Wie nachhaltig ist Luxemburgs Wirtschaftsmodell? Und wie lassen sich die negativen Effekte des Wachstums eindämmen? Diese Fragen müssten eigentlich den Wahlkampf bestimmen. Doch die Parteien weichen aus und spielen den Wählern eine heile Welt vor.
„Nachhaltiges Wachstum“, „qualitatives Wachstum“, „gesundes Wachstum“, „inklusives Wachstum“: Wenn es nach den Wahlprogrammen geht, ist keine Partei mehr Fan des schnöden Wirtschaftswachstums. Politisch korrekt muss der Begriff heutzutage offenbar mit einem positiven Adjektiv verkleidet werden. So lässt sich zumindest andeuten, dass man sich der negativen Begleiterscheinungen einer zu raschen wirtschaftlichen Entwicklung bewusst ist.
Liest man die Programme aber genauer durch, liefert keine der Parteien eine tiefergehende Erklärung, was mit einem „qualitativen“ oder „nachhaltigen“ Wachstum gemeint ist. Es handelt sich meist um Floskeln, um wohlklingende Worthülsen, die den politischen Diskurs längst durchdrungen haben. Im Wahlkampf, in dem die Parteien versuchen, sich mit Slogans und kreativen Wortschöpfungen zu überbieten, dienen die Begriffe umso mehr der Schönfärberei.
Der Preis des dauerhaften Wachstums
Was keine Partei und kaum ein Politiker sich in dieser Deutlichkeit traut zu sagen: Wachstum ist unabdingbar und per se nicht nachhaltig – zumindest im real existierenden Kapitalismus. Eine kapitalistische Wirtschaft muss ständig wachsen, um stabil zu bleiben. Nur so lässt sich der Wohlstand des Landes, der Lebensstandard der Menschen und der Sozialstaat aufrechterhalten.
Das gilt ganz besonders für Luxemburg. Denn das „Erfolgsmodell“ des Großherzogtums gründet auf einem Wachstum, das seit Jahrzehnten rasanter ist als in den meisten anderen Staaten. Und auf einem Wohlstand, der weniger durch Produktivität als durch den konstanten Zuwachs der arbeitenden Bevölkerung entstanden ist. Zur Veranschaulichung: Luxemburgs Bruttoinlandsprodukt (BIP) hat sich seit dem Jahr 2000 fast vervierfacht, innerhalb der letzten 40 Jahre nahezu verzwanzigfacht. Im selben Zeitraum hat sich die Bevölkerung quasi verdoppelt.
War das Wachstum lange ein Garant für den stetigen Ausbau des Sozialstaats, beginnt die Fassade des Luxemburger Modells langsam, aber sicher zu bröckeln.“
Genauso offensichtlich ist aber: Jedes Wachstum hat Grenzen. Das zeigt sich auf globaler Ebene, etwa beim Ressourcenverbrauch oder beim Klimawandel. „Auf einer begrenzten Erde ist grenzenloses Wachstum nicht möglich“, hieß es schon im Bericht des „Club of Rome“ im Jahre 1972. Im Rückblick kann man zwar nüchtern feststellen: Diese Grenzen des Wachstums wurden offenbar noch immer nicht erreicht. Und doch zeigen sich überall auf der Welt die Kollateraleffekte dieses Wachstums.
Unabhängig von den Beteuerungen der Politik lautete das Motto auch in Luxemburg bisher: „Wachsen um jeden Preis“. Doch dieser Preis lässt sich relativ gut beziffern und ist gerade in Luxemburg beträchtlich. So außerordentlich hoch die Wachstumsraten des Landes in den vergangenen Jahrzehnten waren, so hoch sind auch ihre Kosten …
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