Die Partei „Déi Konservativ“ bewegt sich seit ihrer Gründung an der Grenze zur Bedeutungslosigkeit. Auf dem jüngsten Parteitag will Präsident Joé Thein dennoch den Anschein eines ernstzunehmenden Politikers erwecken. Eine Annäherung an die Frage: Was soll das eigentlich?

Petingen, 10 Uhr. Der Scheitel sitzt. Joé Thein, Jungpolitiker und selbsternannter „Gemeinderat a.D.“, hat zum Parteitag von „Déi Konservativ“ geladen. Die Atmosphäre im Kulturzentrum „A Rousen“ an diesem Sonntagmorgen ist heimelig. Über die Musikanlage schallt französisches Chanson: Michel Orso singt in „Angélique“ über seine erste Liebe und den Frühling. Es gibt Filterkaffee aus der Thermoskanne und Gebäck.

Etwa 20 Leute haben sich an diesem Morgen versammelt, viele davon Freunde und Bekannte von Joé Thein. Mit dabei ist auch die Familie: Mutter Monique führt durch das Programm und stellt den Aktivitätsbericht der ASBL „Déi Konservativ“ vor – Highlight des zurückliegenden Jahres: die „Fräiheetsfiesta“ der Partei im Juli. Vater Patrick präsentiert als Kassenwart die Finanzen jener Partei, als deren Sitz das Familienhaus der Theins in Lamadelaine registriert ist. Das Engagement von beiden in der Partei hat etwas von Eltern, die das Hobby ihres Sohnes bedingungslos fördern, weil sie nur das Beste für ihr Kind wollen.

Für einen Außenstehenden hat die Veranstaltung an diesem unscheinbaren Sonntag im Frühherbst einen naiven, ja fast harmlosen Charme. Eher Familienfeier als Parteitag einer ernsthaften „konservativen Alternative“, wie Joé Thein seine Kleinstpartei gerne darstellt. Die Deko ist einheitlich in hellblau gehalten. Tische und Rednerpult sind mit künstlichen Lilien verziert.

Dass es sich bei der Versammlung um ein Parteievent handelt, erschließt sich erst durch die Details. Links neben dem Eingangsbereich steht ein kleiner Beistelltisch, der an einen kitschigen Wohnzimmeraltar erinnert. In dessen Mitte, das Porträt des vermeintlichen Vorbilds von Joé Thein, dem Vordenker des Konservatismus, Edmund Burke. Davor ein Kennzeichen vom Rummelplatz mit dem Aufdruck „Déi Konservativ“. Für fünf Euro gibt es Anstecknadeln mit dem Parteilogo, einem barocken „K“. Eine Banderole neben dem Rednerpult verspricht: „Mat Léift fir Lëtzebuerg“.

Kokettieren mit rechten Kampfbegriffen

Ihre Unschuld verliert die Veranstaltung aber spätestens beim Blick auf die Tagesordnung. Außer den parteipolitischen Pflichtübungen dominiert der Parteipräsident selbst das Programm. Neben der Parteibegrüßung sind ein „politisches Exposé“ und eine „Parteiried“ durch ihn angekündigt. Vollmundig verspricht die Tagesordnung: „De Joé Thein schwätzt!“ Über was genau der Vorsitzende von „Déi Konservativ“ an diesem Morgen sprechen will, erfährt man eine Zeile tiefer: „Lénkspopulismus, Migratiounskris, Klimaideologie, Coronadiktatur.“

Ech si lo véier Joer bäim Club dobäi, an ech si frou fir mam Club matzeschaffen.“Jean-Pierre Schouweiler, Mitglied „Déi Konservativ“

In seiner Begrüßungsrede versucht sich Joé Thein zunächst an traditionellen, konservativen Werten. Er zitiert in loser Reihenfolge George Orwell, Antoine de St. Exupéry und Arthur Schopenhauer. Sich selbst und seine Partei stilisiert er dabei als Opfer des öffentlichen Diskurses in Luxemburg und unterstellt den Massenmedien des Landes den bewussten Boykott seiner Organisation.

Deutlicher zu seinen Inhalten positioniert sich der Parteipräsident kurze Zeit später in einem rund 30-minütigen „Exposé“. Darin unterstellt er unter anderem Déi Gréng und der LSAP, eine „hippe, gepimpte“ Version des Kommunismus zu vertreten, die ein „geschlechtslost, eegeverhassten, frickfräit“ Menschenbild propagiere.

Derbe populistisch wird es dann auch beim Thema Migration. Die Partei sei zwar nicht per se gegen Einwanderung, doch „Déi Konservativ“ spreche sich gegen „Asylwahnsinn“ aus und fordere ein Ende der „Massenmigration“. Asylanträge dürften nur noch außerhalb der EU gestellt werden. Unter „Integration“ versteht die Partei unter anderem das Entwickeln eines Nationalbewusstseins sowie den obligatorischen Besuch von Kursen zur „patriotischen Bildung“.

Zwischen Programm und „Zuspitzungen“

Den Klimawandel leugnet Joé Thein zwar nicht, den menschengemachten Anteil daran jedoch ausdrücklich. Dieser sei ein „grüner Mythos“. Seine, für konservative Parteien nicht ganz originelle, These: Natürliche Temperaturschwankungen gab es schon immer. Man müsse dem Klimawandel „positiv“ begegnen und sich „anpassen“, so die Empfehlung von „Déi Konservativ“. „Mä bon, déi Eng, déi gleewen eben un d’Apokalyps, déi aner, genéissen dat gutt Summerwierder, a genéissen d’Natur“, erklärt Joé Thein seine Haltung.

Die Reaktionen im Publikum auf die Rede des Parteipräsidenten sind dabei eher verhalten. Ein Großteil der Anwesenden scheint die langen, hochtrabenden Ausführungen ihres Präsidenten eher über sich ergehen zu lassen, als sie wirklich bis ins Detail zu teilen. Wichtiger scheint, Teil von etwas zu sein, als zu wissen, wovon genau. Exemplarisch dafür steht die Begründung von Vorstandsmitglied Jean-Pierre Schouweiler für sein Engagement in der Partei: „Dir wësst, dass ech vun der Kiermes sinn. Ech si lo véier Joer bäim Club dobäi, an ech si frou fir mam Club matzeschaffen.“

Palais und Chamber dienen „Déi Konservativ“ als Zierrat. Dass die Partei jemals selbst den Einzug ins Parlament schafft, ist derzeit eher unwahrscheinlich. (Foto: Christian Peckels)

Fast so etwas wie Applaus erhält der Parteipräsident allerdings für seine Suada über „die grüne Politik“. Ein typischer Auszug aus der schriftlichen Fassung der Rede: „Gréng Politik steet nieft Ököterror, a Klimasozialismus, och na fir Massenawanderung, Asylbedruch, Aarbechtsplazafschafung, Wuelstandszerstéierung, Bëschrodung, Ëmweltsënnen, Bevirmondung, Verbuetspolitik, Veruerdnungen, Enteegnungem, Kontroll vum Privatliewen, Steiererhéijungen, Loyer a Kafpräisdéierrecht, Konsumdiktater, Flächeverbrauch, Spritpräiskris, Stroumpräisexplosiounen, Autohetz, Tempolimit, Elektrozwang, Vullemuerd, Insektevernichtung, Genderquatsch, Heemechtsfeindschaft, Plangwirtschaft.“

Auf die rechtspopulistischen Inhalte in seiner Rede angesprochen, relativiert Joé Thein im Gespräch mit Reporter.lu die eigenen Aussagen: „Das sind Zuspitzungen bei einer Parteitagsrede. Das ist doch Teil des politischen Geschäfts.“ Der Vorwurf, seine Partei sei rechtspopulistisch, sei auch Zeugnis eines „hypersensiblen“ öffentlichen Diskurses, sagt Joé Thein. Seiner Ansicht nach lebe die Demokratie auch vom direkten Streitgespräch. Die politische Nähe zur „Alternative für Deutschland“ (AfD) bestreitet der Parteipräsident hingegen nicht. Er unterhalte sowohl zur AfD als auch zu anderen konservativen Parteien im Ausland Kontakte.

Zu rechts und unberechenbar für die ADR

Die Geschichte von „Déi Konservativ“ – die Partei besteht seit fast fünf Jahren und hatte bei der Parteigründung rund 100 Mitglieder – ist auch die Erzählung des Niedergangs eines vermeintlichen Hoffnungsträgers der ADR. Joé Thein besuchte eigenen Aussagen zufolge mit 16 Jahren zum ersten Mal eine Veranstaltung der Alternativdemokraten. Davor sei er unschlüssig gewesen, ob eher die CSV oder die ADR seine politische Heimat werden sollte, so der mittlerweile 30-Jährige im Gespräch mit Reporter.lu. Schnell etabliert sich Joé Thein in der ADR und wird 2015 zum Vorsitzenden der Jungendorganisation „Adrenalin“ gewählt. Bereits damals flirtet der Politaspirant in seinen Reden, aber vor allem in den sozialen Medien mit rechtsextremen Inhalten.

Ich bin ein politischer Mensch und da ist es für mich selbstverständlich, mich politisch zu engagieren. Das entspricht einfach meinem Wesen.“Joé Thein, Präsident von „Déi Konservativ“

Zum Verhängnis wird Joé Thein 2017 ein Like auf Facebook. Ein Kommentator hatte Außenminister Jean Asselborn (LSAP) auf Facebook geraten, nicht in einem offenen Auto durch Dallas zu fahren. Joé Thein brachte mit einem Daumen-hoch seine Zustimmung zu dieser Aussage zum Ausdruck. In der Folge wurde er aus der ADR ausgeschlossen. Kurze Zeit später gründete er „Déi Konservativ“. Sein „Like“ von damals bereue er heute nicht, darauf besteht er.

Die Reaktion seiner damaligen Partei bezeichnet er hingegen als „eine billige Skandalisierung und einen Vorwand, um mich aus der Partei zu kriegen.“ Die ADR habe den parteiinternen, ideologischen Konkurrenzkampf mit ihm gefürchtet und sich auf diese Weise seiner entledigt, erklärt Joé Thein. Er stehe aber bis heute noch in engem Kontakt zu einigen ADR-Mitgliedern.

Kleinstpartei mit großen Plänen

Bei den Nationalwahlen 2018 stellten „Déi Konservativ“ lediglich im Süden eine Liste zur Wahl. Mit 9.516 Stimmen erreichte sie nur 0,27 Prozent der nationalen Wählerschaft. Traumatischer für die Partei waren jedoch die Gemeindewahlen ein Jahr zuvor. Mit 550 Stimmen konnte Parteipräsident Joé Thein seinen Sitz im Gemeinderat von Petingen nicht bestätigen und die Partei verlor ihr einziges demokratisches Mandat. Seitdem fristet sie ein Schattendasein.

Nicht nur konservativer Klimbim: Der Politiker und Philosoph Edmund Burke (Bildmitte) findet selbst in den Parteistatuten von „Déi Konservativ“ Erwähnung. (Foto: Christian Peckels)

Von der Wählergunst missachtet, von den Medien und auch von der politischen „Konkurrenz“ weitgehend ignoriert, stellt sich fast zwangsläufig die Frage: Warum tut er sich das an? Wieso überhaupt noch weitermachen? Joé Thein erklärt sein Engagement mit seiner Persönlichkeit: „Ich bin ein politischer Mensch und da ist es für mich selbstverständlich, mich politisch zu engagieren. Das entspricht einfach meinem Wesen. Schließlich habe ich mich bereits als Jugendlicher mit konservativen Werten beschäftigt.“ Sein Aktivismus gehe auch „über Parteipolitik hinaus“, sagt Joé Thein. Und außerdem: „Schauen Sie sich die Kommunisten an, die haben auch nur ein Paar Prozentpunkte und machen dennoch weiter.“

Spricht man Joé Thein auf seine politischen Ambitionen an, gibt sich der Parteipräsident dann aber doch bescheiden: „Wir arbeiten natürlich auf die Gemeindewahlen 2023 hin und werden versuchen, den Sitz im Petinger Gemeinderat zurückzuerobern.“ Chancen sieht Joé Thein vor allem in der Möglichkeit, dass die ADR keinen Kandidaten mehr aufstellen könne und er so die Stimmen der direkten Konkurrenz auffangen könne. Gleichzeitig verdeutlicht dieses Ziel, dass „Déi Konservativ“ letztlich ein Vehikel für Theins persönliches Engagement ist.

Im gleichen Jahr finden zudem Parlamentswahlen statt. Und auch wenn seine Partei beim letzten Urnengang landesweit politisches Schlusslicht war, erhofft sich Joé Thein eine Expansion: „Wir werden versuchen, neue Parteisektionen zu gründen. Im Moment planen wir eine Liste im Norden, aber das muss sich noch konkretisieren.“ Inwiefern der Parteichef selbst an seinen Erfolg glaubt, ist auch nach diesem Parteitag nicht mit letzter Sicherheit auszumachen.

Die Veranstaltung am Sonntag im Petinger Kulturzentrum endet nach fast drei Stunden erneut familiär. Die Parteispitze lädt zum „Parteimaufel“. Es geht in eine Pizzeria mit einem für eine Kleinstpartei nicht ganz unpassenden Namen: „Il Piccolino“.


Mehr zum Thema