß.

Abhängig von der Ausbildung im Ausland

Im Kontrast dazu stehen die Kapazitäten der Universität in Belval: Aktuell werden jährlich um die 100 neue Studenten in den Erziehungswissenschaften angenommen. Viel mehr kann die Fachabteilung nicht leisten. Von diesen 100 springen noch über die vier Jahre des Studiums einige ab, am Ende bleiben etwa 60 Absolventen übrig.

Der restliche Bedarf muss aus Ausbildungsstätten aus dem Ausland kommen. 2018-2019 kamen 144 Frisch-Diplomierte aus Belgien oder der Schweiz. Doch die Abhängigkeit von ausländischen Hochschulen hat ihre Tücken: Verändert sich dort etwas im System, hat das Konsequenzen auf das luxemburgische Schulwesen und das könnte schon bald der Fall sein.

Für das Schuljahr 2020-2021 wird in Belgien das Grundschullehrer-Studium von drei auf vier Jahre verlängert, fortan kann in Wallonien ein Master erworben werden. Das heißt aber auch, dass 2023-2024 keine Absolventen des belgischen Systems in Luxemburgs Grundschulen ankommen werden, wenn nicht rechtzeitig eine Alternative ausgearbeitet wird.

Eine belgische Reform und ihre Folgen

Zudem wird die Quereinsteiger-Maßnahme ein Ende finden: Das Gesetz, das die Anstellung von Quereinsteigern mit schulnahem Bachelorabschluss regelt, ist für fünf Jahre in Kraft und wird also nur bis 2022 gültig sein. Das heißt, dass das Bildungsministerium nur bis dann die Möglichkeit hat, nach Bedarf auf die Rekrutierung von Bachelor-Quereinsteigern zurückzugreifen.

Verhandlungen laufen, um zu klären, wie die Anerkennung und die Zusammenarbeit mit den belgischen Hochschulen in Zukunft gehandhabt werden. Die Frage, ob die luxemburgischen Studenten überhaupt einen Bachelor ausgestellt bekommen oder ob nur ein Master möglich ist, bleibt etwa noch offen. „Der Kontakt mit den belgischen Hochschulen ist wichtig“, sagt Francine Vanolst, Verantwortliche für die Rekrutierung im Bildungsministerium. Auf Nachfrage von REPORTER bei der belgischen Hochschule Robert Schumann wird bestätigt, dass Gespräche laufen.

Ein Master sollte auch die Universität in Luxemburg anbieten, fordert Patrick Remakel des SNE/CGFP. Das würde den Beruf aufwerten. Damit wäre aber das Hauptproblem der Ausbildung und der Rekrutierung noch nicht gelöst. Denn viele potenzielle Lehrpersonen verfügen nicht über die nötigen sprachlichen Kompetenzen.

Das Leid mit den Französischkenntnissen

Als Generalist muss der Grundschullehrer nicht nur in einem Fach überzeugen. „Ein Grundschullehrer sollte breit aufgestellt sein und das auf einem Topniveau“, sagt etwa Gilbert Busana, Studienrektor an der Universität Luxemburg im Bereich Erziehungswissenschaften. Zum Profil gehört, dass die Lehrkräfte Französisch, Deutsch und Luxemburgisch auf einem hohen Niveau beherrschen. Solche Profile gibt es nicht in ausreichender Zahl, bestätigt der für die Lehrerausbildung zuständige Studienrektor.

Denn von den 100 angehenden Lehrpersonen der Universität Luxemburg wurden etwa 20 unter der Bedingung aufgenommen, dass sie ihre sprachlichen Lücken im Französischen mit obligatorischen Sprachkursen aufbessern. Der Lehrermangel und die sprachlichen Schwierigkeiten sind also eng miteinander verknüpft. Für die etwas mehr als 100 Studienplätze meldeten sich zu Beginn des laufenden Studienjahres 287 Kandidaten. Davon schafften es viele aufgrund der Sprachanforderungen nicht. Weitere Defizite gab es im Fach Mathematik.

Die Quereinsteiger sollten eine Notlösung bleiben.“Josée Lorsché, Fraktionsvorsitzende von Déi Gréng

Ähnlich sieht es beim „Concours de Recrutement“ aus. Viele Kandidaten müssen mehrmals die „Préliminaires“ durchlaufen, bevor sie die sprachlichen Tests bestehen. Neu ist seit letztem Jahr, dass nur jene Teile des Tests wiederholt werden müssen, die mangelhaft waren.

Die sprachlichen Lücken spielen auch für verschiedene Quereinsteiger eine Rolle. Den 81 ausgebildeten Pädagogen unter ihnen fehlten meist die notwendigen Kompetenzen, um die sprachlichen Tests des „Concours“ zu bestehen. Anstatt der „Quereinsteiger-Fortbildung“ belegen sie speziell für sie angepasste Sprachkurse. Ob die insgesamt 226 Quereinsteiger die notwendigen Sprachkenntnisse besitzen, um anschließend die „Préliminaires“ zu schaffen, sei dahingestellt.

Die sinkende Attraktivität eines Berufsstandes

Die Gewerkschaften beklagen zudem seit geraumer Zeit die Abnahme an Attraktivität des Lehrerberufs. Sie führen den Lehrermangel direkt auf dieses Problem zurück. Die administrativen Aufgaben würden immer mehr Zeit in Anspruch nehmen; eine Zeit, die nicht in die direkte Arbeit mit den Kindern investiert werde könne. Angeprangert wurden auch die schlechten „Stage“-Bedingungen. Eine Reform wurde hier bereits vorgenommen.

„Die Bedingungen sind schlechter geworden, die Realität in der Schulpraxis ist schwieriger geworden. Viele Kinder haben Lern- oder Aufmerksamkeitsprobleme und stören den Unterricht“, sagt Patrick Arendt von der Gewerkschaft SEW/OGBL. Ähnliche Aussagen machen die Verantwortlichen des SNE/CGFP. Sie weisen darauf hin, dass Inklusion die nötigen Rahmenbedingungen benötige.

„Die Lehrperson bekommt Unterstützung. Wir wissen dennoch, dass es eine Herausforderung sein kann“, lautet die Antwort von Francine Vanolst. Die Beamtin im Bildungsministerium kontert die Attraktivitätsfrage jedoch mit dem Hinweis auf den großen Zulauf an Ersatzpersonal.

Abschied vom Generalisten-Modell?

Die Politik hat in der Vergangenheit unter großem Druck gegen den Lehrermangel angekämpft, sei es mit dem Modell der Quereinsteiger oder der Reform des Concours. „Die Quereinsteiger sollten aber eine Notlösung bleiben“, sagt etwa Josée Lorsché. Die Fraktionschefin von Déi Gréng ist Mitglied in der parlamentarischen Bildungskommission und selbst gelernte Lehrerin.

Bildungsminister Claude Meisch (DP) hatte zudem angekündigt, dass die luxemburgischen Studienplätze bis auf 180 angehoben werden sollten. Die Erziehungswissenschaftler an der Universität verfügen momentan aber weder über das nötige Personal noch über die finanziellen Mittel, um die Studierendenzahl drastisch anzuheben. Zudem mangelt es ja nicht an Studienplätzen, sondern an geeigneten und aussichtsreichen Kandidaten.

Wir bauen weiterhin auf Grundschullehrer als Generalisten.“Ein Sprecher des Bildungsministeriums

„Das System muss evaluiert werden, wir brauchen gute Pädagogen in den Schulen“, sagt Josée Lorsché. Sie plädiert dabei für das Modell des Teilspezialisten um die Sprachenproblematik in den Griff zu bekommen. Dieses Modell sieht etwa vor, Spezialisten für den Französischunterricht einzusetzen. Das Wichtigste seien laut Lorsché ohnehin die pädagogischen Fähigkeiten.

„Die hohe Anzahl an Defiziten hat mich erschreckt. Wir müssen das im Auge behalten“, sagt auch CSV-Fraktionschefin Martine Hansen als Reaktion auf die Publikation rezenter Zahlen im „Luxemburg Wort“. Ein Defizit in einem Fach dürfte ihrer Meinung aber nicht den Ausschluss vom Beruf bedeuten. „Schwächen können wett gemacht werden und zwischenzeitlich von anderen Lehrpersonen übernommen werden“, so die Überzeugung der Oppositionspolitikerin.

„Wir bauen weiterhin auf Grundschullehrer als Generalisten“, heißt es aus dem Bildungsministerium. Die wahren Ursachen des andauernden Lehrermangels in der Grundschule, wie das Sprachenproblem, dürften ebenso noch eine Weile bestehen bleiben.


Lesen Sie mehr zum Thema: