In Belgien hat sich der Graben zwischen einem linken, grünen Wallonien und einem rechten, nationalistischen Flandern weiter vergrößert. Erstmals könnte eine einst rechtsextreme Partei in einer Regierung vertreten sein. Doch was macht die Vlaams Belang so beliebt? Ein Gespräch mit der Politikwissenschaftlerin Léonie de Jonge.
Interview: Charlotte Wirth
Wallonien ist links, Flandern rechts. Wie simpel ist diese Einteilung?
Sehr. Wenn man sich Meinungsumfragen anschaut, dann erkennt man, dass es zwischen den beiden Regionen kaum Unterschiede gibt. Es ist nicht so, dass die Menschen in Wallonien weniger rassistisch, intolerant und ausländerfeindlich sind, als jene in Flandern. Aber in Wallonien spielen Wirtschaftsthemen eine größere Rolle: Die Region ist ärmer als Flandern und kämpft mit der Deindustrialisierung. Dadurch werden vornehmend wirtschaftliche Fragen politisiert. Und diese Themen werden weiterhin von den traditionellen Parteien bedient. In Flandern aber dominieren Themen wie Nationalismus und Identität. Dieses Feld decken rechte Parteien besser ab.
Wieso spielen diese Themen in Flandern eine so große Rolle?
Das hat historische Ursachen und geht auf das Unabhängigkeitsbestreben von Flandern zurück. Französisch war immer die Sprache der Elite. Beherrschte man die Sprache nicht, konnte man in der Gesellschaft nicht aufsteigen. Dieses Ressentiment wurde mit der Zeit immer stärker und dadurch ist auch die flämische Unabhängigkeitsbewegung erstarkt. Aber diese war im Kern nicht rechts. Das ist sie erst seit den späten 1980ern geworden, als der Vlaams Blok aufkam, der sich eben auch gegen Ausländer positioniert. (A.d.R. Seit 2004 nennt sich der Vlaams Blok Vlaams Belang). Historisch gibt es in Wallonien bereits seit Längerem eine viel stärkere Migration, ähnlich wie in Luxemburg. In Flandern ist das ein viel rezenteres Phänomen und wurde dadurch auch mehr politisiert.
Der erste „Black Sunday“ hat 1991 stattgefunden, als der Vlaams Blok den ersten Wahlerfolg feiern konnte. Seitdem gab es viele schwarze Sonntage.“
Der Wahlsonntag wird in Belgien als „Black Sunday“ bezeichnet. Wieso hat der Rechtsruck bei den letzten Wahlen trotz allem überrascht?
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