Im Kampf gegen die Wohnungskrise stieß die Regierung auf unerwartete Hürden. Nach Startschwierigkeiten zeichnet sich nun ab, wie eine völlig neue Besteuerung von Immobilien aussehen könnte. Doch ein wesentlicher Punkt muss noch geklärt werden.
Grundsteuer, Spekulationssteuer, Leerstandsteuer, Mobilisierungssteuer. Zurzeit überbieten sich die Parteien mit Vorschlägen zu Abgaben auf Grundstücken und Immobilien. Allen Konzepten ist das Ziel gemein, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen und der Spekulation einen Riegel vorzuschieben.
Um die ausartenden Immobilienpreise in den Griff zu kriegen, sollen Spekulanten bestraft werden. Doch gibt es überhaupt Spekulation auf dem Luxemburger Wohnungsmarkt? „Das ist schwer zu sagen“, sagt Antoine Paccoud im Gespräch mit Reporter.lu. Dem Forscher vom „Luxembourg Institute of Socio-Economic Research“ (Liser) fehlen die Daten für eine klare Aussage. Anzeichen für Spekulation gibt es allerdings genug. Im Vergleich zum Vorjahr sind etwa die Preise für bestehende Wohnungen im ersten Trimester dieses Jahres um fast 13 Prozent gestiegen.
Ein weiteres Indiz sind die Verkaufszahlen bei den Neubauten. Zwischen 2015 und 2021 zahlten rund 40 Prozent der Käufer den TVA-Satz von 17 Prozent auf im Bau befindlichen Wohnungen und Häusern. Dieser volle Steuersatz ist nur dann fällig, wenn der Käufer nicht selbst darin wohnen wird. „Wir kennen aber die Strategie dieser Käufer nicht: Wollen sie die Wohnung vermieten oder auf eine Wertsteigerung spekulieren?“, sagt Antoine Paccoud. Eines ist für den Forscher jedoch offensichtlich: Die Steuerpolitik begünstigt Immobilieninvestoren. Das soll sich nun ändern.
80 Jahre Reformstau
Abhilfe schaffen soll unter anderem eine Reform der Grundsteuer. Denn diese nahm in Luxemburg über die Jahre absurde Züge an. „Bauland in Kirchberg wird heute gleich besteuert wie Bauland in Grosbous. Das ist nicht richtig und das wollen wir ändern“, sagte Innenministerin Taina Bofferding (LSAP) gegenüber „RTL Radio“. Der Wert von Grundstücken wird in Luxemburg noch immer auf einen Einheitswert von 1941 zurückgerechnet. Damals legten die deutschen Besatzer den Wert der Agrarflächen im Land fest. Auch in Kirchberg und in Grosbous. Aus dem einen Standort wurde ein florierender Finanzplatz, im Ösling blieb es bei den Agrarflächen. Durch den Einheitswert aber blieb die Steuer gleich.
Die Grundsteuer ist in anderen Ländern so hoch, dass es sich nicht lohnt, ein Grundstück zurückzuhalten.“Antoine Paccoud, Liser
Seit zwei Jahren arbeitet das Innenministerium nun an einer grundlegenden Reform der Grundsteuer. Es werde intensiv an den Modellrechnungen gearbeitet, bevor der Text pünktlich zur nächsten Rede zur Lage der Nation vorgelegt werden soll. Zuvor müssen jedoch noch einige Hürden überwunden werden. Dazu zählt auch eine Diskussion über die möglichen Steuersätze. Die Grundausrichtung ist allerdings bekannt. Anders als in anderen Ländern kann sie gegen Spekulation auf dem Immobilienmarkt aber wohl nur wenig ausrichten.
Steuersatz noch offen
Die Hauptinnovation für die Grundsteuerreform wurde ausgerechnet von der Opposition geliefert. In seinem Budgetbericht von 2012 schlug nämlich Gilles Roth (CSV) vor, künftig nicht mehr den Wert des bestehenden Gebäudes, sondern das Potenzial des Grundstücks als Grundlage für die Berechnung der Steuer zu nehmen. „Ob jemand auf seinem Grundstück einen Bungalow, eine Villa oder ein Mehrfamilienhaus baut – der Steuersatz bleibt gleich“, sagte der Co-Fraktionsvorsitzende der CSV vor fast zwei Jahren im Gespräch mit Reporter.lu.
Völlig neu ist das zweite Prinzip, auf dem die Reform gründen soll: die Distanz zur Hauptstadt. Je weiter entfernt das Grundstück von Luxemburg-Stadt liegt, desto geringer fällt die Steuer aus. Zusätzlich soll das Eigenheim steuerlich begünstigt werden. „Sie sollen nicht zusätzlich durch eine höhere Grundsteuer belastet werden“, erklärt das Innenministerium auf Nachfrage von Reporter.lu. Mehr ist aktuell nicht in Erfahrung zu bringen. Über die wichtigste Frage, nämlich, wie hoch der Steuersatz ausfallen soll, wird zurzeit noch in der Regierung verhandelt. Die nötigen Simulationen sind auch erst seit Kurzem möglich.

Nachdem zuerst eine Software entwickelt wurde, um den nationalen Kataster mit den allgemeinen Bebauungsplänen (PAGs) abzugleichen, konnten Modellrechnungen für einige Gemeinden durchgeführt werden. Zu Beginn hieß es vom Ministerium noch, eine Steuer könnte erst simuliert und ein Gesetzprojekt eingereicht werden, wenn die Bebauungspläne aller Kommunen vorliegen würden. Doch auch elf Jahre nach Inkrafttreten des neuen PAG-Gesetzes und fast drei Jahre nach dem gesetzlich festgelegten Stichdatum haben die Gemeinden Vianden und Dalheim die Prozedur für einen neuen Bebauungsplan noch nicht einmal begonnen. 26 weitere Vorhaben befinden sich noch in der Prozedur. Mit der Ankündigung von Premierminister Xavier Bettel (DP) bei seiner Rede zur Lage der Nation im Oktober 2021, innerhalb eines Jahres einen Reformtext im Parlament einzureichen, musste das Ministerium also die Strategie ändern.
Technische Probleme erschweren Reform
Die bereits angenommenen Bebauungspläne seien repräsentativ genug für das ganze Land, um eine Reform zu simulieren, erklärte das Innenministerium anschließend in seiner Antwort auf eine parlamentarische Anfrage. Allerdings bleiben die neuen PAGs eine Voraussetzung für die Berechnung der neuen Steuer. Das heißt: Die Regierung kann das Gesetzprojekt zwar im Herbst einreichen und noch vor den nächsten Wahlen verabschieden, doch das Gesetz kann erst landesweit in Kraft treten, wenn auch die Bebauungspläne der letzten Gemeinden verabschiedet wurden. Eine Übergangslösung braucht es auch für jene sechs Kommunen, deren PAG nach den Regeln des Gesetzes von 2004 erstellt wurde. In diesem Fall funktioniert die Software zum Abgleichen mit dem Kataster nicht.
Inzwischen wurden immerhin die meisten Probleme für die Erstellung eines Gesetzes gelöst. „Die größte Hürde betrifft die technische Umsetzbarkeit. Sprich, die Software, die noch nach dem Gesetzesprojekt entwickelt werden muss“, erklärt das Innenministerium. Der Auftrag hierfür sei jedoch noch nicht vergeben worden. Dies kann das Ministerium erst tun, nachdem es den Gesetzentwurf verfasst hat.
Doch selbst wenn es einmal so weit ist, kann von der Grundsteuer nicht erwartet werden, dass sie gegen Spekulation wirkt. Ziel der Steuer ist lediglich, eine gerechte Besteuerung von Grundstücken einzuführen. „Die Grundsteuer ist in anderen Ländern so hoch, dass es sich nicht lohnt, ein Grundstück zurückzuhalten – oder man kann gar enteignet werden. Beides ist in Luxemburg nicht gewollt“, stellt Antoine Paccoud vom Liser fest.
Der Steuersatz ist eine politische Entscheidung, die die Koalitionsparteien noch verhandeln müssen. Unabhängig von der Höhe wird die Grundsteuer allein wohlhabende Menschen nicht davon abhalten, Grundstücke zurückzuhalten. Also braucht es ein weiteres Instrument.
Aus Spekulations- wird Mobilisierungssteuer
Jahrelang brachliegende Grundstücke sollen stärker besteuert werden – mit einer Spekulationssteuer. Diese soll auf der gleichen Berechnungsgrundlage wie die Grundsteuer beruhen. Der Steuersatz soll zudem jährlich steigen. Das Ziel: Der Kauf eines Grundstücks, nur um es Jahre später mit einer Wertsteigerung zu verkaufen, soll sich nicht mehr lohnen. Die Politik erwartet sich davon, dass nicht genutzte Grundstücke wieder vermehrt bebaut und Wohnungen vermietet werden.
Politiker der Regierungsparteien versuchen denn auch, den Fokus auf eben diesen Zweck zu legen. Die Spekulationssteuer wurde von ihnen in eine Mobilisierungssteuer umgetauft. Grundstücke sollen „mobilisiert“, also zum Verkauf gestellt werden. Die Gesetzentwürfe sowohl für die Grund- als auch die Mobilisierungssteuer sollen im Oktober im Parlament eingereicht werden. Sind die Gesetze erst einmal in Kraft, könnten die daraus resultierenden Steuereinnahmen dann für den Kauf von Wohnflächen für Sozialwohnungen genutzt werden. Auf Nachfrage heißt es vom Finanzministerium dazu lediglich, dass die Arbeiten noch laufen und man noch keine Angaben zu den erwarteten Einnahmen machen könne.
Es wäre aber eine klare Abkehr von der bisherigen Politik, die sonst vor allem den Kauf von Wohnungen steuerlich begünstigte, anstatt ihn stärker zu besteuern. „Nun hängt alles vom Prozentsatz ab und welche Ausnahmeregeln festgelegt werden“, sagt dazu der Forscher Antoine Paccoud.
Ungewisse Wirkung
Geht es nach der LSAP, soll die Mobilisierungssteuer hoch angesetzt werden. „Sie muss stattlich sein und wehtun, sonst verpufft ihr Effekt“, meinte Dan Kersch (LSAP) während der Steuerdebatte im Parlament. Ähnlich äußerte sich auch François Benoy (Déi Gréng). Selbst die DP und die CSV erklärten, die Mobilisierungssteuer mitzutragen. Ob diese Maßnahme ausreichen wird, um die Preisexplosion zu bremsen, muss sich jedoch noch zeigen.
Das bestätigt auch der Blick ins Ausland. In Südkorea wurde eine entsprechende Steuer bereits in den 1990er Jahren eingeführt. Je länger dort Land brachliegt, desto höher fällt der Steuersatz aus. Nach zehn Jahren kann etwa eine Steuer von zehn Prozent auf den Wert des Landes erhoben werden. In den letzten Jahren hat sich die Wohnungskrise vor allem in der Hauptstadt Seoul trotzdem weiter verschärft. Die Preise für Wohnungen sind dort in nur drei Jahren um mehr als 50 Prozent gestiegen.
Auch in der Provinz British Columbia in Kanada schossen die Immobilienpreise in die Höhe. Die daraufhin eingeführte Spekulationssteuer betrifft auch Wohnungen. Die Steuer wird für jeden fällig, der nicht selbst in seiner Wohnung lebt. Wurde die Immobilie von ausländischen Investoren erworben, ist der Steuersatz sogar viermal höher. Nach zwei Jahren schätzten zwei Ökonomen, dass durch die Maßnahme etwa 20.000 leerstehende Wohnungen für den Wohnungsmarkt wiedergewonnen werden konnten.
In eine ähnliche Richtung soll auch eine weitere geplante Steuer der Luxemburger Regierung gehen.
Effizient, aber schwer umsetzbar
Die Leerstandsteuer ist nämlich die Dritte im Bunde. „Um unbewohnten Wohnraum in Zukunft stärker besteuern zu können, schaffen wir einen rechtlichen Rahmen für die Einrichtung eines nationalen Registers, in dem alle Wohnungen des Landes aufgeführt sind, mit Informationen darüber, ob sie bewohnt sind oder nicht“, sagte Xavier Bettel vergangenen Oktober. Es ist die Reform, über die am wenigsten bekannt ist. Auch weil sie in ihrer Umsetzung noch schwieriger ist.
Acht Gemeinden haben bereits eine Leerstandsteuer eingeführt. Steuern forderten allerdings nur zwei von ihnen ein. Nicht etwa, weil es keinen Leerstand in den betroffenen Kommunen gibt, sondern weil es für sie unmöglich ist, die Steuer einzutreiben. Dafür bräuchten sie ein Register, das die bestehenden Wohnungen in einer Gemeinde dem jeweiligen Besitzer zuordnet.
Manche Gemeinden scheitern aber bereits daran, zu wissen, welche Wohnungen es überhaupt auf ihrem Gebiet gibt. Bis 2024 muss das sogenannte „Cadastre vertical“ für alle Gebäude bestehen. Dieses gibt Auskunft, wie viel Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus vorhanden sind. Auch hier ist in den nächsten Jahren also nicht mit einer nationalen Steuer zu rechnen.
Ein paar Jahre lang darf in Luxemburg also noch weiter spekuliert werden. Die großen Reformen von Blau-Rot-Grün werden ihre Wirkung – wenn überhaupt – erst in einer nächsten Legislaturperiode entfalten können.



