Europa müsse sich darauf vorbereiten, dass Russland die Lieferungen von Erdgas komplett einstelle, warnte Energieminister Claude Turmes (Déi Gréng) am Montag. Vergangene Woche hat der russische Konzern Gazprom erstmals auch die Lieferungen an westeuropäische Länder über die „Nordstream 1“-Pipeline stark gedrosselt. Die deutsche Regierung rief die Alarmstufe des Notfallplans aus. Luxemburg tauscht sich eng mit den belgischen Behörden in einer Gaskrisenkoordinierung aus. 2021 bezog Luxemburg knapp vier Fünftel des Erdgases über Belgien, die restliche Menge über Deutschland.

„Die Lage kann zu einem harten Winter für alle Luxemburger und Europäer insgesamt führen“, betonte Claude Turmes. Gas wird vor allem im Winter zum Heizen von Wohnungen und Häusern genutzt. Deshalb müssen im Sommer die Energieversorger ihre Gasspeicher füllen, um zwischen Januar und März auf Lieferengpässe vorbereitet zu sein. Durch die Drosselung von russischer Seite droht dies nun nicht ausreichend zu gelingen. Der EU-Ministerrat für Energie beschloss am Montag denn auch eine Verordnung, die vorschreibt, dass die Gasspeicher vor Winterbeginn zu 80 Prozent gefüllt sein müssen.

Luxemburg verfügt über keinen eigenen unterirdischen Gasspeicher, aber der Hauptversorger Encevo verfügt über eine Anlage in Rheinland-Pfalz, erklärte der Energieminister. Diese sei „gut gefüllt“. Die neue EU-Verordnung sieht vor, dass Länder ohne eigene Speicher 15 Prozent ihres jährlichen Gasverbrauchs im Ausland lagern. Die Encevo-Anlage erfülle diesen Anspruch, exakte Berechnungen stünden aber noch aus, so Claude Turmes. Die Luxemburger Gasversorger hätten ebenfalls bereits einen Großteil der für den Winter nötigen Mengen eingekauft.

Dennoch sei Energiesparen jetzt extrem wichtig, betonte der grüne Minister. Die Regierung plane eine große Kampagne nach dem Sommer. Auch die Energieunternehmen sollen ihre Kunden gezielt informieren. Mit dem Industrieverband Fedil gebe es erste Gespräche, wie Unternehmen ihre Produktion anpassen könnten. „Einsparungen in Höhe von zehn Prozent sind grundsätzlich möglich“, betonte der Minister. Durch Einsparungen soll die Stilllegung von Industriebetrieben im Winter verhindert werden. Claude Turmes warnte vor einer „gefährlichen Debatte“ darüber, welche Industrieproduktionen weniger Priorität hätten. Die Notfallpläne sehen vor, dass Haushalte und Infrastrukturen wie Krankenhäuser vorrangig beliefert werden.

Die Auswirkungen der russischen Drosselungen auf die Preise für die Endkunden könne man noch nicht einschätzen, sagte der Energieminister. Eine Neuauflage des „Energiedësch“ oder die Fortführung der Tripartite stehe deshalb nicht auf der Tagesordnung. Doch die Aussichten seien nicht rosig, betonte Claude Turmes: „In den nächsten zwei bis drei Jahren wird Energieknappheit uns beschäftigen.“ (LS)


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