Seit Beginn des Monats werden augenärztliche Notfälle in der Hauptstadt nur noch in den „Hôpitaux Robert Schuman“ behandelt. Eine ambivalente Gesetzeslage verschärft den Konflikt zwischen dem „Centre Hospitalier de Luxembourg“ und der Kirchberger Klinik. Die Patienten sind die Leidtragenden.

„An einem normalen Tag haben wir etwa zwei Patienten, die akut eine Behandlung benötigen. Am 13. Juli waren es 15“, sagt Dr. Jean Christoph Sablon. Der Augenarzt aus Esch behandelt mit seinem Praxiskollegen Dr. Olivier Henckes seit fast zwei Monaten doppelt so viele Notfälle wie üblich. „Da in den Sommermonaten weniger Arbeitsunfälle vorkommen, nehmen die Behandlungen akuter Fälle normalerweise ab, dieses Jahr bleiben die Zahlen jedoch gleich“, so der Arzt. Mehrere Augenärzte berichten im Gespräch mit REPORTER von ähnlichen Zuständen. Der Grund: Seit Beginn des Monats wird eine augenärztliche Notaufnahme in der Hauptstadt nur noch teilweise angeboten.

„Das CHL hat ohne Absprache beschlossen, solche Patienten abzulehnen“, erklärt Dr. Claude Schummer, Generaldirektor der „Hôpitaux Robert Schuman“ (HRS). Eigentlich soll seine Einrichtung gemeinsam mit dem „Centre Hospitalier de Luxembourg“ (CHL) abwechselnd eine Notaufnahme anbieten. Am Wochenende übernimmt stets nur eines der beiden Krankenhäuser den Dienst.

Seit dem 1. Juli will das CHL allerdings keine Patienten mit Augenbeschwerden mehr in der Notaufnahme behandeln. Sie werden trotz des Notdienstes an andere Krankenhäuser weitergeleitet oder gebeten, eine Praxis aufzusuchen – letztere sind am Wochenende allerdings nur bedingt geöffnet. Demnach suchen laut mehreren Quellen vermehrt Patienten mit akuten Beschwerden Montags eine Augenarzt-Praxis auf.

Nun ziehen auch die HRS die Notbremse. Das Kirchberger Krankenhaus will Patienten mit Augenbeschwerden nur noch während der Tage behandeln, an denen es auch den Notfalldienst hat. Die Folge ist: Im Zweifel müssen die Patienten bis zu zwei Tage warten.

Kliniken streiten um Verantwortung

„Zurzeit haben wir nichts dazu zu sagen“, heißt es von dem Büro der medizinischen Direktorin des CHL, Dr. Martine Georgen. Man wolle sich nicht zum Sachverhalt äußern, weil es sich um eine interne Angelegenheit der HRS handele. Die Ärztin bezieht sich auf die gesetzlichen Bestimmungen für die sogenannten „services nationaux“. Das Krankenhaus in Kirchberg übernimmt demnach seit 2019 die Rolle des „service national d’ophtalmologie spécialisée“. Das CHL sieht sich daher nicht mehr in der Verantwortung, eine augenärztliche Notaufnahme anzubieten.

„Die Betonung liegt auf spécialisé“, entgegnet HRS-Direktor Claude Schummer. Nichts würde andere Krankenhäuser davon abhalten, einen eigenen Augenheilkundedienst anzubieten. Als nationale Anlaufstelle könne der Kirchberg die schwierigeren Eingriffe und Operationen übernehmen, so Dr. Claude Schummer.

Diese Einschätzung wird allerdings nicht vom CHL geteilt. In einem Briefwechsel, der REPORTER vorliegt, beteuert Dr. Martine Georgen, dass das Krankenhaus keine Befugnis habe, eine eigene Augenheilkunde-Abteilung anzubieten. Der Notarzt könne lediglich die Primärbehandlung am Auge durchführen und den Patienten anschließend an den „service national“ weiterleiten.

Unklare Gesetzeslage verschärft Konflikt

Während die HRS auf die allgemeine Praxis verweist, handelt das CHL innerhalb einer ambivalenten Gesetzeslage. Diese sollte eigentlich Klarheit schaffen und dafür sorgen, das Gesundheitssystem effizienter zu gestalten. Demnach sollen bestimmte Fachärzte nur noch in einem der vier großen Krankenhäuser des Landes dauerhaft in Bereitschaft sein – darunter auch die „Ophtalmologie spécialisée“. Trotz des Konzepts der „services nationaux“ erlaubt das Gesetz in manchen Bereichen, wie etwa der Pädiatrie oder Schönheitschirurgie, die Dienstleistung in allen Krankenhäusern anzubieten. Für die Augenheilkunde wurde diese Möglichkeit nicht vorgesehen.

Dennoch steht es den Krankenhäusern zu, Kollaborationen mit dem nationalen Dienstleister einzugehen. Bereits im Oktober 2018 wurde erstmals über eine solche Option in der ständigen Kommission des Gesundheitssektors diskutiert. Damals bekräftigte Dr. Claude Schummer noch, dass in den Bereichen, in denen mehrere Krankenhäuser einen Antrag gestellt haben, den „service national“ zu übernehmen, eine Zusammenarbeit von Vorteil wäre. Der Bericht der Sitzung erwähnt allerdings weder, für welche Bereiche dies der Fall war, noch, warum das Angebot abgelehnt wurde.

Notfalldienst ohne Notaufnahme

Die Entscheidung des CHL stellt die HRS-Gruppe vor allem vor eine praktische Herausforderung. Da die städtischen Krankenhäuser sich die Bereitschaftstage aufteilen, können die Betroffenen nicht an jedem Tag und zu jeder Zeit im HRS empfangen werden. Vor der Aufnahme der Patienten fordert der Direktor des HRS deshalb eine klare Diagnose. Der behandelnde Augenarzt könne anschließend ins Krankenhaus gerufen werden. „Das CHL fordert eine zuverlässige Diagnose vor der Aufnahme von Covid-19-Patienten, wir wollen lediglich das gleiche für die Augenheilkunde“, erklärt Dr. Claude Schummer.

Zwei große Krankenhäuser schieben sich gegenseitig die Verantwortung für die Notfallbehandlung durch Augenärzte zu, am Ende sind jedoch die Patienten die Leidtragenden. (Foto: Eric Engel)

Die erste Diagnose wird zurzeit allerdings nicht von einem Augenarzt, sondern vom Notarzt erstellt. Für die Verantwortlichen der HRS ist dies unzureichend: „Das CHL hat auch Augenärzte, die müssen das gewährleisten“, so HRS-Direktor Claude Schummer. Er könne sich jedoch auch vorstellen, eine tägliche Notaufnahme anzubieten, wenn das Krankenhaus die nötigen Mittel erhält. Das CHL wollte sich zu all diesen Fragen auf Nachfrage von REPORTER nicht äußern.

Schwierige Verhandlungen mit der CNS

Die HRS-Gruppe hat nun einen Antrag bei der „Caisse Nationale de Sante“ (CNS) eingereicht, um eine tägliche Notaufnahme zu garantieren. In einem Schreiben erklärt Dr. Claude Schummer, man benötige 3,5 weitere Vollzeitstellen für die Krankenpflege, um einen kontinuierlichen Notfalldienst gewährleisten zu können. Die Anfrage stieß jedoch auf taube Ohren.

Da laut Gesetz für die Augenheilkunde kein Bereitschaftsdienst vor Ort gewährleistet werden muss, werde auch kein weiteres Personal benötigt, so die offizielle Antwort der Krankenkasse. Dies setzt allerdings voraus, dass bereits eine Diagnose eines Facharzts besteht, bevor ein Patient in das Krankenhaus in Kirchberg überwiesen wird. Im Kontext der Covid-19-Krise finden zurzeit zudem neue Verhandlungen zwischen der Krankenkasse und den Krankenhäusern statt. Im Interview mit „RTL“ hieß es vom Präsidenten der Krankenkasse, Christian Oberlé, man müsse „maßvoll und umsichtig“ handeln, bevor man Mittel verteilt. Die Anfrage des HRS scheint demnach für die Krankenkasse nicht verhältnismäßig zu sein.

Auf Nachfrage von REPORTER wollte die CNS sich nicht zum Thema äußern. Man habe aktuell zu viel zu tun und könne deshalb nicht auf Presseanfragen antworten.

Keine schnelle Lösung in Sicht

Die Fronten haben sich inzwischen weiter verhärtet. Dabei weiß man zumindest bei der HRS-Gruppe nicht, warum es überhaupt so weit kam. „Während der Krise haben die Krankenhäuser solidarisch zusammengearbeitet“, so der HRS-Direktor. Das Krankenhaus habe zum Beispiel in Absprache mit dem CHL die eigene kinderärztliche Abteilung geschlossen, um Covid-19 Patienten aufnehmen zu können. Desto mehr bedauere man nun die unilaterale Entscheidung der Direktion des CHL, so Dr. Claude Schummer.

Der Konflikt bahnte sich jedoch bereits seit Monaten an. Im Februar, also noch vor der ersten Covid-19 Infektion in Luxemburg, schrieb Dr. Romain Nati in einem Brief an alle Krankenhäuser, das Ministerium und die Krankenkasse, dass das CHL laut Gesetz keine augenärztlichen Notfälle behandeln müsse. Der Direktor des CHL erkundigte sich in dem Brief, ob die HRS den Notfalldienst gewährleisten könne. Trotz der Bekräftigungen der HRS-Gruppe, dass man diese Notaufnahme nicht dauerhaft gewährleisten könne, entschied das CHL vier Monate später, keine Patienten mehr mit Beschwerden am Auge zu behandeln.

Die „Hôpitaux Robert Schuman“ versuchen den Konflikt nun in erster Linie mit der Krankenkasse zu schlichten. „Im dringenden Notfall, zum Beispiel wenn sich die Netzhaut löst, sind unsere Ärzte natürlich weiterhin in Bereitschaft. Das kriegen wir noch hin“, sagt Dr. Claude Schummer. Bis dahin hängt es zumindest im Zentrum des Landes vom Tag und vom Dringlichkeitsgrad ab, ob man einen Augenarzt antrifft oder nicht. Die privaten Augenarzt-Praxen müssen sich über die nächsten Wochen wohl noch weiterhin auf ungewöhnliche viele Notfälle einstellen.