Leben oder Tod – darüber kann der Patient in Luxemburg selbst entscheiden. Zumindest theoretisch und unter bestimmten Bedingungen. Das Euthanasiegesetz ist seit 2009 in Kraft. Probleme gibt es bei der Umsetzung allerdings immer noch – vor allem in Krankenhäusern.
Wie frei ist der Tod? Menschen, die leiden, die unheilbar krank sind, für die der Tod eine Erlösung ist, können in Luxemburg Sterbehilfe beantragen. Seit genau zehn Jahren ist in Luxemburg das Euthanasie-Gesetz in Kraft.
Die Zahlen zeigen: Fälle von aktiver Sterbehilfe sind in Luxemburg eine Seltenheit. In zehn Jahren gab es 71 Euthanasien und es sind 3.137 Anträge bei der zuständigen nationalen Kommission zur Kontrolle und Evaluation der Sterbehilfe eingegangen.
Die meisten Euthanasien werden zu Hause durchgeführt. Laut Zweijahresbericht der Kommission gab es im Jahr 2017 acht Euthanasien, die zu Hause durchgeführt wurden und nur eine in einem Krankenhaus. Für das Jahr 2018 waren es fünf zu Hause und ebenfalls eine in einer Klinik.
Sterbehilfe kann verweigert werden
Das weist zunächst keine Besonderheit auf. Die Zahlen könnten lediglich darauf hindeuten, dass die Menschen lieber zu Hause sterben statt in einem Krankenhaus. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass sich ein Problem hinter diesen Zahlen verbirgt.
„Es stellt sich die Frage, ob in den Krankenhäusern die Möglichkeit einer Euthanasie greifbar ist“, sagt Mars di Bartolomeo, Präsident der Gesundheitskommission. „Das Gesetz ist klar. In öffentlich finanzierten Häusern muss auch ein Angebot sein.“
Was er allerdings nicht klar sagt: Einige Krankenhäuser scheinen ihren Patienten Sterbehilfe zu verweigern. Gesetzlich ist kein Arzt dazu verpflichtet, eine Euthanasie durchzuführen. Falls er sie verweigert, muss er dem Patienten oder seiner Vertrauensperson lediglich innerhalb von 24 Stunden seine Beweggründe nennen. Einen alternativen Mediziner muss der Patient dann selbst finden.
Gesetz vs. medizinische Praxis
Fest steht: Menschen, die sich für eine Euthanasie entscheiden, sind von einer Krankheit gezeichnete und geschwächte Menschen. Sie wollen oder können sich gar nicht mehr unbedingt mit administrativen Prozeduren auseinandersetzen. Wenn ein Arzt ihnen die Sterbehilfe verweigert, ist es für sie schwer, sich selbst noch um eine Alternative zu kümmern. „Wenn das Pflegepersonal auf den kraftlosen Patienten einredet, um ihn gegen eine Euthanasie einzustimmen, dann ist das Missbrauch von Schwäche“, sagte Dr. Carlo Bock bereits in einem früheren Gespräch mit REPORTER.
Probleme scheint es vor allem in Krankenhäusern zu geben. Es ist ein offenes Geheimnis, dass manche Häuser ihren Ärzten verbieten, Sterbehilfe anzubieten. Der Wille, der dem Patienten demnach laut Gesetz zusteht, wird ihm in der Realität geraubt. Die Kommission will deshalb jetzt prüfen, ob der Patient wirklich in jedem Krankenhaus Zugang zur Sterbehilfe hat. „Es muss der Wille des Patienten sein, ob er zu Hause oder im Krankenhaus sterben will“, sagt Mars di Bartolomeo.
Klage gegen Krankenhaus
Dr. Carlo Bock war bis vor Kurzem Präsident der Kontrollkommission. Er sagte im Juni bei „Radio 100,7“, deutlich, dass in manchen Krankenhäusern die Mediziner gegen Euthanasie sind. Das ist zwar ihr gutes Recht. Das Problem liegt dabei weniger bei den einzelnen Medizinern als bei den Verwaltungen der Häuser: „Manche Kliniken haben Vorbehalte“, so der Arzt.
Es soll sogar Krankenhäuser geben, die ihren Ärzten verbieten, eine Euthanasie durchzuführen. Das sagt auch Jean-Jacques Schonkert, Präsident der Vereinigung „Mäi Wëlle, Mäi Wee“, die sich für Palliativmedizin und Euthanasie starkt macht. „Es gibt Krankenhäuser, die ihren Ärzten das expressis verbis verbieten“, sagte er in einem Gespräch bei „Radio 100,7“. Die Vereinigung hat deshalb Klage gegen ein luxemburgisches Krankenhaus beim Gesundheitsministerium eingereicht. Um welches Krankenhaus es sich genau handelt, wollte Schonkert auf Nachfrage von REPORTER hin nicht sagen.
Das Gesundheitsministerium bestätigt, dass eine solche Anfrage eingegangen ist. Es fehle aber bisher an konkreten Informationen, die die Vereinigung noch einreichen müsse. Jean-Jacques Schonkert zeigt sich aber zuversichtlich. Er sagt seinerseits, dass er „Zeugen“ habe, die beim Ministerium aussagen werden. Gesundheitsminister Etienne Schneider lässt verlauten, dass es einem Krankenhaus nicht zusteht, einem Arzt zu verbieten, eine Euthanasie durchzuführen. Das Ministerium erinnert aber daran, dass ein Arzt laut Gesetz eine Euthanasie-Anfrage auch ablehnen darf.
Von einer „Lizenz zum Töten“
Tatsächlich ist Euthanasie unter den Ärzten ein schwieriges Thema. Das „Collège médical“ hatte gegenüber des Euthanasiegesetzes 2008 eine kritische Haltung und auf den Widerspruch zum Deontologiekodex hingewiesen. Auch einzelne Ärzte haben im Vorfeld der Gesetzgebung von 2009 mit Leserbriefen auf die Euthanasie-Thematik reagiert. „Euthanasie ist ein medizin-fremder Gedanke, der von der großen Mehrheit der Ärzte abgelehnt wird und der die Therapieoptionen nicht bereichert, sondern entscheidend beschneidet“, schrieb damals ein Arzt im „Luxemburger Wort“. Er sprach außerdem von einer „Lizenz zum Töten“.
Das zeigt deutlich, wie groß die Widerstände auch innerhalb der Ärzteschaft sind. Doch es wird weiterhin am Thema gearbeitet. Nicht nur will die Kommission der Frage nachgehen, ob auch jedes Luxemburger Krankenhaus die Möglichkeit bietet, eine Sterbehilfe durchzuführen. Im Juli wurde auch bereits ein Gesetzentwurf eingereicht, der Euthanasie nicht mehr als Suizid einstuft, sondern als natürlichen Tod definiert. So, wie er vom Patienten gewünscht war.