Wer jemals als Mann mit einem Mann geschlafen hat, war in Luxemburg bisher von der Blut- und Plasmaspende ausgeschlossen. Das soll sich aber ändern. Denn homo- und bisexuelle Männer sollen bald spenden dürfen – wenn auch nur unter bestimmten Bedingungen. 

„Meine Absicht ist es, dass uns die Umsetzung bis Ende des Jahres gelingt“, sagt Michel Simonis. Dann könnten auch Männer Plasma spenden, die sexuelle Beziehungen mit Männern haben, so der Generaldirektor des Roten Kreuzes im Gespräch mit REPORTER: „Es ist eine Öffnung der Spende, mit der wir die Vorwürfe der Diskriminierung aus dem Weg räumen.“ Der Vorstand habe sich bereits dafür ausgesprochen.

Es ist eine große Entscheidung. Bisher waren Männer, die gleichgeschlechtlichen Sex hatten, in Luxemburg von der Blut- und Plasmaspende ausgeschlossen. Sie wurden durch ihre sexuellen Praktiken stigmatisiert. Denn es spielte nie eine Rolle, ob sie Safer Sex hatten oder gar einen festen Partner. Bei der Frage, ob sie spenden dürfen, lautete die Antwort immer kategorisch „Nein“.

Der Grund dafür: Sie werden wegen einer potenziell hohen HIV-Ansteckungsgefahr als Risikogruppe eingestuft. Auch bei anderen Infektionskrankheiten, wie Hepatitis C ist die Möglichkeit einer Ansteckung bei ihnen höher. Außerdem wird ihnen immer noch nachgesagt, häufiger den Sexualpartner zu wechseln als Heterosexuelle.

Diese Ausgrenzung soll nun ein Ende haben. Im Oktober sprach sich das Gesundheitsministerium bereits für eine Öffnung der Plasma-Spende für homo- und bisexuelle Männer aus. Jetzt werden diese Pläne beim Roten Kreuz konkret.

Plasma statt Blut: Eine Frage der Kontrolle

Die Entscheidung für eine Plasma- und gegen eine Blutspende lässt sich einfach erklären: Es ist eine Frage der Kontrolle. Plasma lässt sich länger konservieren und besser kontrollieren. Genauer gesagt, kann man es bis zu zwei Jahre einfrieren und zweimal prüfen. Blut hat hingegen nur ein kurzes Haltbarkeitsdatum.

„Nachdem eine Person ihr Plasma gespendet hat, wird bei ihr vor der nächsten Spende eine neue Analyse gemacht. Erst wenn auch die in Ordnung ist, wird das Plasma zur Spende freigegeben“, sagt Michel Simonis. „Die Sicherheit muss absolut gewährleistet sein.“

Wenn wir etwas umsetzen, dann auch richtig und wohl überlegt. Es soll auch denen Menschen Respekt zollen, die sich freiwillig für die Blutspende engagieren.“Michel Simonis, Rotes Kreuz

Die Kontrollmechanismen dafür müssen aber erst noch eingerichtet werden. Will heißen: Die Computer und Geräte müssen neu programmiert, das Personal geschult und der Fragebogen für Patienten angepasst werden. „Es ist nicht so einfach, wie wir uns das vorgestellt haben“, so Michel Simonis. Der Zugang für Homo- und Bisexuelle ist aber nicht nur an eine technische Frage gekoppelt.

Wo fängt Diskriminierung an – wo hört sie auf?

In Deutschland und Belgien müssen Männer zwölf Monate auf Sex verzichten, um spenden zu können. In Großbritannien sind es nur vier Monate. Eine HIV-Infektion lässt sich heute innerhalb von etwa sechs Wochen im Blut nachweisen. In Luxemburg ist die Zeitspanne der Abstinenz noch nicht festgelegt. Fraglich ist aber, ob eine Person dazu bereit ist, ein Jahr lang abstinent zu leben, nur um am Ende spenden zu können.

Dessen ist man sich auch beim Roten Kreuz bewusst. Man sei dabei zu untersuchen, wie weit man die Dauer reduzieren kann, so Michel Simonis. Eine einjährige Frist wie in Deutschland ist für ihn nicht akzeptabel: „Das fällt für mich auch unter Diskriminierung.“

Andererseits wolle man die Zugangskriterien nicht einfach lockern, nur um dem Vorwurf der Diskriminierung zu entgehen. „Eine Person Blut spenden zu lassen, das später im Mülleimer landet, nur damit niemand diskriminiert wird, kommt für mich nicht infrage“, sagt er. „Wenn wir etwas umsetzen, dann auch richtig und wohl überlegt. Es soll auch denen Menschen Respekt zollen, die sich freiwillig für die Blutspende engagieren.“

Eine Frage der Versicherung

Die Einstellung des Roten Kreuzes scheint sich dabei in jüngster Vergangenheit geändert zu haben. Dass Schwule und bisexuelle Männer in Luxemburg durch den Ausschluss von der Blutspende bis heute diskriminiert werden, wollte die Vereinigung bisher nicht gelten lassen.

Noch vor ein paar Monaten sagte Dr. Anne Schumacher zur Exklusion von Männern, die sexuelle Beziehungen mit Männern haben: „Es ist keine Diskriminierung, weil die Blutspende kein Recht ist. Es ist ein Zeichen der Solidarität und eine Geste der Selbstlosigkeit“. Jetzt scheint man offener zu sein.

Richtig ist, dass das Risiko aber weiterhin eine Rolle spielt. „Wir tun alles nach bestem Wissen und Gewissen“, sagt Michel Simonis. Seit 2016 hält ein Blutabnahme-Gerät bei Spendern deshalb auch kleinste Auffälligkeiten fest – sei es Kopfschmerzen während der Spende, Übelkeit oder ein Schwächegefühl. Jede Auffälligkeit wird festgehalten.

Wir machen unsere Arbeit gewissenhaft und sehen deshalb nicht ein, warum wir bei der Versicherungsfrage im Regen stehen gelassen werden. Der Staat soll seine Verantwortung übernehmen.“Michel Simonis, Rotes Kreuz

Das Risiko bleibt natürlich dennoch bestehen. Es könnte sogar steigen. Und je offener das System, desto höher wird dieses. Doch wer übernimmt dann die Verantwortung? Sie würde wohl am Ende beim Roten Kreuz liegen.

Die Vereinigung deckt sich aktuell durch einen Luxemburger Privatversicherer gegen alle Eventualitäten ab. Die Höhe der Versicherungssumme: 10 Millionen Euro. Die Vereinigung plant, auf 25 Millionen Euro zu erhöhen, und sucht im Ausland nach einer Zusatzversicherung. Das Luxemburger Versicherungsunternehmen spielt bei dieser Summe nicht mehr mit.

„Das alles hat allerdings nichts mit der Öffnung für Männer zu tun, die gleichgeschlechtlichen Geschlechtsverkehr haben“, versichert Michel Simonis.

„Wir machen Druck“

Beim Thema Versicherung liegt das Problem ganz woanders. Und vor allem liegt es bereits gut 15 Jahre zurück. Seitdem diskutieren das Rote Kreuz und die Politik über die Einrichtung eines öffentlichen Fonds. Schon die ehemaligen Gesundheitsminister Mars Di Bartolomeo und Lydia Mutsch (beide LSAP) haben sich dafür ausgesprochen. Auch in den Koalitionsverträgen von 2013 und 2018 war von einem „Entschädigungsfonds des therapeutischen Risikos“ die Rede.

Das Dossier wird aktuell in der Gesundheitskommission des Parlaments diskutiert. Mehr aber auch nicht. Dort ist es jetzt gelandet, weil das Rote Kreuz sich mit seiner Forderung nach einem Fonds direkt an den Parlamentspräsidenten Fernand Etgen gewandt hat.

„Wir machen klar Druck“, sagt Michel Simonis. „Wir machen unsere Arbeit gewissenhaft und sehen deshalb nicht ein, warum wir bei der Versicherungsfrage im Regen stehen gelassen werden. Der Staat soll seine Verantwortung übernehmen.“

Klare Worte. Für den Präsidenten steht fest, dass das Rote Kreuz für die Sicherheit des Spenders und die Qualität der Blutprodukte einsteht. Doch, was wenn ein Patient, der eine Bluttransfusion bekommt, Probleme aufweist oder gar krank wird? Wer ist dann verantwortlich? Der Arzt, der den Patienten betreut? Das Krankenhaus, in dem der Patient sich befindet? Das Rote Kreuz, das das Blut liefert? Oder gar der Spender?

In anderen Ländern gibt es bereits öffentliche Fonds, die im Fall der Fälle für den Schaden zahlen. Diese wurden dort allerdings erst eingerichtet, als es zu spät war. Beispielsweise wurde in Frankreich ein Fonds gegründet, nachdem sich viele Patienten mit Hepatitis C angesteckt hatten.

Von den Spenden profitieren immerhin all diejenigen, die auf eine Transfusion angewiesen sind – und die öffentlichen Krankenhäuser. Die Blutspende ist somit nicht nur ein Zeichen der Solidarität, sondern auch ein Dienst für die Allgemeinheit.

Wer zahlt, wenn etwas schiefgeht?

Beim „Fonds d’Indemnisation“ ist das Problem ein finanzielles – und bei der Frage, wer zahlt, lässt die Antwort in der Regel auf sich warten. „Das Geld muss irgendwo herkommen“, sagt Michel Simonis. „Und in Luxemburg wird das Gesundheitswesen zu einem Großteil von der CNS bezahlt.“ Doch auch das Gesundheitsministerium sei involviert – sowie die Krankenhäuser und Ärzte. „Das macht das Thema nicht gerade einfach“, sagt Michel Simonis.

Glaubt man den beiden letzten Koalitionsverträgen, will die Politik zwar einen Fonds einrichten. Scheinbar weiß aber niemand so richtig wie. Doch für das Rote Kreuz wird die Zeit knapper. Eine Legislaturperiode ist um, die jetzige ist längst angebrochen. Jetzt kommt erst einmal eine neue Gesundheitsministerin – und damit auch wieder eine neue Ansprechpartnerin.