Die Polizeireform von 2018 verstößt gegen die Verfassung. Dies geht aus der Antwort auf eine juristische Vorabfrage des Verfassungsgerichtshofs vom 9. Dezember hervor. Konkret verstoße die aktuelle Rechtslage gegen den Gleichheitsgrundsatz in Artikel 10bis. Demnach sind alle Bürger vor dem Gesetz gleich. Doch die Laufbahnregelungen bei der Polizei seien in ihrer aktuellen Form nicht mit diesem Prinzip vereinbar, stellen die Verfassungshüter fest.
Der Hintergrund: Die vom damaligen Minister für innere Sicherheit, Etienne Schneider (LSAP), verabschiedete Reform sieht neue Karrieremöglichkeiten bei der Polizei vor. So wurde unter anderem die Besoldungsstufe B1 eingeführt. Die neue Laufbahn soll es Kandidaten mit einem Sekundarabschluss erlauben, ihr Diplom im Polizeidienst honoriert zu bekommen. Zuvor wurden Polizeianwärter, auch wenn sie über einen Sekundarschulabschluss verfügen, in den unteren Dienst mit dem Grad C1 eingestuft.
Das Problem: Eine automatische Eingliederung jener Beamten, die zwar einen Sekundarschulabschluss vorweisen, jedoch vor der Reform ihren Dienst antraten, fand nicht statt. Das aktuelle Gesetz sieht lediglich für alle Beamten im Dienstgrad C1 einen Expressweg vor, der ihnen einen Aufstieg in den Grad B1 ermöglicht. Jedoch spielt dabei der Schulabschluss nur eine untergeordnete Rolle. Ausschlaggebend ist vor allem das Dienstalter. Zudem ist die Aufstiegsmöglichkeit auf 20 Prozent der betroffenen Beamten begrenzt.
Es ist diese Praxis, die die Richter in ihrem jetzigen Urteil als verfassungswidrig ansehen. Denn, so die Begründung des Gerichts, mit der aktuellen Expresswegregelung würde eine Gleichbehandlung von zwei grundverschiedenen Ausgangssituationen erzwungen.
Demnach können Beamte, ohne den eigentlich nötigen Abschluss ebenso aufrücken wie jene, die eigentlich über den für die höhere Laufbahn nötigen Abschluss verfügen. Dass dabei vor allem das Dienstalter entscheide, sei juristisch schlicht inkohärent. Zumal jenen Beamten mit Sekundarschulabschluss keine Möglichkeit geboten werde, automatisch in einen ihrem Diplom entsprechenden Dienstgrad aufzusteigen. Diese Praxis sei, laut Verfassungsgerichtshof, „ni rationnellement justifiée, ni adéquate, ni encore proportionnée au but poursuivi.“
Die Einschätzung des höchsten Gerichts dürfte indes Folgen haben. Denn die juristische Vorabfrage geht auf eine Klage vor dem Verwaltungsgerichtshof zurück. Dort läuft aktuell ein Verfahren eines Polizeibeamten gegen die neue Laufbahnregelung. Insgesamt haben seit der Reform rund 120 Beamte Klage gegen die neue Regelung eingereicht. Im Dezember 2021 hatte ein erstes Urteil des Verfassungsgerichtshofs noch für Ernüchterung bei den Betroffenen gesorgt. Das neueste Urteil aber könnte eine Wende bringen.
Der aktuelle Ressortminister, Henri Kox (Déi Gréng), hat sich bisher vehement gegen eine Reform der Reform ausgesprochen. Eine automatische Eingliederung der betroffenen Beamten in die Besoldungsstufe B1 sei nicht vorgesehen, so das Ministerium noch vor einem Jahr gegenüber Reporter.lu. Die Begründung damals: Das Ministerium habe durch eine „großzügige Auslegung“ des Expresswegs bereits ermöglicht, dass möglichst viele Beamte von der Besoldungsstufe B1 profitieren könnten. (PS)



