Nach 30 Jahren erhält das „Radio 100,7“ ein eigenes Gesetz. Eine entsprechende Vorlage über das „Média de service public 100,7“ wurde mit großer Mehrheit vom Parlament verabschiedet. Der Text setzt neue Richtlinien für Führungs- und Entscheidungsstrukturen fest, die dem bisherigen politischen Einfluss entgegensteuern sollen.
Dieser Schritt sei schon lange „überfällig“ gewesen, sagte die Abgeordnete Francine Closener (LSAP) während der Aussprache am vergangenen Mittwoch. Laut den Abgeordneten soll das Gesetz dem öffentlich-rechtlichen Radiosender mehr Unabhängigkeit und Planungssicherheit geben.
Konkret ist deshalb die Rolle des Generaldirektors definiert worden, der der Kontrolle des Verwaltungsrats unterliegt. So soll ein Eingreifen des Direktors in die inhaltliche Arbeit von Journalisten künftig vermieden werden. Auch der Verwaltungsrat gewinnt an Autonomie: Die Regierung wird fortan nur noch drei Mitglieder ernennen können. Die restlichen sechs, unter denen sich auch der Präsident des Aufsichtsgremiums befindet, werden vom Verwaltungsrat selbst vorgeschlagen.
Im Falle von Uneinigkeit soll der Verwaltungsrat Konflikte zwischen dem Generaldirektor und dem Chefredakteur schlichten. Ein von der Regierung ernannter Kommissar überwacht die Arbeit im Verwaltungsrat und besitzt zudem bei finanziellen Entscheidungen ein Mitbestimmungsrecht. Das jährliche Budget für den Radiosender wird weiterhin zwischen Staat und Verwaltungsrat in einer Konvention festgehalten.
Nach wie vor ist jedoch die Aufgabe des Chefredakteurs nicht klar festgelegt worden, was unter anderem die „Autorité luxembourgeoise indépendante de l’audiovisuel” (ALIA) sowie die „Chambre des Fonctionnaires et Employés Publics” schon zu Beginn des Jahres 2021 kritisierten. Kritik äußerte außerdem die CSV-Abgeordnete Diane Adehm: Das neue Gesetz gebe etwa keine genauen Vorgaben zu der Zusammensetzung und Zielsetzung eines Hörerrates – ein neues, aus dem Publikum des Senders bestehendes Gremium.
Während die ADR die Neutralität des Radiosenders infrage stellte und sich demnach bei der Abstimmung enthielt, merkte Sven Clément (Piraten) an, dass in puncto Unparteilichkeit vor allem eines feststehe: „Es werden immer noch nicht genug Frauen [als Interviewpartnerinnen] eingeladen.” Im Jahre 2021 lag die Zahl laut einer Recherche der Wochenzeitung „woxx“ bei nur 23,4 Prozent.
Der Generaldirektor des „Média de service public 100,7“, Jean-Lou Siweck, lobte die Verabschiedung des Gesetzes. Es handele sich um einen Text, der die Unabhängigkeit des Senders verbessere, seine Mission als „Média généraliste“ ausweite und die „Grundlage für eine digitale Zukunft“ lege, so der frühere Chefredakteur von „Tageblatt“ und „Luxemburger Wort“ auf Twitter. (ME)


