Nach mehr als 30 Jahren schließt die „Sacred Heart University“ unerwartet die Türen ihres Luxemburger Ablegers. Die Studenten fühlen sich im Stich gelassen. Die Universität war ein wichtiger Partner für die Politik und den Finanzplatz – aber nie rentabel. 

Eigentlich hätte es ein toller Abend werden sollen. Die Studenten, die ihren „Master of Business Administration“ (MBA) an der „Sacred Heart University“ in Luxemburg abgeschlossen hatten, wollten ihre Abschlussfeier organisieren – die erste seit Beginn der Pandemie. Dabei helfen sollte der Marketing-Professor David Taylor, der auch am luxemburgischen Campus unterrichtet. Doch David Taylor kam nicht. Stattdessen verschickte er eine kurze E-Mail mit der Nachricht, dass die Universität ihre Türen in Luxemburg ab dem 1. Juli dauerhaft schließen würde. Die E-Mail liegt Reporter.lu vor. Über den Beschluss hatten in der vergangenen Woche mehrere Medien berichtet.

Angesichts der schnellen Abwicklung wurde auch die Abschlussfeier, die für den 30. Juni vorgesehen war, abgesagt. Nach der Schließung gebe es nun nur noch die Möglichkeit, die Kurse virtuell zu besuchen. Bei Fragen zu bereits begonnenen Studiengängen sollte man sich bitte per E-Mail an ihn wenden, schrieb Professor David Taylor.

Eine Uni als Jobbörse

„Wir hatten das Gefühl, dass die Universität Taylor nur als Fußsoldaten vorgeschickt hat“, so ein Betroffener, der mit Reporter.lu unter der Bedingung der Wahrung seiner Anonymität geredet hat. Die Entscheidung schockierte die etwa hundertköpfige Studentenschaft. Fragen nach dem Visum-Status der Studierenden, nach möglichen Erstattungen für bereits begonnene Kurse, nach den Unterkünften – vieles steht auf der Kippe.

Wenn es darum geht, eine unbequeme Wahrheit auf den Tisch zu legen, werden die Leute eben immer ein bisschen feige – katholische Grundwerte hin oder her.“Egide Thein, Wegbereiter der „Sacred Heart University Luxembourg“

„Es gibt Studenten, die erst eine Woche zuvor nach Luxemburg gezogen sind und jetzt in großen Problemen stecken“, so eine weitere Quelle gegenüber Reporter.lu. Manche Studierende hatten für ihre Kurse bereits bezahlt. Dabei geht es um nicht unwesentliche Summen: Ein MBA mit Praktikum in einem Partnerunternehmen kostet 39.000 Euro; wer seinen Abschluss in Teilzeit machen will, muss rund 29.000 Euro bezahlen. Mit den Ausgaben für Visum, Anreise, Wohnen und den Lebenshaltungskosten kommt einiges zusammen.

Und doch schienen sich diese finanziellen Bürden bisher zu lohnen: „90.000 bis 120.000 Euro Jahresgehalt im Durchschnitt nach dem Abschluss“, verspricht die Sacred Heart University auf ihrer Webseite. Viele der Studenten sind Quereinsteiger. Etwa Unternehmer oder Angestellte, die in höhere Positionen kommen wollen. Unter den Partnern, die Praktika anbieten, findet sich das Who-is-Who des Finanz- und Wirtschaftsstandorts: Amazon, Arendt & Medernach, Enovos, Clearstream, PwC und viele mehr. Damit wird deutlich: Es geht nicht nur um eine Ausbildung, sondern auch um Vernetzung. Die Uni diente als wichtige Jobbörse.

US-Zentrale antwortet nicht

So sah das auch Eliane*. Reporter.lu erreichte die Jungunternehmerin in ihrer Heimat, der ehemaligen nigerianischen Hauptstadt Lagos, wo sie bereits auf gepackten Koffern für ihre Reise nach Luxemburg saß: „Nicht einmal im Traum hätte ich mir das vorstellen können. Meine Papiere sind verschickt, die Anzahlung für den MBA habe ich überwiesen und meine Tickets sind gebucht“, berichtet sie. Sie habe Luxemburg ausgewählt wegen des Wirtschaftsstandorts und der Multikulturalität – und um sich ein solides Business-Netzwerk aufzubauen. „Es ist schon ein Investment, als Bürger eines Drittlandes in die EU zu reisen, um sich dort fortzubilden“, meint Eliane.

Ob sie ihr Geld zurückbekommen wird – 2.350 Euro hat sie bereits ausgegeben – ist unklar. Die Uni selbst schreibt auf ihrer Website: „No Refunds“ – also keine Erstattung. Eliane hat es trotzdem versucht und die Mutteruniversität in Fairfield im US-Bundesstaat Connecticut angerufen. Wie man dort mit ihr umging, hat sie nachträglich schockiert: „Zuerst wurde ich immer weitergereicht. Dann habe ich darum gebeten, mit den oberen Verantwortlichen zu reden.“ Vergebens: „Am Ende wurde ich angeschrien und aus der Leitung geschmissen. Seitdem habe ich nichts mehr gehört“, so Eliane. Diese „Nichtkommunikation“ sei ein echtes Problem.

Ähnlich sehen es auch die anderen Studenten, die sich in einer Betroffenengruppe zusammengefunden und ein Statement abgegeben haben, das Reporter.lu vorliegt: „Wir finden es zutiefst enttäuschend, ohne Erklärungen sitzen zu bleiben und mit der Schließung unserer Institution konfrontiert zu sein, ohne Rücksichtnahme auf das Wissen und ohne Rücksprache mit Studenten, Lehrern und Beschäftigten.“ Die Studenten machen sich Sorgen um ihre Visa – die ohne Studium im Präsenzmodus ungültig sein könnten – sowie um ihre Karriere- und Zukunftspläne.

Ministerium und Handelskammer kalt erwischt

„Es gibt viel preiswertere Online-MBAs als die der Sacred Heart“, meint ein Studierender. „Der Entschluss, nach Luxemburg zu kommen, liegt an den Kontakten, die man hier knüpfen kann. Wir verstehen natürlich, dass eine Universität eine solche Entscheidung treffen kann – aber nicht, wie sie es handhabt.“ Die Studenten haben auch das Hochschulministerium und die US-Botschaft mit ihren Fragen konfrontiert – einige Lösungsansätze seien ihnen präsentiert worden. Aber: „Der Rest bleibt immer noch ungelöst und wir warten auf positive Antworten inmitten des ganzen Chaos.“ Auch der indische und der chinesische Botschafter – aus deren Ländern eine große Anzahl der Studenten stammt – sollen sich laut Informationen von Reporter.lu schon eingeschaltet haben.

Das Ministerium scheint die Nachricht über die Schließung jedoch ebenso unerwartet ereilt zu haben: „Am 17. Mai erhielt das Ministerium die Benachrichtigung per E-Mail. Unmittelbar danach hat Minister Claude Meisch einen Brief an den ‚Chair of the Board of Regents‘ und an den ‚Head of Campus‘ gerichtet, in dem er sein Bedauern über die Schließung ausdrückt“, heißt es von einem Sprecher auf Nachfrage von Reporter.lu. „Der Minister hat vor allem die Verantwortlichen dazu aufgefordert, Stellung zur Situation zu beziehen und ihn detailliert über die genauen Umstände und Konsequenzen zu informieren.“ Weiterhin präzisiert der Sprecher, dass das Hochschulministerium die Sacred Heart University nie subventioniert habe – dies, weil die MBAs keine luxemburgischen Diplome sind, sondern amerikanische Abschlüsse, die in Luxemburg anerkannt werden können.

Ihren Sitz hat die „Sacred Heart University“ im Gebäude der Handelskammer in Luxemburg-Kirchberg. Auch die Räume für die Vorlesungen mietete sie dort an. (Foto: Mike Zenari)

Der historische Partner der Sacred Heart University, die Handelskammer, wurde von der Entscheidung ebenfalls überrumpelt: „Wir haben es wie alle anderen aus einer E-Mail erfahren“, erklärt Muriel Morbé, CEO des „House of Training“ und Mitglied des „Board of Regents“ der Universität. Man habe zwar regelmäßig Kontakt mit den Verantwortlichen aus den USA gehabt, aber niemand habe sie auf so etwas vorbereitet: „Es ist schade, vor allem für die vielen guten Leute, die nach der Ausbildung in unseren Unternehmen eine Anstellung fanden“, bedauert Muriel Morbé.

Eine Million Euro Verluste

Über die wahren Gründe für die Schließung schweigt sich die 1963 gegründete katholische Mutter-Universität in den USA aus. In einer Stellungnahme an Reporter.lu ist die Rede von einem „digitalen Campus“, dessen Strategie in der Covid-Pandemie entstanden sei: „Wir finden, dies bietet eine besser rationalisierte und konsistentere globale Business-Ausbildung für unsere Studenten.“

Ob wirklich nur Covid-19 und das Entwickeln von Online-Kursen an der ebenso unerwarteten wie raschen Schließung schuld sind, ist jedoch fragwürdig. Die Sacred Heart University war nämlich nicht profitabel. Das legale Grundgerüst ist eine „Association sans but lucratif“. Die für eine Forschungseinrichtung doch sehr simpel gehaltenen Finanzberichte der Jahre 2007 bis 2019 offenbaren, dass in den meisten Jahren Verluste verzeichnet wurden. Insgesamt machte die luxemburgische Sacred Heart University über diese Zeitspanne etwa eine Million Euro Verluste.

Auch das Datum der Schließung ist kein Zufall. Am kommenden 30. Juni läuft nämlich auch die ministeriale Autorisierung der Uni aus. Der Hintergrund: Die Akkreditierung der Sacred Heart University bei der „Association to Advance Collegiate Schools of Business“ (AACSB) läuft genau an demselben Tag aus, wie das Ministerium bestätigt. Die AACSB ist eine in Florida ansässige Organisation, die weltweit Business-Schulen zertifiziert. Nur etwa fünf Prozent haben diese Akkreditierung. Diese ist in Luxemburg eine Bedingung dafür, dass die von der Sacred Heart University herausgegebenen Diplome hierzulande überhaupt anerkannt werden. So sieht es das entsprechende großherzogliche Dekret aus dem Jahr 2007 vor. Fragen von Reporter.lu zu diesen Umständen ließ die Sacred Heart University unbeantwortet. Auch die AACSB wollte den Sachverhalt nicht kommentieren.

Ein Stück luxemburgische Geschichte

„Wenn es darum geht, eine unbequeme Wahrheit auf den Tisch zu legen, werden die Leute eben immer ein bisschen feige – katholische Grundwerte hin oder her“, meint dazu Egide Thein im Gespräch mit Reporter.lu. Der „Lieutenant-Colonel“ der luxemburgischen Armee, ehemaliger Berater des damaligen Erbgroßherzogs Henri und ab 1989 Generalkonsul in New York und Direktor des Ausschusses für wirtschaftliche Entwicklung Luxemburgs, war einer der entscheidenden Akteure hinter der Entstehung der luxemburgischen Filiale der Sacred Heart University.

„Damals erhielt ich Besuch von hohen Verantwortlichen der Uni, die wissen wollten, ob es möglich sei, ihr MBA-Programm nach Luxemburg zu exportieren. Ich wusste, dass dies ein schwieriges Unterfangen werden würde, denn die Politik Luxemburgs vor 30 Jahren war es, keine Uni im eigenen Land zu wollen. Wir mussten uns also auf einige Widerstände einstellen“, erinnert sich Egide Thein.

Dennoch war er überzeugt davon, dass Luxemburg eine solche Uni nur guttun könnte. So suchte er sich Verbündete in Luxemburg und organisierte verschiedene Treffen: „Die Idee war es, bei den am wenigsten zurückhaltenden Organisationen anzufangen und sich dann hochzuarbeiten“, erklärt er. Von der Handelskammer über die Kirche, den Finanzplatz und die Industrie landete die Delegation schließlich im Unterrichtsministerium, das damals von Marc Fischbach (CSV) geleitet wurde.

Von der Anerkennung zum Abschied

1991 konnte die Sacred Heart University schließlich in Luxemburg Fuß fassen. Doch bis zur Anerkennung der Diplome im Jahr 2007 war es nochmal ein steiniger Weg. Seitdem war der Mentalitätswechsel in Luxemburg vollzogen. Großherzog Henri oder Politiker wie Luc Frieden (CSV), Xavier Bettel und Pierre Gramegna (beide DP) nahmen dankend Ehrendoktortitel entgegen, die Kontakte mit der Wirtschaft und dem Finanzplatz wurden enger.

Die Lücke, welche die Uni nun hinterlassen wird, ist umso schmerzhafter angesichts der Weigerung der Universitätsleitung, über die wahren Beweggründe Stellung zu beziehen und sich um die Studenten zu kümmern. Ein Rufschaden ist demnach unausweichlich. Hinzu kommt, wie Egide Thein es ausdrückt: „Wer nach einer solchen Entscheidung keine gute Krisenkommunikation auf die Beine stellen kann, muss in Kauf nehmen, dass dieses Vakuum mit Spekulationen gefüllt wird.“

Aber immerhin scheint sich die Sacred Heart University mittlerweile ein bisschen bewegt zu haben: In ihrer Stellungnahme an Reporter.lu ist von einem Studienkredit in Höhe von 40 Prozent die Rede, die sie den gegenwärtigen Studenten anbieten könne.


* Der Name wurde von der Redaktion geändert.