Eigentum verpflichtet. Was im deutschen Grundgesetz steht, gilt nicht unbedingt für Steuerzahler in Luxemburg. Denn Vermögen wird hierzulande weit weniger besteuert als der Lohn. Was aber würde eine stärkere Besteuerung von Besitz überhaupt bringen?

Ist Luxemburg ein gerechtes Land? Nein, meint Dan Kersch. Zumindest nicht, was die Steuerlast betrifft. Lohneinkommen werde in Luxemburg deutlich stärker besteuert als Kapitaleinkünfte, so der LSAP-Abgeordnete bei der Steuerdebatte Mitte Juli im Parlament. „Und das ist eine fundamentale Ungerechtigkeit“, sagte der ehemalige Arbeitsminister und Vizepremier.

Es ist eine Sichtweise, die sich durchaus mit Zahlen belegen lässt. 2021 machte die Einkommensteuer die Hälfte aller Steuereinnahmen aus. Davon waren wiederum 54 Prozent auf die Lohnsteuer zurückzuführen. Zum Vergleich: Die Kapitalbesteuerung machte nur 15 Prozent der staatlichen Steuereinnahmen aus.

Dabei ist es eine Binsenweisheit, dass vor allem jene vermögend sind, die genug Reserven haben, um Kapital anzuhäufen. Wer das Steuersystem gerechter machen will, könnte demnach einfach Reiche stärker besteuern. Doch es ist nicht so simpel, wie es klingt. Denn es gibt nicht nur eine Möglichkeit, die starken Schultern stärker zu belasten. Eine Erbschaftsteuer etwa besteuert Vermögen ebenso wie ein erhöhter Mehrwertsteuersatz auf Luxusgütern oder eine Vermögensteuer. Nur eben auf andere Weise und mit unterschiedlichen Nebeneffekten.

Eher bescheidene Mehreinnahmen

Eine Option offenbart dabei besonders deutlich die Bruchlinien zwischen den Parteien: die Erhöhung der Einkommensteuer für Gutverdiener. Strikt dagegen ist die DP. Dafür sind in unterschiedlicher Form die LSAP, Déi Gréng und die CSV. Im Parlament begründete Finanzministerin Yuriko Backes (DP) ihre Ablehnung mit der Standortfrage. Schließlich stehe Luxemburg im „Kampf um Talente“ in direkter Konkurrenz zu anderen Finanzplätzen. Mehr Steuern würden demnach weniger Anziehungskraft bedeuten.

Ein weiteres Argument gegen die Steuer führte Jean-Jacques Rommes, Vizepräsident des Wirtschafts- und Sozialrates, in der „RTL“-Sendung „Kloertext“ ins Feld: „Mit dieser Maßnahme würden wir nur sehr wenige Leute erreichen. Und wir wissen, dass wir nur sehr wenig Geld einnehmen würden, wenn wir oben eine Tranche hinzufügen würden.“

Die Berechnungen, die die Steuerverwaltung dazu im Vorfeld der Debatte durchgeführt hat, sind in der Tat ernüchternd. Mit einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes von aktuell 42 auf 49 Prozent für Einkommen über 200.004 Euro im Jahr würde der Staat jährlich lediglich 110 Millionen Euro mehr einnehmen. Nur die Einführung von fünf zusätzlichen Steuertranchen für Einkommen unter 200.004 Euro sowie einem zusätzlichen Satz über diesem Schwellenwert würde 500 Millionen Euro mehr einbringen. Zum Vergleich: Die Anpassung der Steuertabelle an die Inflation würde laut Steuerverwaltung rund 600 Millionen Euro kosten.

Die Anpassung des Spitzensteuersatzes wäre demnach vor allem symbolisch. Zudem würde sie einer Entwicklung der letzten Jahrzehnte entgegenwirken. Nämlich, dass der Spitzensteuersatz immer weiter gesunken ist. So lag etwa der reelle Spitzensteuersatz in Luxemburg in den 1980er Jahren noch bei 57 Prozent. Eine Entwicklung, die sich so oder so ähnlich in fast allen westlichen Industrieländern wiederfindet.

Ungleiche Vermögensverteilung

Gleichzeitig ist jedoch auch die Ungleichheit bei der Einkommensverteilung gestiegen. Ein Trend, dem eine stärkere Besteuerung hoher Einkommen zumindest etwas entgegenwirken könnte.

Noch größer als bei den Einkommen ist die Ungleichheit allerdings beim Vermögen. Hierzu hält ein Bericht der OECD fest: „Privatvermögen ist deutlich ungleicher verteilt als Einkommen. In den 18 OECD-Staaten halten die oberen zehn Prozent etwa die Hälfte des Gesamtvermögens.“ Zudem sinkt mit steigendem Vermögen der Anteil des Lohneinkommens am Gesamteinkommen eines Haushalts, so der Bericht. Will heißen: Je reicher man ist, desto weniger lebt man von seiner Arbeit. Stattdessen machen Kapitalerträge einen steigenden Anteil der Einkünfte aus. Auch deshalb ist die Erhöhung des Spitzensteuersatzes nur begrenzt wirksam.

Zudem erfasst sie einen Großteil des Einkommens nicht. Etwa, wenn dieses aus Kapitalerträgen stammt. Ein Negativbeispiel sind hier Aktienverkäufe. Wer Aktien länger als sechs Monate besitzt und dann verkauft, wird nicht darauf besteuert. Egal, wie hoch der Ertrag ist.

Die CSV könnte sich eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes vorstellen. Wie die DP ist aber auch sie gegen eine Vermögen- sowie eine Erbschaftsteuer in direkter Linie.  (Foto: Mike Zenari)

Wirksamer könnte hingegen eine Vermögensteuer sein. Eine Steuer, die auch in Luxemburg bis 2006 erhoben wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde das Gesamtvermögen eines Haushalts jährlich mit 0,5 Prozent besteuert. Die Basis für die Steuer bildete dabei, ähnlich wie bei der Grundsteuer, das deutsche Bewertungsgesetz von 1941. Somit legten die deutschen Besatzer den Grundstein für die Vermögensbesteuerung in Luxemburg. Erhoben wurde die Steuer sowohl auf Bankvermögen und Aktien als auch auf Immobilien und landwirtschaftliche Flächen. Allerdings gab es einen Freibetrag, der sich unter anderem am Vermögen sowie an der Familiensituation orientierte.

Die Sache mit dem Bankgeheimnis

Doch die Steuer hatte ein Problem: Sie war ineffizient. Guy Heintz, bis 2016 Direktor der Steuerverwaltung, erklärt: „Bei der Vermögensteuer gab es zwei grundlegende Probleme. Erstens: Der Wert von Immobilien wurde nach veralteten Grundbeträgen berechnet. Die entsprachen schlicht nicht dem reellen Wert. Und zweitens: Die Steuerverwaltung konnte viele Vermögensangaben einfach nicht überprüfen.“ Der Grund ist relativ offensichtlich: Das Bankgeheimnis verbot dem Fiskus den Blick in die Kontodaten.

Auch deswegen hat die Vermögensteuer für Privatleute damals nur wenig eingebracht. Auf lediglich 40 Millionen Euro jährlich schätzt Guy Heintz die damaligen Einnahmen. „Würde man sie wieder einführen und das Vermögen richtig erfassen, würde die Vermögensteuer wahrscheinlich ein Vielfaches einbringen“, betont er. Allerdings müsse man dafür das Bankgeheimnis für Einwohner abschaffen, so der ehemalige Direktor der Steuerverwaltung.

Zudem hängt die Vermögensteuer maßgeblich von der Werterfassung von Immobilien ab und somit indirekt auch von der Grundsteuer. Denn wer in Luxemburg von Vermögen spricht, spricht auch von Immobilienbesitz. So schätzte die Zentralbank 2019 etwa, dass 88 Prozent des Vermögens der Haushalte in Immobilien und Wertgegenständen wie Fahrzeugen oder Schmuck angelegt sind. Die OECD betrachtete für ihre Analyse zur Vermögensteuer außerdem die Verteilung von Reichtum in den Mitgliedstaaten. Und stellte fest: In Luxemburg steigt mit dem Vermögen auch der Immobilienbesitz. Aktienbesitz und andere Investmentstrategien sind hingegen eher zweitrangig.

Die Frage nach dem Rückhalt

Ist es überhaupt gerechtfertigt, Vermögen höher zu besteuern? Und für welche Besteuerung gibt es Rückhalt in der Bevölkerung? Die Frage nach der Rechtmäßigkeit drängt sich allein schon wegen der steigenden Inflation und der Folgen der Pandemie auf. Doch letztlich bleibt es eine Gerechtigkeitsfrage. Die Inflation etwa trifft ärmere Haushalte tendenziell härter, die von ihrem Lohn leben müssen. Vermögen nicht zu besteuern, ist somit auch eine politische Entscheidung, die akzeptiert, dass die soziale Ungleichheit weiter wächst.

Bleibt die Frage nach dem Rückhalt in der Bevölkerung. Forscher des „Luxembourg Institute of Socio-Economic Research“ (Liser) stellten sie rund 1.600 Bürgern. Konkret wollten die Wissenschaftler wissen, welche neuen Steuermaßnahmen die Menschen infolge der Pandemie akzeptieren würden. Zur Auswahl standen: die Erhöhung der Mehrwertsteuer, die Erbschaftsteuer in direkter Linie, eine zeitlich begrenzte Solidaritätssteuer oder eine einmalige Vermögensteuer. Außerdem berechneten die Forscher, wie viel Mehreinnahmen durch die einzelnen Steuern zu erwarten wären.

Überraschenderweise erreichte die Erbschaftsteuer mit 75 Prozent die höchste Zustimmung unter den Befragten. Allerdings nur mit einem Freibetrag von fünf Millionen Euro. In diesem Szenario würde die Steuer jedoch nur relativ wenig einbringen. Schätzungsweise etwas mehr als 25 Millionen Euro. Wesentlich mehr würde hingegen die Vermögensteuer einbringen und das bei nur etwas weniger Zustimmung. So wären etwa 65 Prozent der Befragten für die Einführung einer Vermögensteuer von 1,5 Prozent mit einem Freibetrag von zwei Millionen Euro. Würde die Steuer in dieser Form eingeführt, könnte das Mehreinnahmen in Höhe von 1,7 Milliarden Euro für den Staat bedeuten. Ob die Befragten die Steuer jedoch auch akzeptieren würden, wenn sie mehrmals anstatt nur einmalig erhoben würde, lässt die Studie offen.

Das Kleingedruckte der LSAP

Dabei könnte die Vermögensteuer auch dabei helfen, die Wettbewerbsfähigkeit Luxemburgs zu sichern, meint Guy Heintz im Gespräch mit Reporter.lu. „Wenn man davon ausgeht, dass es zu einer Steuerharmonisierung bei der Firmenbesteuerung auf OECD-Ebene kommt, wäre es denkbar, die Vermögensteuer bei Unternehmen abzuschaffen und so die Betriebe zu entlasten. Die Wiedereinführung der Vermögensteuer könnte dabei helfen, das zu finanzieren“, so der Steuerexperte.

Für einige Parteien ist die Vermögensteuer allerdings derzeit undenkbar. So sprachen sich sowohl die DP als auch die CSV ausdrücklich gegen eine Vermögensteuer für Privatleute aus. Andere Parteien halten sich bedeckter. Die Grünen fordern zwar eine höhere Besteuerung von Kapitalerträgen, jedoch keine explizite Vermögensteuer. Klar zu einer Vermögensteuer bekannte sich derweil die LSAP.

Diese 2006 abzuschaffen, das sei ein historischer Fehler gewesen, betonte Dan Kersch in seiner Rede während der Steuerdebatte. Doch der Vorschlag der LSAP ist mit einer nicht unwichtigen Fußnote versehen. Denn bei der Berechnung der Vermögensteuer will die LSAP den Immobilienbesitz außen vor lassen. Begründet wird dies mit der Vermeidung einer Doppelbesteuerung in Anbetracht der Grundsteuer. Allerdings stellte Dan Kersch vor dem Parlament klar, dass es „ee politesche Choix“ sei.


Mehr zum Thema