Viele Unternehmen leiden unter den hohen Energiepreisen. Das Tripartite-Abkommen sieht Beihilfen vor, um die Notlage zu lindern. Die Herausforderung liegt im mittelfristigen Umstieg auf erneuerbare Energien. Doch die Regierung lässt sich Zeit, die sie nicht hat.
„Schneller raus aus der fossilen Abhängigkeit“: Mit diesem Slogan bewarben Déi Gréng das Tripartite-Abkommen. Das klingt zunächst nach einem Widerspruch zu Maßnahmen, die Sprit und Gas mit dreistelligen Millionenbeträgen fördern. Dennoch betonte auch Wirtschaftsminister Franz Fayot (LSAP), dass die aktuelle Krise zeige, dass die Dekarbonisierung der Luxemburger Wirtschaft vorangetrieben werden müsse. Inwiefern dieses Ziel durch die beschlossenen Schritte schneller erreicht werden soll, ist jedoch fraglich.
Wie bei den Haushalten steht die Regierung nämlich auch bei den Unternehmen vor dem Problem, kurzfristig die Löcher in der Energiepolitik stopfen zu müssen, statt nachhaltige Lösungen zu finanzieren. Die aktuelle Energiekrise hat aber einen grundsätzlichen Vorteil: Sie schärft das Bewusstsein der Unternehmen, dass die Zeiten billiger fossiler Brennstoffe womöglich endgültig vorbei sind. Und dass erneuerbare Energien wettbewerbsfähiger und im geopolitischen Kontext zuverlässiger sind.
Das Abkommen mit den Sozialpartnern enthält denn auch sechs Maßnahmen, die die Energiewende in den Betrieben beschleunigen sollen. Doch weder sind sie prinzipiell neu noch kurzfristig umzusetzen. Auf Nachfrage von Reporter.lu geben die Ministerien zudem größtenteils keinen konkreten Zeitplan an, ab wann die Unternehmen von dieser Unterstützung profitieren könnten.
20 bis 30 energieintensive Unternehmen
Kurzfristig muss der Staat allerdings einspringen, damit jene Unternehmen überleben können, die viel Energie für ihre Produktion brauchen. Der OGBL trug den Inhalt des „Solidaritéitspak“ nicht mit, weil Hilfen mit der „Gießkanne“ über alle Unternehmen verteilt würden, wie es die Präsidentin Nora Back ausdrückte. Dabei stellte sich die Gewerkschaft nicht gegen Maßnahmen in Bezug auf die explodierenden Energiekosten der Betriebe. Denn jene, die es schließlich ins Abkommen geschafft haben, sind sehr selektiv.
„Es ist kein Helikoptergeld für Betriebe“, sagte der Wirtschaftsminister bei der Vorstellung des Abkommens. Die Regierung hält sich strikt an die Vorgaben der Europäischen Kommission, wie die staatlichen Beihilfen aussehen dürfen. Sie richten sich in erster Linie an energieintensive Unternehmen. Der Direktor des Industrieverbands Fedil, René Winkin, geht von 20 bis 30 betroffenen Betrieben aus.
Die Energiewende ist ein riesiges Unterfangen, bei dem wir erst ganz am Anfang stehen.“René Winkin, Fedil-Direktor
Kleine bis mittelgroße Betriebe können jeweils bis zu zwei Millionen Euro an Beihilfen für Gas- und Strompreise erhalten, erklärte Wirtschaftsminister Franz Fayot. Größere Unternehmen aus besonders betroffenen Branchen, wie etwa der Stahlverarbeitung und der Glasherstellung, dürfen laut Brüsseler Vorgaben bis zu 50 Millionen Euro erhalten. Das ist aber nur möglich, wenn sie auch entsprechende Verluste machen. Die Regierung rechnet mit einem Gesamtvolumen von 225 Millionen Euro. Die Fedil geht von einem Bedarf von 75 bis 125 Millionen Euro aus.
Die Regierung versprach im „Solidaritéitspak“ zudem Hilfen für Transportunternehmen, Lebensmittelhersteller und die Baubranche. Denn diese fallen im Prinzip nicht in die Kategorie „energieintensiv“. Für industrielle Bäckereien könnte dies der Fall sein, Handwerksbetriebe erreichen aber eher nicht die Schwelle von Energiekosten, die mindestens drei Prozent des Umsatzes ausmachen müssen.
Deshalb soll eine niedrigschwelligere Beihilfe das Paket ergänzen. Details sind in diesem Punkt noch keine bekannt. Allerdings sieht die Europäische Kommission in diesem Fall eine Obergrenze von 400.000 Euro pro Unternehmen vor. Ebenfalls vorgesehen sind staatlich garantierte Kredite, die Unternehmen nutzen können, um ihre Energiekosten bis zur Hälfte zu decken. Der Staat lässt sich die Leistung der Garantie von den Unternehmen bezahlen. Im besten Fall belastet diese Maßnahme also nicht den Staatshaushalt – selbst bei einer geringen Zahl von Ausfällen.
Viele Maßnahmen, wenig Details
An den entsprechenden Gesetzentwürfen arbeiten die zuständigen Ministerien mit Hochdruck. Einen genauen Zeitplan gebe es nicht, aber man versuche, parallel zum gesetzgeberischen Prozess bereits die Genehmigung der EU-Kommission zu erhalten, um das Verfahren zu beschleunigen, heißt es aus dem Mittelstandsministerium.
Ungewisser ist der Zeitplan für die Maßnahmen, die eben nicht fossile Energien bezuschussen, sondern an der Wurzel des Problems ansetzen. Die Regierung verpflichtete sich in der Tripartite, hier „kurz- bis mittelfristig“ Lösungen anzubieten. Ausgereifter ist etwa das Programm „Fit4Sustainabillity“, das die Agentur „Luxinnovation“ verwalten soll. Es sieht vor, Unternehmen Zuschüsse für Energieberatung und Umweltstudien zu zahlen. Bis Ende April soll das Wirtschaftsministerium weitere Details vorstellen.
Im Herbst soll zudem der „Klimapakt fir Betriber“ als Pilotprojekt starten und dann nächstes Jahr regulär anlaufen, heißt es auf Nachfrage von Reporter.lu aus dem Umweltministerium. Das Programm von Beratung und Förderung ist an den „Klimapakt“ für Gemeinden angelehnt. Premierminister Xavier Bettel (DP) hatte die Maßnahme bereits in der Rede zur Lage der Nation vergangenes Jahr angekündigt.
Die Handelskammer kritisierte bereits im November, dass Details dazu fehlen würden. Wirklich weiter ist die Regierung heute nicht. Die Regierung verspricht ebenfalls, die Unternehmen beim Kauf von Lastwagen und Lieferwagen ohne Verbrennungsmotor zu unterstützen. Das Umweltministerium möchte aber keine Angaben machen, ab wann eine solche Beihilfe bereitstehen soll.
Pionierarbeit der Unternehmen nötig
Das Tripartite-Abkommen sieht ebenfalls Maßnahmen vor, die die Industrie bei der Umstellung auf erneuerbaren Strom oder Wasserstoff unterstützen sollen. Es geht dabei um Mittel zur Vorfinanzierung und zum Risikomanagement, das sogenannte „De-risking“. Die Idee dahinter ist, Finanzierunginstrumente mit der Europäischen Investitionsbank auszuarbeiten. Das hielt bereits der Klima- und Energieplan von 2020 fest. Bis Ende des Jahres soll hier ein genauerer Fahrplan stehen.

In den vergangenen Jahren ist allerdings wenig passiert. Das Interesse der Unternehmen sei nicht ganz groß gewesen, heißt es von politischer Seite. Doch Fedil-Direktor René Winkin erklärt, dass die Aufgabe gewaltig sei. Die Vorgabe der Regierung sieht vor, dass die Industrie ihre CO2-Emissionen bis 2030 um die Hälfe senken muss. Vergleichsweise einfache Effizienzmaßnahmen helfen zehn bis 20 Prozent an Erdgas einzusparen. „Das ist dann aber nur ein Fünftel des Weges, den wir gehen müssen“, so René Winkin im Gespräch mit Reporter.lu.
Um das Klimaziel zu erreichen, müssen die Unternehmen, die Wärme in ihrer Produktion benötigen, auf Strom als Energie setzen. Entweder direkt oder über den Umweg von Wasserstoff. Doch die Technologien dafür gibt es noch nicht in allen Branchen. Luxemburger Unternehmen müssten also Pionierarbeit leisten. Und auch die Frage, wo der Wasserstoff herkommen soll, muss noch beantwortet werden.
Eine Frage der Preise
Für viele Unternehmen rechnete sich die Energiewende in den vergangenen Jahren noch nicht. „Viele mögliche Investitionen, die von den Ingenieuren als sinnvoll ermittelt werden, werden durch die strengen Finanzansprüche der Unternehmen verhindert“, hieß es im Klima- und Energieplan der Regierung. Ein Problem ist aber, dass Unternehmen jetzt nicht in Energieeinsparungen investieren, wenn sie in vier bis fünf Jahren ihre Produktionsweise komplett auf Strom umstellen sollen.
Doch die Rechnung ändert sich: Noch bis vor wenigen Monaten war eine Megawattstunde Strom doppelt so teuer wie Gas, sagt René Winkin. Nun ist das Verhältnis gekippt und die Preise befinden sich insgesamt in einer komplett neuen Dimension. Für Unternehmen wird es nun wirtschaftlich interessant, einen Zugang zu erneuerbarem Strom zu bekommen, zu einem langfristig stabilen Preis. Und das will die Regierung auch ermöglichen, indem ein Teil des Marktrisikos über staatliche Garantien abgesichert wird.
Zu den hohen Energiepreisen kommen extreme Schwankungen im EU-Emissionshandel. Der Preis für Emissionsrechte schwankte in wenigen Wochen zwischen 100 und 50 Euro pro Tonne CO2. Auch das ist für Unternehmen ein Argument, auf stabilere Preise aus erneuerbaren Energien zu setzen, um mittel- und langfristig besser planen zu können.
Ein schwieriger Balanceakt
Gleichzeitig will die Regierung aber besonders energieintensive Unternehmen zwischen 2021 und 2030 mit 500 Millionen Euro unterstützen, um einen Teil der Kosten aus dem Emissionshandel zu übernehmen. Diese Beihilfe sei besonders in der Stahlindustrie wichtig, erklärte Wirtschaftsminister Franz Fayot. Die EU will damit verhindern, dass die europäische Industrie an Wettbewerbsfähigkeit verliert oder sogar abwandert.
Die Schwierigkeit bei dieser und den anderen Maßnahmen ist allerdings, den Unternehmen durch die Energiekrise zu helfen und dennoch die Dekarbonisierung voranzutreiben. Und gleichzeitig muss das Tempo deutlich erhöht werden. Der neueste Bericht des Weltklimarats hält fest, dass 2025 der Höhepunkt der Emissionen erreicht werden könnte. „Es ist jetzt oder nie, wenn wir die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen wollen“, sagte der britische Forscher Jim Skea bei der Vorstellung des Berichts vergangene Woche.