Anders als Mediziner aus Luxemburg dürfen ausländische Kliniken hierzulande Werbung schalten. Damit erzeugen sie allerdings einen unlauteren Wettbewerb. Dem Collège Médical ist diese Praxis schon länger ein Dorn im Auge. Jetzt könnte das Werbeverbot für Luxemburger Ärzte gelockert werden.
Wer endlich wieder klar sehen will, geht erst einmal brunchen. Bei einem gemütlichen Sonntagsbrunch klären Ärzte einer deutschen Augenlaser-Klinik potenzielle Patienten nämlich darüber auf, wie „ein Leben frei von Brille und Kontaktlinsen“ für sie aussehen könnte. Alles, was sie dafür machen müssen? Eine Operation in ihrer Klinik buchen.
Für dieses Versprechen – und die Brunch-Termine – wirbt die deutsche Klinik regelmäßig in Luxemburger Radiosendern, Tageszeitungen und auf Bussen. Und sie ist nicht die einzige. Ein weiteres Trierer Klinikum wirbt auf seiner Webseite für ein „neues Lächeln mit schönen, gesunden Zähnen“.
Laut der Anzeige bietet es ein „stilvolles Ambiente“ in großen Räumen „mit Blick über die Dächer von Trier“. Mit hübsch eingerichteten Räumen will man dort den Patienten „die Angst vorm Zahnarzt nehmen.“ Auch diese Klinik schaltet in regelmäßigen Abständen Werbeanzeigen in Luxemburger Zeitungen und versucht so Kundschaft aus dem Großherzogtum anzulocken.
Dass jemand durch den Besuch beim Zahnarzt ein schöneres Lächeln bekommt, mag sein. Dass allein die Inneneinrichtung der Behandlungsräume die Angst vorm Zahnarzt nimmt, ist jedoch fraglich.
Werbung ist „unfair“, aber erlaubt
In Luxemburg sind solche oder ähnliche Werbungen erlaubt – auch, wenn sie irreführend sein können. In den Augen von Ärzten, die in Luxemburg ansässig sind, sind sie aber vor allem eins: unfair. Denn nur ausländische Mediziner dürfen hierzulande Werbung schalten. Alle in Luxemburg ansässigen Ärzte müssen sich an den „Code de déontologie“ halten.
Dort steht ausdrücklich: „Toute annonce, action ou mention à caractère publicitaire est interdite.“ Einerseits, weil Medizin nicht wie ein Geschäft mit Kundschaft gehandhabt werden soll. Andererseits, weil es – anders, als im Ausland – in Luxemburg keine Einteilung in Kassen- und Privatpatienten gibt und alle medizinischen Dienstleistungen zu einem Großteil von der nationalen Gesundheitskasse übernommen werden. Will heißen: Wenn jeder Patient gleich viel zahlt und dafür die gleiche Behandlung bekommt, braucht es keine Konkurrenz unter den Ärzten – also auch keine Werbung.
Es entsteht also ein unlauterer Wettbewerb zwischen Ärzten aus dem Ausland in ihren Kollegen in Luxemburg. Und während die einen ihre Werbung immer weiter ausbauen, können die anderen nur stillschweigend zuschauen. Das soll sich aber jetzt ändern.
Ausländische Klinik, ausländisches Recht
„Dagegen kommen wir natürlich nicht an“, sagt Dr. Pit Buchler, Präsident des Collège Médical. Haben die Kliniken ihren Sitz im Ausland, können sie sich einfach auf das dortige Recht beziehen und in Luxemburg werben. Das ist vielleicht unfair gegenüber anderen – aber letztlich legal.
Betroffen von der unlauteren Konkurrenz sind vor allem Augen- und Zahnärzte sowie Dermatologen – also all diejenigen, die auch ästhetische oder teil-ästhetische Behandlungen anbieten.
Denn wer über spezifische Behandlungen wie eine Augenlaser-OP oder eine Aufhellung der Zähne nachdenkt, der recherchiert wohl zuerst online oder lässt sich von einer Werbung davon überzeugen. Dabei trifft er vor allem auf die Angebote aus dem Ausland. Alle anderen bleiben praktisch unsichtbar – obwohl es die Behandlungen auch in Luxemburg gibt.
„Es ist ein Ungleichgewicht entstanden“
„Es ist schon wie ein kleiner Stich ins Herz, wenn ein Bus mit einem Werbebanner vor der eigenen Praxis vorbeifährt“, sagt Dr. Carla Schmartz. Sie selbst ist Augenärztin in Luxemburg-Stadt. Sie und ihre beiden Kollegen sind auf Laserbehandlungen spezialisiert – und somit direkt von der Werbung der ausländischen Konkurrenz betroffen.
„Laseroperationen gehen schnell, sind unkompliziert und danach braucht man normalerweise tatsächlich keine Brille mehr. In diesem Fall stimmt es also, was die ausländischen Kliniken versprechen. Und natürlich können sie das zu Marketing-Zwecken nutzen“, sagt die Ärztin. Sie selbst darf das jedoch nicht, obwohl ihre Praxis die gleiche Leistung anbietet.

Carla Schmartz behauptet, dass es ihr und ihren Kollegen nicht so sehr darum gehe, selbst aggressive Werbung zu schalten. Sondern „die Menschen über das, was wir machen, informieren zu dürfen“. Flyer über den Ablauf einer Augenlaser-Operation dürfen momentan nur in der eigenen Praxis ausliegen. Das einzige, was sie der Werbung der ausländischen Konkurrenz entgegnen kann, ist Mund-zu-Mund-Propaganda. „Es ist schon ein Vorteil, dass Luxemburg so klein ist“, sagt sie.
Ob es dann überhaupt Werbung braucht, wenn es genug Patienten gibt? „Wenn externe Mitbewerber nicht damit angefangen hätten, dann hätte sich die Frage sicherlich nie gestellt. So aber ist ein Ungleichgewicht entstanden“, so die Fachärztin.
Zwei Kliniken – die gleiche Geschäftsführung
Im Trierer Klinikum nachgefragt, wird man an ein Laserzentrum am Findel in Luxemburg verwiesen. Beide Kliniken gehören zusammen. Dort heißt es aber auf Nachfrage von REPORTER, dass man unabhängig von Trier sei – außerdem würde das Zentrum in Luxemburg keine Werbung schalten und sich an die Vorgaben des Luxemburger „Code de Déontologie“ halten.
Das stimmt auch. Wer sich den Onlineauftritt der Luxemburger Filiale aber genau anschaut, stellt fest, dass zwei der Geschäftsführer in Luxemburg gleichzeitig auch die Geschäftsführer vom Klinikum in Deutschland sind. Als verantwortlich für den Inhalt der Luxemburger Seite wird zudem die „Doc Advertising GmbH“ angegeben. Wer die Internetadresse dieser Firma eingibt, wird automatisch auf die deutsche Augenlaser-Klinik weitergeleitet.
Beide Kliniken hängen also doch zusammen und beide profitieren demnach von den Patienten, die die deutsche Werbung anlockt. Die in Luxemburg geschalteten Anzeigen werben zudem mit einer luxemburgischen (.lu) Webadresse, die beim Aufrufen auf die deutsche (.de) Adresse weiterleitet.
Einen Pluspunkt für den Patienten gibt es obendrauf: Manche können sich am Ende aussuchen, ob sie sich in Trier oder in Luxemburg operieren lassen. Zum möglichen Wettbewerbsvorteil wollte die Klinik-Leitung kurzfristig allerdings keine Stellung beziehen.
Mögliche Lockerung des Codex
„Es ist ungerecht, dass diejenigen, die nur ein paar Kilometer weiter weg wohnen, in Luxemburg Werbung schalten dürfen und unsere Kollegen nicht“, so Pit Buchler. Weil die Werbung immer aggressiver wurde, wolle das Collège Médical deshalb seine Vorgaben lockern. Anfang 2020 könnte es schon so weit sein, auf ein genaues Datum will Pit Buchler sich aber nicht festlegen.
Medizin darf nicht wie ein Kommerz betrieben werden. Die zwischenmenschliche Beziehung zum Patienten muss weiterhin im Mittelpunkt stehen.“Dr. Pit Buchler, Präsident Collège Médical
Schon im Infoblatt des Collège Médical kündigt man die Änderungen an: „Le collège médical ne voit que la solution d’adapter les règles déontologiques régissant la communication au public des professions soumises à son autorité disciplinaire.“
Werbung, wie die der ausländischen Kliniken soll aber auch weiterhin für Ärzte in Luxemburg Tabu bleiben. Sie sollen aber die Möglichkeit bekommen, „nach außen hin sichtbarer werden“, so Pit Buchler.
Dabei besteht auf europäischer Ebene schon länger die Möglichkeit, die Werberegeln für Ärzte zu lockern. 2017 entschied der Europäische Gerichtshof, dass die Dienstleistungsfreiheit dem absoluten Werbeverbot entgegensteht. Ein belgischer Zahnarzt hatte geklagt, weil ihm Werbung für seine Praxis in Belgien verboten wurde. Laut Gerichtshof muss es Ärzten und Zahnärzten aber zumindest erlaubt sein, auf ihre Praxis und die dort erhältlichen Behandlungen hinzuweisen. Verbieten dürfen die EU-Staaten dagegen nur aggressive und irreführende Werbung.
Ein schmaler Grat
Momentan ist im „Code de déontologie“ noch genau festgehalten, was ein Arzt wo und wie veröffentlichen darf. Auf einer Webseite sind unter anderem ein Foto des Arztes (im Stil eines Passfotos) erlaubt, eine Auflistung der Sprachen, die in der Praxis gesprochen werden sowie eine Beschreibung des beruflichen Werdegangs.
Werden die Vorgaben gelockert, könnte ein Problem entstehen: „Der Grat zwischen Werbung und Information ist natürlich ein schmaler“, sagt Pit Buchler. Die Information soll deshalb auch in Zukunft dezent bleiben – damit die Seriosität und der Ruf der Mediziner gewahrt werden. Ärzte sollen hingegen mehr über sich, ihr Wissen, ihre Praxis und ihre Spezialisierung veröffentlichen dürfen.
Es ist kaum zu glauben, dass jemand mit schlechten Zähnen innerhalb eines Tages schöne und gesunde Zähne bekommt.“Pit Buchler
„Medizin darf dabei aber nicht wie ein Kommerz betrieben werden. Die zwischenmenschliche Beziehung zum Patienten muss weiterhin im Mittelpunkt stehen“, sagt der Präsident des Collège Médical. In einer freiberuflichen Sparte ist dies allerdings schwer zu kontrollieren.
Carla Schmartz ist aber davon überzeugt, dass Ärzte auch weiterhin durch eine persönliche und aufrichtige Beziehung zu ihren Patienten bei diesen punkten können. Egal, wie aggressiv die Werbung von anderen ist. „Das bedeutet auch für uns, ehrlich mit dem Patienten zu sein und zu sagen, wenn er nicht für eine Operation infrage kommt. Die Gesundheit muss wichtiger bleiben als ein Versprechen in einem Werbeslogan“, so die Augenärztin.
Werbeversprechen ohne Garantie
Doch genau damit werben einige ausländische Praxen. Mit einer schnellen Behandlung, die das Problem des Patienten löst. „Das ist teilweise trügerische Werbung“, so Pit Buchler. „Es ist kaum zu glauben, dass jemand mit schlechten Zähnen innerhalb eines Tages schöne und gesunde Zähne bekommt“, so der Experte. „Solche Versprechen sind nicht nur gegenüber dem Patienten nicht korrekt, sondern auch gegenüber anderen Kollegen.“
Kommt es im Nachhinein zu Problemen beim Patienten, kümmern sich laut Pit Buchler in der Regel Ärzte in Luxemburg darum. „Wir sind dann sozusagen die Dummen, die die Patienten in Behandlung nehmen, wenn etwas schief gelaufen ist.“ Wenn das Werbeversprechen nicht eingehalten wurde, sucht der Patient oft wieder einen Arzt seines Vertrauens auf. Dieser hat mit dem Schaden zu kämpfen, das Geld ist bis dahin aber längst an einen Kollegen ins Ausland gegangen.
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