Ab März 2020 kann jeder Bus, Tram und Bahn kostenlos nutzen. Das soll vor allem sozial und gut für das Image des Landes sein, so die Argumentation der Regierung. Doch die Anbieter könnten an Grenzen stoßen. Die Anzahl der Zugpassagiere etwa steigt auch ohne Gratisangebot seit Jahren.
Die einen jubelten, die anderen schüttelten bei der Meldung den Kopf: Am 21. Januar verkündete Verkehrsminister François Bausch (Déi Gréng) bei einer Pressekonferenz, dass die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs in Luxemburg ab dem 1. März 2020 kostenlos sein wird. Gratis Bus, Tram und Bahn nutzen? Hört sich auch so an, als ob mehr Menschen davon Gebrauch machen werden. Das glaubt die Regierung allerdings nicht.
Man gehe nicht davon aus, dass die Zahl der Fahrgäste wesentlich ansteigen wird, meinte François Bausch. Ein Autofahrer würde durch die neue Initiative nicht automatisch auf die öffentlichen Verkehrsmittel umsteigen, nur weil er sie kostenlos nutzen könnte. Andererseits verkauft der Minister die Initiative als „soziale Maßnahme“. Jeder solle von Bus, Tram und Bahn Gebrauch machen können. Will heißen, dass mehr Menschen die „Öffentlichen“ nutzen sollen, die sie sich bisher vielleicht nicht oder nur begrenzt leisten konnten – was wiederum zu volleren Zügen und Bussen führen würde.
Zahl der Fahrgäste in Zügen steigt stetig
Die Aussagen von Minister Bausch widersprechen sich demnach zumindest teilweise. Hinzu kommt, dass zumindest in den Zügen, die Zahl der Fahrgäste seit Jahren ansteigt. Das zeigt ein Blick in den Jahresbericht der CFL. Lag man 2010 noch unter der 20 Millionen-Marke (bei 18 Millionen Zugreisenden), waren es 2016 bereits 22,5 Millionen und 2017 22,9 Millionen. Zum Beispiel hat die Strecke zwischen Luxemburg und Longwy laut CFL viele Passagiere hinzugewonnen (2016 waren es 2.461, im Jahr 2017 2.689).
Mehr Gäste bedeutet auch einen höheren Arbeitsaufwand für die Zugbegleiter. Die Fahrkartenkontrolle wird mit der Einführung der kostenlosen Nutzung zwar wegfallen. Die Sicherheit und der Service während den Fahrten sollen aber weiterhin gewährleistet werden.
Syprolux: Es fehlt an Personal
Die Verantwortlichen der Bahngewerkschaft SYPROLUX sind der Meinung, dass durch die neue Initiative Personal aufgestockt werden muss. „Wird die Nutzung kostenlos, reicht ein Zugbegleiter pro Strecke nicht mehr aus“, so die Präsidentin Mylène Bianchy. Dabei rechne man nicht nur mit mehr Fahrgästen. Sondern auch mit einem höheren Arbeitsaufwand. Da die erste Klasse weiterhin kostenpflichtig sei, müsse man dort auch weiterhin kontrollieren.
„Wir müssen die Serviceleistungen weiterhin garantieren. Weniger Arbeit wird es sicherlich nicht für unsere Mitarbeiter geben“, so Bianchy weiter. „Wenn der öffentliche Transport gratis wird, und manche Passagiere trotzdem weiterhin 660 Euro für eine erste Klasse zahlen, dann haben sie natürlich auch gewisse Erwartungen an die Leistungen.“
Neben einer Aufstockung des Personals, müssen zudem die jetzigen Mitarbeiter umgeschult werden. Und auch das kostet Geld. „Es wird ein großes Investment werden, damit wir die Mitarbeiter auf ihre neuen Aufgaben vorbereiten können“, so Mylène Bianchy.
Zu den Aufgaben wird auch zählen, dass die Begleiter für Sicherheit sorgen müssen. Dass das mit mehr Zuggästen aber schwieriger wird, davor haben einige Zugbegleiter Bedenken. So beispielsweise Béatrice Bütgenbach. Sie glaubt, dass mit dem Label „Gratis“ die Hemmschwelle der Passagiere fallen wird – und das Risiko für Zwischenfälle steigt. „Wenn etwas kostenlos ist, verlieren die Menschen gerne den Respekt davor. Denn was nichts kostet, ist auch nichts wert“, sagt sie.
François Bausch sagte während der besagten Pressekonferenz, dass der Aufgabenbereich der Schaffner „angepasst und erweitert“ werden soll. Wie der aber konkret aussehen soll, wurde bisher noch nicht kommuniziert. Fest steht nur: In etwas mehr als einem Jahr soll alles angerichtet sein.
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