Die Regierung hielt Booster-Impfungen für die breite Bevölkerung lange für unnötig. Jetzt droht der Impfstoff knapp zu werden. Ohne Auffrischungsimpfung für Hunderttausende wird Luxemburg die vierte Corona-Welle jedoch kaum brechen können.

Dienstag, 30. November, 17.50 Uhr: „Vielen Dank für Ihr Verständnis.“ Mit diesen Worten teilt eine Mitarbeiterin vor dem Pop-up-Impfzentrum in der hauptstädtischen Grand-Rue knapp einem Dutzend Menschen mit, dass sie heute nicht mehr geimpft werden können. Es ist kein Einzelfall: Lange Schlangen gibt es an diesem Tag auch in den Pop-ups in den Einkaufszentren und in den regulären Impfzentren.

Am Vortag hatten Premierminister Xavier Bettel (DP) und Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) angekündigt, dass sogenannte Booster-Impfungen ab sofort für Personen verfügbar seien, deren zweite „AstraZeneca“-Dosis mehr als vier Monate zurücklag. Damit erhöhte sich die Zahl der zu Impfenden auf einen Schlag um 42.000 Menschen, die sich ansonsten über einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen verteilt hätten, erklärte der „Haut commissaire à la protection nationale“, Luc Feller, gegenüber „RTL“. Die Regierung steuerte tags drauf mit der Ankündigung gegen, dass Boostern in den Impfzentren nur noch mit Termin möglich sei.

Das erratische Vorgehen ist symptomatisch für die Booster-Impfungen in Luxemburg. Irreführende Kommunikation, eine fragwürdige Einschätzung der epidemiologischen Lage und unklare Prozeduren führten dazu, dass die ohnehin schleppend verlaufende Impfkampagne zusätzlich unter Druck geriet. Der Strom an Impfwilligen sei mit den Boostern „unkontrollierbar“ geworden, warnte etwa der Hausarzt Jean-Paul Schwartz kürzlich bei „Radio 100,7“.

Die Fehleinschätzung im Spätsommer

Im Rückblick werden politische Versäumnisse offensichtlich. „Es ist kein Geheimnis, wir sind alle gewarnt, dass diese Pandemie noch nicht vorbei ist“, sagte die Gesundheitsministerin am 11. August. Gleichzeitig befand ihr wichtigster Beamter eine dritte Dosis für die allgemeine Bevölkerung für nicht unbedingt nötig. „Wir wissen, dass die Impfung sehr gut funktioniert, besonders bei jungen Menschen“, erklärte der Direktor der Gesundheitsbehörde, Jean-Claude Schmit. Es gebe nach wie vor wenig Infektionen bei vollständig Geimpften.

Im Dezember müsste es noch reichen (…). Wir wollen vermeiden, dass Menschen in die Impfzentren gehen, ohne, dass es dort Impfstoff gibt.“Xavier Bettel, Premierminister

Die Regierung ging im Sommer noch davon aus, dass im Herbst und Winter neben den Erstimpfungen nur eine sehr geringe Zahl an Auffrischungsimpfungen nötig sei. Letztere sollten Bewohner von Alten- und Pflegeheimen erhalten sowie Menschen mit einer Immunschwäche. Zudem deutete sich an, dass den 43.560 mit „Johnson&Johnson“ Geimpften eine zweite Dosis verabreicht werden müsste.

Etwa zur selben Zeit schlossen die Impfzentren in Kirchberg, Ettelbrück, Bad Mondorf und Findel ihre Tore. Zeitgleich begannen die Impfungen in den Haus- und Kinderarztpraxen. Wenige Wochen später arbeitete das Gesundheitsministerium an der Strategie, ab Mitte Oktober mobile Impfteams einzusetzen. Diese sollten wie in der frühen Impfkampagne in Altenheimen zum Einsatz kommen, aber vor allem Erstimpfungen ohne Termin ermöglichen. Doch die Strategie, auf Hausärzte und mobile Teams zu setzen, stellte sich schnell als unzureichend heraus …