Zwei Luxemburger Investmentfonds kauften im Frühjahr 2020 belarussische Staatsanleihen – und finanzierten damit indirekt die Repression durch das autokratische Lukaschenko-Regime. Erst mit reichlich Verspätung wurden die Verbindungen gekappt.

„Was sich in Belarus abspielt, ist Staatsterrorismus“, sagte Außenminister Jean Asselborn damals und bezog sich dabei auf die Massenproteste in Belarus. Am 9. August 2020 fanden dort Präsidentschaftswahlen statt. Schon Monate zuvor berichteten Menschenrechtsaktivisten von willkürlichen Festnahmen und Übergriffen gegen Oppositionelle. Wiktar Babaryka, für viele der hoffnungsvollste Kandidat, der es wagte, sich gegen Alexander Lukaschenko aufzustellen, wurde im Juni 2020 festgenommen. Der ehemalige Manager der russischen „Belgazprombank“ wurde später zu 14 Jahren Haft verurteilt.

Trotzdem flossen im gleichen Monat rund 1,4 Milliarden Euro in die Kassen des Lukaschenko-Regimes. Der seit 1994 regierende Präsident hatte sich gerade wieder mit seinem Hauptgeldgeber Moskau überworfen und brauchte dringend Liquidität. Dabei konnte der Autokrat aus Minsk auf Hilfe aus dem Westen zählen. Eingefädelt hatte die Staatsanleihe die „Raiffeisen Bank International“ (RBI). Andere Partner waren etwa die „Société Générale“, die „Citibank“ oder die „Allianz“.

Der RBI wird von Oppositionellen vorgeworfen, dass sie das belarussische Regime von Alexander Lukaschenko wirtschaftlich unterstütze. Das in Wien ansässige Institut ist vor allem im Osten und Südosten Europas aktiv. 2003 erwarb RBI mit „Priorbank“ die größte Privatbank in Belarus.

„Union Investment Luxembourg“ beteiligt

Heikel ist dabei: Als die Staatsanleihe im Juni emittiert wurde, befanden sich schon einige belarussische Oppositionelle und kritische Journalisten im Gefängnis. Oder wie es Jean Asselborn ausdrücken würde: Der „Staatsterrorismus“ hatte längst begonnen. Noch heikler: Recherchen von Reporter.lu belegen, dass auch die Luxemburger Filiale der „Union Investment“ bei diesen Deals mitmischte.

Demnach hatte die „Union Investment Luxembourg“ mindestens zwei Fonds im Angebot, die 2020 auch auf Staatsanleihen aus Belarus setzen. Die Muttergesellschaft der „Union Investment“ ist der Luxemburger Ableger der deutschen „DZ Bank“. Diese gehört wiederum zu den „Volksbanken Raiffeisenbanken“, verpflichtet sich aber nach Eigenaussage einer „vermögenden Kundschaft“. „DZ Bank“ und „Raiffeisen Bank International“ bezeichnen sich als „Kooperationspartner“.

Die Staatsanleihe ist als Maßnahme zur Stabilisierung eines autokratischen Regimes anzusehen.“Christina Fabian, „ACAT Luxembourg“

Einer der beiden Fonds wird von „Union Investment“ im ersten Halbjahresbericht 2020 als „ein international ausgerichteter Rentenfonds“ beschrieben, der hauptsächlich in „Staatsanleihen, Anleihen von supranationalen Organisationen (und) Pfandbriefen“ investiert. Tatsächlich machen Staatsanleihen bei beiden Fonds den größten Anteil des Investitionsvolumens – zwischen 70 und 78 Prozent – aus. Zusammengerechnet beziffern sich die vom Großherzogtum aus getätigten Investitionen auf 2,5 Millionen Euro.

Der zweite Fonds ist ein „Emerging Markets Fund“ – ein Risikofonds, der mehr Profit verspricht als Anlagen, die in bereits industrialisierte Länder investieren. Und schnelleres Wachstum bedeutet mehr Profit, auch wenn die Risiken solcher Investitionen höher sein können sei es wegen politischer Instabilität, Korruption oder wirtschaftlicher Schwankungen. Der Respekt von Menschenrechten, Demokratie und Meinungsfreiheit spielt dabei so gut wie keine Rolle.

Belarussische Staatsanleihen sind nicht die einzigen, die in den Listen der „Union Investment“-Fonds auffallen. Die Fonds investieren auch auf den Philippinen, in China, Kasachstan, Aserbaidschan, Usbekistan sowie in die Steuerparadiese Kaimaninseln, die Britischen Jungferninseln und Panama.

Anleihen erst im Mai 2021 veräußert

Problematisch am Fall der belarussischen Anleihen ist aber, dass durch die Investitionen aus dem Westen diverse Staatskonzerne – und damit indirekt das Lukaschenko-Regime – finanziell unterstützt werden. Dabei gehe es um Unternehmen, die ihre Angestellten unterdrücken würden, behaupten belarussische Oppositionelle. Zudem würde die „Raiffeisen Bank International“ auf Anweisung der Autoritäten Geld von Konten belarussischer Dissidenten verschwinden lassen, damit diese keine Hilfe aus dem Ausland für medizinische und juristische Kostendeckung erhalten könnten.

Der „Koordinierungsrat Belarus“, auf Vorschlag der im Exil lebenden Präsidentschaftskandidatin Swjatlana Zichanouskaja gegründet, erhebt dabei vor allem gegen die „Raiffeisen Bank International“ schwere Vorwürfe. Doch Gleiches gilt im Prinzip auch für sonstige Akteure, die an der Transaktion beteiligt waren oder in belarussische Staatsanleihen investierten.

Auf die Anleihen für das Lukaschenko-Regime angesprochen, erklärt ein Pressesprecher des „Union Investment“-Mutterhauses in Frankfurt gegenüber Reporter.lu: „Union Investment hat im Mai 2021 sämtliche Bestände an Staatsanleihen der Republik Belarus aus Publikumsfonds veräußert. Diese waren im Juni 2020 vor den dortigen Präsidentschaftswahlen für konventionelle Investmentfonds erworben worden, die in Anleihen aus Schwellenländern investieren. Für die nachhaltigen Fonds waren Investments in Staatsanleihen von Belarus bereits zuvor ausgeschlossen.“

Stabilisierende „Blood Bonds“

Christina Fabian, Präsidentin der Menschenrechtsorganisation „ACAT Luxembourg“, kann diesen Argumenten wenig abgewinnen. „Dass die Anleihen vor den Wahlen gekauft worden sind, macht die Sache ja nicht besser. Im Gegenteil, Lukaschenkos Wirtschaft ging damals gerade den Bach runter. Die Staatsanleihe ist als Maßnahme zur Stabilisierung eines autokratischen Regimes anzusehen“, sagt sie im Interview mit Reporter.lu.

Hinzu kommt, dass „Union Investment“ die Anleihen erst mehr als fünf Monate nach den offiziellen EU-Sanktionen gegen Belarus verkaufte. Dabei waren die Anzeichen, dass Geschäfte mit dem autokratischen Regime problematisch sein könnten, schon weitaus früher sichtbar. Bereits 2011 verzichteten die „Deutsche Bank“ und „BNP Paribas“ ausdrücklich darauf, wirtschaftliche Beziehungen mit dem belarussischen Staat einzugehen.

Immerhin reagierte „Union Investment“ schneller als ihre Partner der RBI. Im September 2021 wurde die österreichische Bank von der NGO „BankTrack“ aus den Niederlanden angeprangert. In einem Brief an die „European Association of Co-Operative Banks“, die Dachorganisation der Genossenschaftsbanken, bezeichnen die Aktivisten die Staatsanleihen als „Blood Bonds“. Die Antwort der RBI: Man halte sich an die Sanktionen, die Staatsanleihen seien vor den Wahlen in die Wege geleitet worden und die Priorbank sei von den Autoritäten gezwungen worden, gewisse Konten von Oppositionellen zu schließen oder Überweisungen aus dem Ausland zu stornieren.

Zwar hatte die RBI bereits im Sommer angekündigt, ihre Aktivitäten in Belarus zu überdenken. Doch außer einiger weniger Einschränkungen bei der Zusammenarbeit mit der staatlichen „Belarusbank“ hat sich die Bank zu nichts verpflichtet.

Ruf nach mehr Regulierung

Lali Maisuradze, eine belarussische Dissidentin, die seit über einem Jahrzehnt in Luxemburg lebt, fordert dagegen ein stärkeres Bewusstsein für die Kontrolle von Geschäften mit dem Regime in Minsk: „Für mich muss es in Finanzzentren wie Luxemburg eine Korrelation geben zwischen der Anzahl der Fonds und denjenigen, die sie regulieren sollen. Überhaupt sollten die Regulierungen strikter sein und auf eine größere Bandbreite finanzieller Institutionen ausgeweitet werden“, sagt sie im Gespräch mit Reporter.lu.

Doch die Oppositionelle macht sich wenig Illusionen. Die Situation in ihrem Heimatland sei „sehr komplex“. Und: „Interventionen von außen haben nur einen limitierten Einfluss. Der Widerstand muss von innen kommen“, so Lali Maisuradze. Hinzu kommt, dass Lukaschenko seit Herbst 2021 die gesamte Zivilgesellschaft lahmgelegt hat. Im Oktober wurden die beiden letzten verbliebenen Nichtregierungsorganisationen, das belarussische „Helsinki-Komitee“ sowie der Verein „Zynavo“, vom Obersten Gerichtshof liquidiert. „Zynavo“ hatte etwa auf die mangelnde Versorgung der Bevölkerung und des Gesundheitspersonals während der Covid-19-Krise aufmerksam gemacht.

So sind viele kritische Stimmen mittlerweile verstummt. Des Weiteren haben die Krisen in Kasachstan und an der ukrainischen Grenze den Blick der Weltöffentlichkeit wieder weggelenkt von der Situation in Belarus. Damit zumindest die Öffentlichkeit in Luxemburg weiter auf dem Laufenden bleibt, was in dem Land vorgeht, plant „ACAT Luxembourg“ eine Kampagne über die anhaltende Repression in Belarus. In diesem Rahmen organisiert das „Institut Pierre Werner“ eine Begegnung mit Olga Shparaga, Autorin, Philosophin und Mitglied des Koordinationsrats Belarus.