Auto, Fernseher, Urlaub: Wer sich etwas leisten will und nicht genügend Geld hat, nimmt einen Kredit auf. Banken helfen gerne und werben teils mit offensivem Marketing für Konsumkredite. Die Aufklärung der Verbraucher über die möglichen Folgen bleibt oft auf der Strecke.

„Es ist natürlich Marketing“, sagt Charles Pletsch von der BCEE. Wer auf der Webseite der Staatsbank surft, dem fällt zwangsläufig eine große Anzeige ins Auge: „Sie haben eine größere Ausgabe geplant? Profitieren Sie ab Heute und noch bis zum 21. Oktober von einem besonders günstigen Zinssatz!“ Das nächste Auto, eine neue Uhr oder ein hübsches Sofa – egal welcher Kauf ansteht, der Kunde soll es sich leisten können. Konsumkredit sei Dank. Seinen Kreditvertrag muss er oft gar nicht mehr in der Bankfiliale abschließen. Das geht auch online, gemütlich von zu Hause.

Ähnlich macht es die Konkurrenz der „Spuerkeess“. „Das passende Darlehen für alle Ihre Projekte“, heißt es auf der Internetseite der BIL, „Sie planen Renovierungsarbeiten, möchten Ihre Wohnung neu einrichten oder ein neues Auto kaufen?“, fragt etwa die Banque Raiffeisen. Die Banken werben nach dem Motto, dass Wünsche wahr werden können. Alles, was es dafür braucht, ist das nötige Kleingeld.

Wir wollen unseren Kunden auch innovative Features bieten. Es ist natürlich praktisch für sie, wenn sie ihren Kredit von der Couch aus anfragen können.“
Charles Pletsch, BCEE

Damit der Kunde ausrechnen kann, wie viel Geld er zu welchem Zinssatz für seinen Wunsch von seiner Bank bekommt, wird er immer gleich auf der Internetseite zu einem Simulator geleitet. Der Zinssatz variiert dabei in der Regel zwischen 2,5 und 3 Prozent – je nach Bank. Eine allgemein gültige Grenze, wie hoch der Zinssatz sein kann, gibt es laut Gesetz nicht. Im Juli 2019 lag er im Schnitt bei 2,76 Prozent und ist laut Zentralbank leicht angestiegen.

Wie beim Online-Shopping

Hat der Kunde früher einen Kredit für eine Immobilie und ein Auto aufgenommen, werben Banken heute damit, ihm auch bei kleineren Investitionen finanziell unter die Arme zu greifen. Ein Vertrag ist schnell abgeschlossen. Der Konsument muss in den meisten Fällen dafür nicht einmal mehr zum Bankangestellten seines Vertrauens, sondern füllt die nötigen Formulare einfach online aus.

Das Prinzip ist wie beim Onlineshopping: Mit ein paar Klicks hat man in Minutenschnelle etwas „gekauft“. „Wir wollen unseren Kunden auch innovative Features bieten. Es ist natürlich praktisch für sie, wenn sie ihren Kredit von der Couch aus anfragen können“, sagt Charles Pletsch von der BCEE. Ein Umtausch wie beim Shopping im Netz ist jedoch nicht ohne Weiteres möglich. Steht der Vertrag, muss auch irgendwann das geliehene Geld zurückgezahlt werden.

Wer pro Monat ein Einkommen von 3.000 Euro hat, der sollte nach Abzug der Kredittilgungen noch wenigstens 2.000 Euro zum Leben haben.“Charles Pletsch, BCEE

Das alles ist gesetzlich erlaubt und im „Code de la Consommation“ festgehalten. Die Institute in Luxemburg würden strikte Kriterien anwenden und nur den Kunden einen Kredit gewähren, die ihn auch zurückzahlen können, sagt Charles Pletsch. „Wir versuchen konsequent Richtlinien bei der Vergabe einzuhalten. Der Kunde soll am Ende des Monats trotz seines Kredites ja noch genug zum Leben haben.“

„Wer pro Monat ein Einkommen von 3.000 Euro hat, der sollte nach Abzug der Kredittilgungen noch wenigstens 2.000 Euro zum Leben haben“, so der Experte. „Wenn wir einen Kreditantrag ablehnen, dann, um den Kunden vor sich selbst zu schützen.“ Will heißen: Ist das Risiko einer Überschuldung zu groß, gibt es kein Geld von der Bank.

„Autofestival“ lockt Kunden

Während im Ausland Kunden regelmäßig auf Kleinkredite oder Konsumkredite zurückgreifen, machen es die Kunden in Luxemburg vor allem für den Autokauf. „Wir schließen die meisten Konsumkredite während des Autofestivals ab“, sagt auch Romain Funk von der Banque Raiffeisen. Insgesamt machen Autokredite etwa drei Viertel der Konsumkredite in Luxemburg aus. Wer wie viel Geld bekommt, sei dabei von Dossier zu Dossier unterschiedlich – man würde aber immer genau kontrollieren, dass der Kunde das Geld auch zurückzahlen kann, so Romain Funk.

Eine Überschuldung basiert immer auf Krediten.“Christian Schumacher, Ligue Médico-Sociale

Die Vergabe sehen die Banken deshalb nicht als Problem. Immerhin gebe es gründliche Finanzchecks im Vorfeld, so das Credo der Institute. Kontrolliert wird unter anderem, wie hoch das Einkommen des Kunden ist, welche Kredite er abzuzahlen hat, wie hoch seine monatlichen Ausgaben sind.

Konsumkredite sind „gang und gäbe“, sagt Romain Funk. Im Schnitt beträgt der kleinste Kredit 5.000 Euro. Hinzu kommt, dass die Banken – beispielsweise während des Autofestivals – mit besonders niedrigen Zinssätzen locken. Das regt die Menschen dann nicht nur zum Autokauf, sondern auch zum Vertragsabschluss für einen Kredit bei ihrer Bank an. Und damit ist dem Institut der Kunde für die nächsten Jahre sicher.

Geld ausgeben statt sparen

Wer früher am Ende des Monats noch Geld übrig hatte, der konnte es zur Bank bringen und dort liegen lassen, wo es sich dank Verzinsung praktisch von selbst vermehrte. Diese Zeiten sind aber längst vorbei. Denn weder der Kunde noch die Bank haben etwas von Spareinlagen. Durch die niedrigen Zinsen oder gar Negativzinsen lässt sich für Banken kein Geld mehr mit dem Ersparten der Kunden machen. Zinserträge aus Darlehen lohnen sich da schon mehr.

Dass das Kredit-System in Luxemburg kein Problem ist, ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Luxemburgs Haushalte zählen laut der „Banque Centrale du Luxembourg“ zu den am höchsten verschuldeten in Europa. Seit dem Jahr 2000 steigt der private Schuldenberg an. 2017 waren 80 Prozent dieser Schulden an Immobilienkredite gekoppelt. Etwa 70 Prozent der Einwohner sind Hausbesitzer, der Rest mietet.

Das Problem dabei: Zum hohen Immobilienkredit kommt gegebenenfalls noch ein Autokredit oder ein Kleinkredit für andere Finanzierungen. Das Resultat: Der Bürger lebt zum größten Teil auf Pump. Die Gesamtverschuldung von Privatpersonen in Luxemburg wird auf 30 Milliarden Euro geschätzt.

Die Wurzel der Überschuldung

Was aber, wenn man kein Geld mehr hat? Dann wird aus dem Kunden ein Risikokunde. Doch auch an sie können die Banken noch Geld vergeben. Allerdings zu weniger attraktiven Bedingungen. Wer sich Geld bei der Bank leiht, um überhaupt noch über die Runden zu kommen, muss mit einem höheren Zinssatz auf seinem Kredit rechnen. Dann können schon mal fünf bis sieben Prozent anfallen.

Das zeigt aber: Auch wenn die Vergabe von Krediten alltäglich ist, besteht dennoch ein Risiko, dessen sich die Finanzinstitute bewusst sind. „Eine Überschuldung basiert immer auf Krediten“, sagt Christian Schumacher von der Beratungsstelle der „Ligue Médico-Sociale“. Finanzielle Probleme könne der Konsument schon mal durch nicht-bezahlte Rechnungen haben. Eine richtige Überschuldung habe aber immer mit größeren Summen – also der Rückzahlung eines Kredites zu tun.

„Ein Kredit ist an sich nichts Schlechtes“, sagt Schumacher. „Werbung dafür ist auch nichts Verwerfliches.“ Problematisch sei aber eine Ansammlung von mehreren Krediten. Und: „Früher gab die Bank während des Autofestivals einen Kredit aus, um ein Auto zu finanzieren. Der Kunde musste die Rechnung vorlegen. Heute gibt die Bank zwar immer noch Kredite während des Autofestivals aus. Ob der Kunde mit dem Geld auch wirklich ein Auto kauft, spielt aber nur noch selten eine Rolle.“

Laut Christian Schumacher bearbeitet seine Beratungsstelle pro Jahr 200 bis 250 neue Dossiers von verschuldeten Menschen. Bei „Inter-Actions“ sind es laut Christiane Scheffen 300 bis 350 im Jahr. „Und das ist nur die Oberfläche. Auf unserer Internetseite haben wir neun bis zehnmal so viele Klicks“, sagt sie. „Das zeigt, wie groß das Problem wirklich ist.“

Wenn die Kredithaie zuschnappen

Doch nicht jeder hat die Kraft, sich Hilfe zu suchen – und versucht es erst einmal lieber selbst. Das Problem dabei: Es macht die Sache oft noch schlimmer. Schulden machen, um Schulden zu begleichen, das ist einer der Wege in die Überschuldung. Doch wer Geld braucht und bei einer klassischen Luxemburger Bank abgelehnt wird, der wendet sich gerne an einen Kredithai, der meistens im Ausland registriert ist. Dort gibt es Bares ohne große Umstände, also gänzlich ohne kritische Untersuchung der persönlichen Finanzlage. Das Geld fließt meist innerhalb von 24 Stunden auf das Konto des Kunden.

Seine Opfer sind Menschen, die bereits tief verschuldet sind. Und jetzt wohl noch tiefer in die Schuldenfalle rutschen. Denn während Luxemburger Banken den Risikokunden skeptisch begegnen, verdienen die Kredithäuser bei 12 bis 15 Prozent Zinsen richtig viel Geld mit ihnen.

Geschützt wird der Verbraucher vor solchen Kredithaien nicht. Weil die Institute ihren Sitz nicht in Luxemburg haben, müssen sie sich auch nicht an die Luxemburger Vorgaben halten. Der Verhaltenskodex „Code à la Consommation“ schreibt nämlich genau vor, was bei Krediten zu beachten ist – und was die Banken bei entsprechender Werbung einhalten müssen.

Beispielweise muss der Verbraucher vor Vertragsabschluss unter anderem über den genauen Betrag des Kredits in Kenntnis gesetzt werden sowie über die Dauer des Vertrags. Verboten ist auch Werbung, die den Kunden anstiftet, einen Kredit abzuschließen, obwohl es ihm unmöglich ist, seine Schulden irgendwann zu begleichen. Oder dass ein Kredit die finanzielle Lage des Konsumenten verbessert. Kontrollen führt außerdem die CSSF durch.

Auch wenn die Methoden der Kredithaie nicht mit jenen der Banken zu vergleichen sind, gründen sie doch auf dem gleichen Gefühl: Dass der Kunde sich etwas leisten kann, für das ihm eigentlich das Geld fehlt.


Lesen Sie mehr zum Thema