In Luxemburg dürfen homosexuelle Männer kein Blut spenden, weil sie als Risikogruppe eingestuft werden. Während andere Länder ihre Bestimmungen in den vergangenen Jahren lockerten, hat sich hierzulande nichts getan. Hinter den Kulissen laufen aber die Gespräche. 

„Retten Sie ein Leben: Werden Sie Blutspender“, heißt es auf der Webseite des luxemburgischen Roten Kreuzes. Sein eigenes Blut spenden, um anderen zu helfen – dazu werden die Menschen animiert. Es ist eigentlich eine positive Botschaft. Doch dieser Aufruf richtet sich nicht an jeden.

In Luxemburg sind Männer, die gleichgeschlechtlichen Sex haben, nach wie vor von der Blutspende ausgeschlossen. Der Grund dafür: Sie werden wegen einer potenziellen HIV-Ansteckung als Risikogruppe angesehen. Außerdem wird ihnen nachgesagt, häufiger den Sexualpartner zu wechseln als Heterosexuelle.

Doch es geht auch anders: Länder wie Belgien, Frankreich und Deutschland haben es vorgemacht – dort können homo- und bisexuelle Männer Blut spenden, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen. Je nach Land müssen sie drei bis zwölf Monate auf Sex verzichten und eine ausführliche Befragung durch einen Arzt über sich ergehen lassen, um für eine Spende infrage zu kommen.

Auch in Luxemburg hat es in den vergangenen Jahren immer wieder Diskussionen gegeben, um homo- und bisexuellen Männern den Zugang zu ermöglichen. Sowohl der ehemalige Gesundheitsminister Mars di Bartolomeo, als auch seine Nachfolgerin Lydia Mutsch (beide LSAP) führten während ihrer Amtszeit Gespräche mit dem Roten Kreuz über eine mögliche Lockerung der Bestimmungen. Die sind immer im Sand verlaufen – bis heute.

2022 als mögliches Stichdatum

Nun scheint sich etwas zu bewegen, wenn auch schleppend. Der neue Gesundheitsminister Etienne Schneider (LSAP) hat das Thema wieder auf die Tagesordnung gebracht.„Eine Arbeitsgruppe ist dabei, die Kriterien zur Blutspende zu überarbeiten. Sie hat auch die Entwicklungen im Ausland im Blick“, bestätigt Anne Schuhmacher im Gespräch mit REPORTER. Sie ist medizinische Leiterin des Blutspendedienstes des Roten Kreuzes – also jener Organisation, die sich in Luxemburg um die Blutspenden kümmert.

Für uns ist ausschlaggebend, dass im Fragebogen, der vor der Blutspende ausgefüllt wird, nicht mehr nach der sexuellen Orientierung gefragt wird.“Carole Devaux, Nationales HIV-Komitee

Carole Devaux, Präsidentin des nationalen HIV-Komitees, bestätigt die Gespräche. Das Komitee kam noch am Vortag zusammen und will sich offiziell für eine Änderung in Luxemburg aussprechen. Die Entscheidung liegt aber letztlich beim Roten Kreuz.

„Für uns ist ausschlaggebend, dass im Fragebogen, der vor der Blutspende ausgefüllt wird, nicht mehr nach der sexuellen Orientierung gefragt wird“, so Carole Devaux. „Dann wären Homo- und Bisexuelle nicht mehr ausgeschlossen. Auch sie können in einer stabilen Partnerschaft leben und sind somit keine Risiko-Personen.“ Geht es nach Devaux soll stattdessen künftig nach dem Risikoverhalten gefragt werden – beispielsweise danach, wie man sich vor Infektionskrankheiten schützt.

Mit einer Änderung rechnet sie nicht vor 2022. Sie führt das Beispiel Frankreichs an.“Dort wird die Frist für Männer zwar bereits im Februar 2020 von zwölf auf vier Monate reduziert. Aber erst 2022 wird auch der Fragebogen angepasst. Dann wird in Frankreich die Frage nach der sexuellen Orientierung gestrichen.“ Sie glaubt, dass man hierzulande erst die Entwicklungen im Nachbarland beobachten will.

Das Land will seine Reglung anpassen, weil französische LGBTQ-Organisationen die 12-Monats-Frist sowie die Frage nach der sexuellen Orientierung als Diskriminierung für Schwule empfinden. Vor allem deshalb, weil sich bereits innerhalb von drei bis vier Monaten feststellen lässt, ob man das HIV-Virus in sich trägt. Die zwölf Monate Enthaltsamkeit, die aktuell vorgesehen sind, seien somit eher eine Schikane als eine Sicherheitsmaßnahme.

Veraltetes Homosexuellen-Bild

Dass Schwule und bisexuelle Männer in Luxemburg durch den Ausschluss von der Blutspende bis heute diskriminiert werden, will Anne Schuhmacher allerdings nicht gelten lassen. „Es ist keine Diskriminierung, weil die Blutspende kein Recht ist. Es ist ein Zeichen der Solidarität und eine Geste der Selbstlosigkeit“, sagt sie. Die Medizinerin beharrt auf internationalen Statistiken, nach denen Homo- und bisexuelle Männer eine Risikogruppe sind, weil sie statistisch gesehen häufiger den Sexualpartner wechseln würden.

Für uns ist es längst eine Selbstverständlichkeit, dass auch homosexuelle Männer Blut spenden dürfen.“Laurent Boquet, Rosa Lëtzebuerg

Zudem relativiert Anne Schuhmacher: Auch andere würden ausgeschlossen werden. Etwa, wer auf einer Auslandsreise in Länder mit einem erhöhten Infektionsrisiko für Krankheiten wie beispielsweise Malaria war, darf zeitweise nicht spenden. Ebenso Menschen, die sich ein Piercing oder ein Tattoo haben stechen lassen.

Aktivisten lassen dieses Argument nicht gelten. „Wir finden es falsch, im Jahr 2019 immer noch vorauszusetzen, dass Homosexuelle den Sexpartner häufiger wechseln als Heterosexuelle. Das Bild des sprunghaften Homosexuellen hat heute keinen Platz mehr in unserer Gesellschaft“, sagt Laurent Boquet von der LGBTQ-Organisation „Rosa Letzebuerg“. Homosexuelle würden genauso in monogamen Beziehungen leben, heiraten und Kinder kriegen wie Heterosexuelle.

Fest steht: Mit 43 HIV-Infizierungen im Jahr 2018 ist die Zahl in Luxemburg so tief wie seit 2013 nicht mehr. Die Zahl der Neuinfizierungen ist bei Heterosexuellen außerdem fast exakt so hoch wie bei Homosexuellen.

Plasma statt Blut spenden

„Die Sicherheit des Patienten hat Priorität“, heißt es zunächst in einem Schreiben aus dem Gesundheitsministerium an REPORTER. Aber auch: „Man muss das Prinzip der Nicht-Diskriminierung respektieren.“ Das Ministerium sieht den Ausschluss folglich, anders als das Rote Kreuz, als diskriminierend an. Aktuell arbeite man zusammen mit der Organisation daran, beide Aspekte „unter einen Hut zu bekommen.“

Foto: Rotes Kreuz
Alle Spenden werden beim Roten Kreuz anonymisiert. (Foto: Rotes Kreuz)

Wahrscheinlicher als eine reine Blutspende ist wohl die Option einer Plasma-Spende für Homo- und Bisexuelle. So wie es bereits in Belgien der Fall ist. Im Gegenteil zu den Blutkörperchen besteht dabei kein Infektionsrisiko. Auch das Gesundheitsministerium spricht in seinem Schreiben von einer möglichen „Erweiterung der Plasma-Spende“.

Laut Anne Schuhmacher kann mit der Plasma-Spende eine zusätzliche Sicherheit gegenüber einer Vollblutspende erlangt werden – dafür müssten aber auch erst einmal das entsprechende System und die Apparaturen angepasst werden. Denn bei der Plasma-Spende wird dem Spender automatisch das Plasma durch einen Apparat entzogen und ihm sein Blut dann wieder zugeführt.

Eine Frage der Verantwortung

Doch obwohl Luxemburg auf der internationalen Bühne gerne eine Vorreiterrolle einnimmt, tut es sich mit diesem Dossier schwer. Das Dossier liegt wieder auf den Schreibtischen von Politik und Akteuren des Gesundheitssektors, doch die Zurückhaltung überwiegt.

Für Anne Schuhmacher hat das aber einen Grund: „Wir wollen kein Risiko eingehen“, sagt sie. „Andere Länder können auf viel größere Datensätze für ihre Analysen zurückgreifen und somit aussagekräftige Statistiken aufstellen und eine bessere Übersicht über die Risiken bekommen.“ In einem kleinen Land wie Luxemburg sei das hingegen schwierig.

Für uns ist aber am wichtigsten, dass die Produkte so sicher sind, dass erst gar keine Probleme oder Risiken für den Patienten entstehen.“Vincent Ruck, Rotes Kreuz

Dass die Gespräche bisher immer wieder im Sand verlaufen sind, liegt dabei aber nicht nur an den fehlenden Statistiken. Es ist auch an die Frage der Verantwortung gebunden.

Denn wer würde dafür aufkommen, wenn sich tatsächlich ein Patient durch eine Bluttransfusion anstecken würde? Übernimmt dann der Staat die Verantwortung – oder steht das Rote Kreuz alleine mit dem Problem da? Auf die Frage liefern die Verantwortlichen der Organisation keine klare Antwort.

Eine Frage des Geldes

Wie REPORTER erfahren hat, haben das Rote Kreuz und das Gesundheitsministerium bereits vor Jahren gemeinsam an der Entstehung eines öffentlichen Fonds gearbeitet. Im Falle des Falles wäre das Rote Kreuz dann finanziell abgesichert gewesen. Ein solcher Fonds wurde aber nie eingerichtet. Auch in den beiden Regierungsprogrammen von Blau-Rot-Grün ist zwar die Rede von einem staatlichen Fonds für Patienten. Umgesetzt wurde dieser bisher aber nicht.

Aktuell deckt sich das Rote Kreuz durch eine private Haftpflichtversicherung gegen Eventualitäten ab. „Für uns ist aber am wichtigsten, dass die Produkte so sicher sind, dass erst gar keine Probleme oder Risiken für den Patienten entstehen“, sagt der Sprecher der Croix-Rouge, Vincent Ruck.

Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es allerdings nie. Die Angaben, die die Spender machen, können kaum überprüft werden. Das Ausfüllen des Fragebogens basiert auf Vertrauen. Und am Ende liegt die Verantwortung beim Arzt des Roten Kreuzes, beziehungsweise der Organisation selbst. Sie muss geradestehen und zahlen, wenn etwas schief geht. Der Druck ist demnach groß.

Würde einem Fonds eingerichtet, wäre auch das Rote Kreuz wohl offener für eine Zulassung. Die Organisation lässt durchblicken, dass man mit der Entscheidung einer Zulassung nicht unter Zeitdruck steht – auch, wenn andere Länder Luxemburg längst voraus sind. Für die Betroffenen ist der Status Quo in Luxemburg dennoch ein Problem: „Für uns ist es längst eine Selbstverständlichkeit, dass auch homosexuelle Männer Blut spenden dürfen“, so Laurent Boquet. „Irgendwann ist man es einfach leid, immer wieder das Gleiche einzufordern.“