Wenn die Wirtschaft schwächelt, sind sie oft die ersten Verlierer: Jugendliche sind auch in Luxemburg stark von steigender Arbeitslosigkeit betroffen. Seit dem Ende des Lockdowns verbessern sich zwar die Zahlen. Doch die Statistiken sind ohnehin mit Vorsicht zu genießen.

Die Situation konnte kaum schlechter sein. Nach dem ersten Lockdown erreichte die Jugendarbeitslosigkeit einen neuen Höchstwert. Etwa 26 Prozent der Unter-25-Jährigen waren in Luxemburg im Juni 2020 auf Arbeitssuche. Im Dezember fiel der Wert auf rund 22 Prozent und liegt somit auf dem Niveau der Nachwehen der Finanzkrise im Jahr 2014.

In Luxemburg gilt somit jeder fünfte Jugendliche unter 25 Jahren als arbeitslos. Dennoch findet die Zahl in der öffentlichen Debatte nur wenig Beachtung. Dabei ist die tatsächliche Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen kaum messbar – und demnach schwer zu bekämpfen. Der Grund liegt zum Teil in der Berechnungsformel, mit der die offiziellen Statistiken ermittelt werden.

Eine Frage der richtigen Methode

Laut den offiziellen Zahlen nimmt die Jugendarbeitslosigkeit seit Jahrzehnten kontinuierlich zu. Anfang der 1990er-Jahre lag der Wert noch bei 3,7 Prozent. Ein offensichtlicher Grund für den Anstieg ist die Tatsache, dass Jugendliche immer länger in der Schule bleiben oder studieren. Die Arbeitslosenquote wird nämlich berechnet, indem die Zahl der Arbeitsuchenden durch die Gesamtzahl der potenziell arbeitsfähigen Bevölkerung geteilt wird.

Im Fall der Jugendlichen heißt das: Studierende und Schüler werden in der Statistik nicht berücksichtigt. Sie werden weder zu den Arbeitsuchenden noch zu den potenziell Arbeitsfähigen gezählt. Das Resultat: Der Gesamtanteil an Jugendlichen, die als arbeitsfähig gelten, hat in den letzten Jahrzehnten abgenommen.

Die Statistik wird hierbei ein ungewolltes Opfer der länger werdenden Bildungswege. Forscher schlagen deshalb vor, den Anteil der Arbeitslosen in der Gesamtbevölkerung der Jugendlichen zu messen. „Dieser Wert liegt seit Jahren bei rund fünf Prozent, er ist also auf vergleichbarer Höhe wie die allgemeine Arbeitslosenquote“, sagt Hans Neumayr vom Luxemburger Statistikamt (Statec). Die europäische Statistikbehörde Eurostat berechnet den Wert etwa durch eine regelmäßig durchgeführte Umfrage.

Schüler und Studierende würden demnach in der Statistik nicht außen vor gelassen, sondern als Beschäftigte gezählt. Für die Berechnung der Arbeitslosenquote nach der vorgeschlagenen Methode ist die Referenzpopulation größer als bei den üblichen Statistiken zur Jugendarbeitslosigkeit. Die absolute Zahl der jungen Arbeitslosen wäre damit verhältnismäßig gering.

Bescheidene Bilanz des „Diplom +“

Die aktuelle Krise führt zudem dazu, dass Jugendliche über eine Ausbildung oder Studium versuchen, den Berufseinstieg gezielt zu verzögern. „Bereits vor zwölf Jahren konnten wir das bei der Finanzkrise feststellen“, sagt Jean Ries. Allerdings sei dies auch darauf zurückzuführen, dass Unternehmen sich mit Neueinstellungen zurzeit schwertun würden. Ein weiteres Ausbildungsjahr, womöglich mit Studienbeihilfen, schütze also vor möglicher Arbeitslosigkeit, so der Leiter der Statistikabteilung des Arbeitsamtes im Gespräch mit Reporter.lu.

Mit dem „Diplom +“ Angebot hat die Regierung im Herbst 2020 eine zusätzliche Maßnahme eingeführt, die den Übergang in die Arbeitswelt für Schüler fließender gestalten soll. Laut Bildungsministerium haben sich 143 Diplomierte für die verschiedenen Module eingeschrieben. Das Ziel des Programms sei es, die Jugendlichen auf die Arbeitswelt oder auf ein Studium vorzubereiten.

„Die Schüler haben aber ausreichend Zeit, sich während des Semesters für Arbeitsplätze zu bewerben oder ein Studium zu beginnen“, so die Erklärung aus dem Bildungsministerium. Jedoch hätten bis jetzt lediglich 22 Jugendliche dieses Sprungbrett erfolgreich nutzen können. Davon hätten zwölf einen Arbeitsplatz gefunden und vier ein Studium, Praktikum oder Volontariat begonnen. Diese bescheidene Bilanz nach rund drei Monaten veranschaulicht, wie verfahren die Lage zurzeit ist.

Älter, qualifizierter und länger auf Arbeitsuche

Eine weitere Folge der Bildungsexpansion ist jedoch auch, dass ein Diplom immer weniger vor Arbeitslosigkeit schützt. „Es gibt immer mehr Jugendliche mit einem Universitätsabschluss, die trotzdem in die Langzeitarbeitslosigkeit fallen. Diese riskieren erst sehr spät Fuß fassen zu können oder in die Prekarität zu rutschen“, sagt Patrick Thill, der am „Luxembourg Institute of Socio-Economic Reserach“ (LISER) zu Luxemburgs Arbeitsmarkt forscht.

Auch laut Jean Ries von der ADEM wächst der Anteil der 25 bis 29-jährigen Arbeitslosen tatsächlich etwas schneller als bei den Unter-25-Jährigen. „Zurzeit liegt die Erwerbslosigkeit bei den älteren Jugendlichen bei etwa 25 Prozent. In der jüngeren Kategorie sind es jedoch nur 19 Prozent“, so der ADEM-Mitarbeiter.

Die Jugendarbeitslosigkeit ist sehr anfällig für konjunkturelle Schwankungen.“Jean Ries, ADEM

Obwohl der Anteil der qualifizierten und somit auch älteren Jugendlichen unter den Arbeitslosen zunimmt, sind Schulabbrecher weiterhin am stärksten betroffen. Anfang 2019 besaß fast die Hälfte der jungen Arbeitslosen kein Diplom. Mittlerweile liegt der Anteil mit 40 Prozent gleichauf mit den Jugendlichen, die einen Sekundarschulabschluss besitzen.

Nach dem Lockdown waren es aber auch vor allem Schulabbrecher, die schnell wieder einen Arbeitsplatz fanden. Angesichts des andauernden Fachkräftemangels ist es eine auf den ersten Blick erstaunliche Entwicklung. Jean Ries erklärt dies mit der Wiederöffnung der Gaststätten, des Bau- und des Handelssektors. „In diesen Bereichen gibt es eher ein Angebot für unqualifizierte Arbeiter“, so der ADEM-Mitarbeiter. Die Arbeitsplätze, die während des Lockdowns verloren gingen, konnten demnach zum Teil – und phasenweise – wieder ersetzt werden.

Kein Angebot, keine Alternative

Vermittelt wurden die jungen Arbeitsuchenden über den „Contrat d‘initiation à l’emploi“ (CIE) und den „Contrat d’appui-emploi“ (CAE). In beiden Fällen übernimmt der Staat einen Teil der Lohnkosten für die Einstellung eines Jugendlichen. „Durch die Teilzeitarbeit sind die Einschreibungen nur leicht gestiegen, jedoch werden vor allem weniger Arbeitsplätze ausgeschrieben“, sagt Jean Ries von der ADEM.

Das Angebot einer staatlichen Subvention von Arbeitsplätzen hilft demnach wenig, wenn nicht genügend Arbeitsplätze zu besetzen sind. Seit Beginn der Krise wurden laut der ADEM etwa 20 Prozent weniger Berufseinführungsverträge abgeschlossen. Bei den staatlichen „CAE“ liegt der Einbruch bei rund fünf Prozent.

Allerdings kann das Arbeitsamt den Jugendlichen kaum Alternativen zu den beiden bewährten Verträgen anbieten. „Es handelt sich hier um Menschen, die eigentlich sofort auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen könnten. Unsere Weiterbildungen sind nicht für solche Profile ausgelegt“, so die Erklärung von Jean Ries. Auch könne die ADEM nur bedingt Weiterbildungen unter sanitären Auflagen anbieten. Für Unternehmen sei es zudem sinnlos, einen Jugendlichen auszubilden, wenn es danach keine Perspektive auf eine Festanstellung gäbe.

Luxemburg hat die Krise von 2010 eigentlich nie überwunden.“Patrick Thill, LISER

Dienen Praktika und Weiterbildungen demnach nur dazu, die Arbeitslosenzahlen künstlich zu senken? „Ich würde die Maßnahmen nicht als reine Kosmetik betrachten“, meint Patrick Thill. Sie bieten dem Jugendlichen die Möglichkeit, einen Beruf in der Praxis zu erleben, und beugen somit falschen Vorstellungen vor, so der Forscher. Das Zielpublikum sei ein anderes. In vielen Projekten verfolge man auch immer mehr einen ganzheitlichen Ansatz, um zuerst etwa persönliche Probleme der Jugendliche in den Griff zu bekommen, bevor sie auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden könnten, so der Forscher des LISER.

Allerdings ist die Wirksamkeit der Weiterbildungen kaum zu bewerten. Es gebe in Luxemburg keine konkreten Daten, wie häufig Jugendliche von einer Maßnahme in die andere übergehen, ohne je im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, heißt es sowohl vom Arbeitsamt als auch aus der Forschung.

Schwer abschätzbare Langzeitfolgen

Die gute Nachricht ist jedoch, dass seit dem Ende des Lockdowns im vergangenen Frühjahr die Nachfrage für Arbeitskräfte wieder leicht ansteigt. Allerdings dürfte einer der Gründe dafür sein, dass junge Arbeitnehmer während einer Rezession eher dazu bereit sind, Arbeitsplätze zu akzeptieren, die nicht ihrem Bildungsgrad entsprechen. Laut mehreren internationalen Studien wirkt dies sich zudem auch langfristig negativ auf die Entlohnung aus. Für die Betroffenen steigt auch das Risiko, in ihrer späteren Laufbahn erneut in die Arbeitslosigkeit zu fallen. In Luxemburg fehlt es allerdings an detaillierten Daten über die berufliche Laufbahn von früheren Arbeitslosen.

Für Jean Ries ist es demnach auch noch zu früh, um von einer „verlorenen Generation“ zu sprechen. „Die Jugendarbeitslosigkeit ist sehr anfällig für konjunkturelle Schwankungen“, so der Leiter der Statistikabteilung der ADEM. „Nimmt die Wirtschaft wieder Fahrt auf, werden junge Menschen die Ersten sein, die davon profitieren“, so Jean Ries.

Patrick Thill will allerdings nicht zu viel Optimismus verbreiten: „Wir wissen noch nicht, was kommt“, so der Forscher vom LISER. Noch habe man die Krise nicht überwunden und laufe Gefahr, nach einer ersten Erholung wieder über Jahre nur einen leichten Rückgang bei der Jugendarbeitslosigkeit zu erleben. Zudem weist Patrick Thill auf den Langzeittrend in den Statistiken seit der Finanzkrise hin. „Was die Jugendarbeitslosigkeit betrifft, hat Luxemburg die Krise von 2010 eigentlich nie überwunden“, so der Sozialwissenschaftler. Und Hans Neumayr vom Statec betont, dass sich „hinter den nackten Zahlen immer auch Schicksale von Jugendlichen verbergen, die auf Hilfe angewiesen sind“.