Trotz großzügiger Finanzspritzen des Bankensektors fuhr die „Luxembourg School of Finance“ mit ihren Master-Studiengängen jahrelang Verluste ein. Jetzt zog die Universität die Notbremse. Ein interner Bericht liefert die Zahlen hinter dem Scheitern der Eliteschule.
Bei den Master-Studiengängen für Finanzwesen der Uni Luxemburg kommt es ab September zu einer kleinen Revolution. Keine 17.500 Euro pro Jahr, sondern 200 Euro pro Semester sollen die beiden Finanzmaster der Uni Luxemburg künftig kosten. Was wie eine gute Nachricht für Studenten klingt, ist die Folge einer fragwürdigen Strategie und einer unkontrollierten Ausgabenpolitik.
Wie das „Tageblatt“ jüngst berichtete, soll die „Luxembourg School of Finance“(LSF) bald Geschichte sein – zumindest was den Namen betrifft. Die gleiche Meldung hatte auch das „Luxemburg Wort“ bereits vor mehreren Monaten. Der Hintergrund: Schon vor zwei Jahren entzogen die Geldgeber, darunter die Bankenvereinigung ABBL der Finanzhochschule das Vertrauen und die jährlichen finanziellen Zuschüsse. 2016 hatte die ABBL Studenten und Forscher an der LSF noch mit 730.000 Euro unterstützt. 2017 war damit endgültig Schluss.
Interner Bericht liefert brisante Zahlen
Zu den Gründen war bisher wenig bekannt. Der CEO der ABBL, Serge de Cillia, kritisierte schon mehrmals in den Medien, dass die LSF das fundamentale Ziel nicht erreicht habe, kompetente Spezialisten für den hiesigen Finanzplatz auszubilden.
Hinter den Kulissen geht die Analyse aber weit darüber hinaus. Der radikale Strategiewechsel der LSF erklärt sich auch dadurch, dass die Rentabilität der Hochschule von der Fakultät für Recht, Wirtschaft und Finanzen der Universität zunehmend hinterfragt wurde. 2016 hatten die LSF für den „Master in Banking and Finance“ und den „Master in Wealth Management“ ein Minus von rund 90.000 Euro zu verzeichnen.
It would take a big effort to restructure the programme to break-even/be profitable.“Interner Bericht der Universität Luxemburg
Aus einem internen Bericht der Uni Luxemburg, den REPORTER einsehen konnte, geht hervor, dass unter anderem die Finanzierung von externen Dozenten samt Spesen das Budget sprengte. Für diverse renommierte Lehrkräfte dieser Master-Studiengänge gab die LSF im Jahr 2016 ganze 650.000 Euro aus. Die Dozenten kamen unter anderem von der London School of Economics, der HEC Management School, HEI Geneve, INSEAD oder von amerikanischen Unis.
Laut dem internen Bericht wird für einige der „visiting professors“ ein Stundentarif von 500 Euro und mehr angeführt. Ein bestimmter Professor erhielt von der LSF allein im Jahre 2016 eine Gesamtvergütung von 80.000 Euro für etwa 160 unterrichtete Stunden. Andere erhielten einen Stundenlohn von 110 oder 175 Euro. Auch Reise- und Hotelkosten wurden für diese Professoren übernommen – sie schlugen laut dem Bericht mit zusätzlichen 220.000 Euro zu Buche. 70.000 Euro wurden für Restaurantrechnungen und sonstige Kosten ausgegeben. Gesamter Kostenpunkt: 950.000 Euro – das sind über 60 Prozent des Jahresbudgets dieser beiden Studiengänge.
Ausufernde Kosten
Für den „Master in Banking and Finance“ und den „Master in Wealth Management“ hatte die Fakultät für Recht, Wirtschaft und Finanzen der LSF 2016 ein Gesamtbudget von 1,55 Millionen Euro zugesprochen. 2015 waren bei einem Budget von 1,48 Millionen Euro bereits Verluste in Höhe von rund 30.000 Euro eingefahren worden.
Die Höhe des Budgets der LSF-Kurse lässt angesichts der restlichen Ausgaben der Fakultät aufhorchen. Zum Vergleich: Für 11 weitere Master-Kurse, drei Bachelor-Programme und einen Ausbildungskurs stellte die Fakultät 2016 ein Gesamtbudget von 1,49 Millionen Euro zur Verfügung.

Seitens der LSF beklagte man, dass die Studiengebühren von 17.500 Euro pro Student nicht direkt der Fakultät zugute kamen, sondern in den gemeinsamen Topf der Uni flossen, woraus wiederum Gelder an alle Fakultäten und dann an die LSF verteilt wurden.
Aus dem internen Dokument geht allerdings hervor, dass zumindest der „Master in Banking and Finance“ selbst dann keine schwarzen Zahlen geschrieben hätte, wenn die Studiengebühren direkt und ausschließlich in den Topf der LSF geflossen wären. Denn die Kurse waren längst nicht immer vollbesetzt. Das Zahlenbeispiel im internen Dokument spricht für das akademische Jahr 2015/2016 von Studiengebühren von 800.000 Euro – es hätten über 450.000 Euro gefehlt, um die tatsächlichen Ausgaben von diesem Master abzudecken.
„It would take a big effort to restructure the programme to break-even/be profitable“, heißt es in dem Bericht. „The significant financial contribution of the ‚Faculté de Droit, d’Economie et de Finance‘ has to be critically reflected.“ Erstellt wurde der Bericht ein Jahr nachdem der ehemalige Direktor der LSF, Christian Wolff, seines Amtes enthoben wurde.
Wieso sich etwas ändern musste
Die hausgemachte finanzielle Schieflage der Master-Studiengänge war längst nicht das einzige Problem der LSF. Die Bankenvereinigung ABBL wollte die Fakultät nicht länger über ihre „Fondation ABBL pour l’éducation financière“ unterstützen – denn der Einsatz lohnte sich für sie kaum.
Denn nur wenige erfolgreiche Studienabgänger konnten auf dem Finanzplatz Luxemburg Fuß fassen – ein Ziel, das die ABBL allerdings seit der Gründung der LSF aktiv verfolgte, zumal der Sektor um gut ausgebildete „Private Banker“ kämpft.
Irgendwann haben wir die Uni dann unter Druck gesetzt und ihnen gesagt: Jetzt reichts.Serge de Cillia, CEO der ABBL
Der Generaldirektor der ABBL, Serge de Cillia, macht keinen Hehl daraus, dass auch die Nationalität von rund der Hälfte der Master-Absolventen der LSF aufgrund eines nicht-europäischen Passes zum Problem wurde. Die fehlende Arbeitserlaubnis und zum Teil mangelnde Sprachkenntnisse hätten dazu geführt, dass viele der überwiegend asiatischen Studenten nicht ohne weiteres in den hiesigen Arbeitsmarkt integriert werden konnten.
Lehrkonzept „nicht mehr zeitgemäß“
Hinzu kamen Lehrprogramme, die die Banken als Arbeitgeber als „nicht mehr zeitgemäß“ empfanden. Der Kompetenzerwerb der Studenten sei in den Bereichen Risk Management, Compliance und Audit schlicht unzureichend gewesen, bemängelt Serge de Cillia im Gespräch mit REPORTER. Besonders kleinere Banken könnten es sich nicht leisten, Personal mit mangelhaften Fachkenntnissen zu rekrutieren, das nicht sofort autonom einsatzbereit sei, so der CEO der ABBL.
Diese Apekte hätten dazu geführt, dass laut de Cillia schätzungsweise lediglich ein Viertel der Diplomierten der LSF später auch in Luxemburg arbeiteten. Versuche, die Uni auf diese Mängel aufmerksam zu machen, seien jahrelang gescheitert.

„Irgendwann haben wir die Uni dann unter Druck gesetzt und ihnen gesagt: Jetzt reicht’s“, erklärt Serge de Cillia die Entwicklung. Der Arbeitgebervertreter hatte die Zusammenarbeit zwischen der LSF und der ABBL erstmals 2018 öffentlich beklagt.
Die Kritik der Bankenlobby hat längst ganz konkrete Folgen auf dem Arbeitsmarkt. Laut Informationen von REPORTER wollte im laufenden Jahr keines der großen Finanzinstitute mehr einen Studenten des „Master in Wealth Management“ für ein Praktikum bei sich aufnehmen. Und das, obwohl dieser Master die Studenten zum Private Banker ausbilden soll und Luxemburger Banken bekanntlich ein besonders hohes Interesse für diese Sparte bekunden.
Radikaler Strategiewechsel
Ab diesem September, kommt es demnach zu einem Umbruch, der vom hiesigen Finanzsektor lange ersehnt wurde. Der „Master in Banking and Finance“, der noch 2012 auf der Homepage der Uni.lu als „flagship programme of the Luxembourg School of Finance“ angeführt wurde, wurde inzwischen abgeschafft. Auf diesen Studiengang entfielen über zwei Drittel aller Kosten für externe Lehrbeauftragte und Zusatzkosten – er trug maßgeblich zum Defizit der Master-Studiengänge der LSF bei.
Teile seines Lehrprogramms wurden nun in das neue „Master of Science in Finance and Economics“ integriert. Der Inhalt seiner Kurse wurde reformiert, genauso wie jene des „Masters in Wealth Management“. An der Umgestaltung war die ABBL maßgeblich beteiligt.
Die früheren Studiengebühren haben zu einem verdeckten Auswahleffekt geführt und hauptsächlich Studenten aus dem nichteuropäischen Ausland angezogen.“Katalin Ligeti, Dekanin der Fakultät für Recht, Wirtschaft und Finanzen
Die neue Strategie wirkt sich aber vor allem auf die Personalpolitik aus. Griff die LSF bisher dank der externen Finanzierung vor allem auf auswärtige Dozenten mit hohem Renommee zurück, muss sie sich nun an die Praxis anderer Abteilungen an der Uni anpassen. Künftig soll also mehr auf festes Personal zurückgegriffen werden. Fünf Vollzeitstellen wurden für das kommende Studienjahr in der Fakultät ausgeschrieben.
Zumindest auf einige der renommierten Professoren von ausländischen Universitäten wird die LSF künftig verzichten. Wie es heißt, kamen die Absagen an das bisher hofierte externe Personal allerdings in manchen Fällen allzu kurzfristig.
Auch die Auslandsaufenthalte der Studenten werden abgeschafft. Im Studienpreis war bisher je nach Studiengang eine Woche Aufenthalt an der Stern School of Business in New York oder der Singapore Management University inbegriffen – beide gelten als „world-class business schools“. 2016 hatte der akademische Austausch an der Stern School of Business in New York die LSF 330.000 Euro gekostet. Rund 50 Studenten und ihre Professoren waren an der Reise beteiligt.
Auf europäische Studenten abzielen
Welche Strategie steckt hinter der neuen Preispolitik? Warum erhebt man keine 17.500 Euro pro Jahr und pro Studenten mehr?
Die neuen Anmeldegebühren seien Teil der Reformen, um verstärkt qualifizierte Studenten der Großregion oder aus dem europäischen Ausland auf die Master aufmerksam zu machen, sagt die Dekanin der Fakultät für Recht, Wirtschaft und Finanzen, Katalin Ligeti, auf Nachfrage von REPORTER.
„Die früheren Studiengebühren haben zu einem verdeckten Auswahleffekt geführt und hauptsächlich Studenten aus dem nichteuropäischen Ausland angezogen. Ziel der Reform ist, verstärkt Studenten anzuziehen, die eine Zukunft auf dem Finanzplatz Luxemburg ins Auge fassen“, so Katalin Ligeti.
Ferner sagt die Dekanin: „Hauptanliegen war die Umgestaltung des Programmes und eine Neuausrichtung mit Blick auf internationale Standards und auf die Bedürfnisse des Finanzplatzes Luxemburg.“
Durch die Abschaffung der hohen Studiengebühren seien diese nun den üblichen Gebühren der Master der Universität Luxemburg angepasst worden, unterstreicht Katalin Ligeti weiter. Dabei kann an der Uni Luxemburg generell nicht von einer neuen Philosophie in der Preispolitik die Rede sein: Denn die hohen Kosten einiger anderen Studiengänge der Uni wurden nicht nach unten revidiert. Das zweijährige „Master en management de la sécurité des systèmes d’information“ kostet weiterhin insgesamt 6.400 Euro. Das „Interdisciplinary Space Master“ ist ab jetzt mit einer Gesamtsumme von 8.000 Euro das teuerste Studium der Universität Luxemburg.
ABBL lässt wieder etwas Geld fließen
Diese neue Strategie liegt sicherlich im Interesse der Banken. Seit vergangenem Freitag ist Serge de Cillia denn auch wieder etwas zuversichtlicher. Vergangene Woche wurde der ABBL das neue Konzept der LSF vorgestellt – ihr Name soll definitiv angepasst werden. „Wir haben festgehalten, dass das neue Prinzip in die richtige Richtung geht“, sagt Serge de Cillia. So wurde neben einem neuen Führungssystem auch ein „Advisory Committee“ geschaffen, in der auch die ABBL vertreten sein wird. Hinzu kommt ein „Outreach Officer“, der für die Beziehungen zwischen der Uni und der ABBL zuständig sein und auch aktiv auf Banken zugehen soll, um ihnen eine Kooperation anzubieten.
Auch Gelder sollen künftig wieder fließen. Zwischen 25.000 und 35.000 Euro, will die Bankenvereinigung Doktoranten oder Post-Doktoranten zur Verfügung stellen, die für ihre Forschungsarbeit zu einem innovativen Thema recherchieren. Weitere Geldzuwendungen werde es aber erst dann geben, „wenn die Schule wieder eine positive Reputation genießt“, sagt Serge de Cillia. Zur Erinnerung: Im Jahr vor dem Clash steuerte die ABBL über 700.000 Euro zum Budget der LSF bei.
Die „Luxembourg School of Finance“ war 2002 mit dem Ziel angetreten, in der gleichen Liga wie die ganz großen Finanz- und Business-Schulen der Welt mitzuspielen. Heute zeigt sich: Geld allein trägt nicht unbedingt zur erfolgreichen Ausbildung von Fachkräften auf dem Luxemburger Finanzplatz bei.
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