Der kongolesische Präsident Joseph Kabila weigert sich sein Amt niederzulegen. Die humanitäre Lage in der demokratischen Republik ist allerdings so dramatisch, dass die internationale Gemeinschaft für diesen Freitag eine Spenderkonferenz einberufen hat. Doch Kabila verweigert die Teilnahme.
So schlimm, wie es die internationale Gemeinschaft darstelle, sei die Lage in der Demokratischen Republik Kongo überhaupt nicht. Mit dieser Begründung hat die kongolesische Regierung jüngst bekannt gegeben, dass sie am 13. April nicht an der internationalen Spenderkonferenz in Genf teilnehmen werde.
Die Konferenz am kommenden Freitag wurde von der Europäischen Union, dem Büro der Vereinten Nationen zur Koordinierung der humanitären Hilfe (OCHA), den arabischen Emiraten und der niederländischen Regierung einberufen. Das Ziel: 1,37 Milliarden Euro für humanitäre Hilfe im Kongo sammeln.
Seit 2017 haben sich die Kämpfe in verschiedenen Regionen des zentralafrikanischen Staates verschärft. Die Vereinten Nationen haben die höchste Nothilfestufe (L3) ausgerufen. 13,1 Millionen Menschen brauchen sofortige Hilfe. Es gibt fast fünf Millionen Binnenvertriebene. Über eine halbe Million Menschen sind in Nachbarländer geflüchtet.
Es ist eine der komplexesten und problematischsten humanitären Krisen auf der Welt.“Außenminister Jean Asselborn
Die Zahlen bestätigen: Die Lage im Kongo ist also alles andere als „nicht so schlimm“. „Sie ist dramatisch. Es ist eine der komplexesten und problematischsten humanitären Krisen auf der Welt“, wie der Luxemburger Außenminister Jean Asselborn (LSAP) im Gespräch mit REPORTER unterstreicht. Das bestätigt auch EU-Kommissar für Humanitäres, Christos Stylianides, der erst kürzlich vor Ort war. Er zog laut der Nachrichtenagentur Reuters folgendes Fazit: „It is not business as usual.“
Machterhaltung um jeden Preis
Die Situation hat sich besonders in den letzten zwei Jahren stark zugespitzt. Die Spannungen in Kinshasa, Lubumbashi und Goma nehmen zu. Die Kämpfe zwischen den kongolesischen Sicherheitskräften und zahlreichen Milizen in und um Ituri, Süd-und Nord-Kivu, Tanganyika und Kasaï haben sich verschärft. Laut Jean Asselborn sind mindestens zehn Provinzen von Auseinandersetzungen betroffen.
Die Gründe für die Kämpfe reichen von ethnischen Spannungen über Korruption und Machtkämpfe bis hin zu Konflikten über die Kontrolle von Rohstoffen. Und doch erklärt sich die rapide Verschlechterung der Lage insbesondere durch eines: die Weigerung des kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila, Wahlen abzuhalten. Seit anderthalb Jahren hält der kongolesische Staatschef an der Macht fest und verstößt damit gegen die nationale Verfassung. Am 19. Dezember 2016 endete nämlich seine zweite und letzte Amtszeit als Präsident.
Ein zweifelhafter Wahltermin
Nach langen Verhandlungen hat die nationale Wahlkommission Ende letzten Jahres endlich ein Datum für die Präsidentschaftswahlen festgesetzt: den 23. Dezember 2018. „Wer daran glaubt, ist Optimist“, sagt Jean Asselborn.
Hans Hoebeke vom International Crisis Group ist allerdings ein solcher Optimist. Der Analyst und Kongo-Experte sieht tatsächlich eine Chance, dass die Wahlen am Stichdatum abgehalten werden. Doch ob sich die Lage dadurch stabilisiert, sei unsicher. Zum einen könnten sich die Spannungen im Vorfeld der Wahlen aufgrund der politischen Unsicherheit sogar noch verschlimmern. Zum anderen wird Joseph Kabila wohl alles daran setzen, eine Art Dauphin, einen Scheinpräsidenten, aufzustellen – und im Hintergrund weiterhin die Fäden zu ziehen.
Die Nachbarstaaten machen Kabila deswegen sehr deutlich, dass seine Zeit vorbei ist.“Hans Hoebeke
Dabei könnte ihm die fragmentierte und schlecht organisierte Opposition in die Karten spielen. Im Kongo hat deswegen die katholische Kirche deren Rolle übernommen, erklärt DP-Abgeordnete im EU-Parlament Charles Goerens im Gespräch mit REPORTER. Sie macht unter anderem Druck auf Kabila über den „Accord de Saint-Sylvestre“, der den politischen Übergang regeln soll.
Erhöhter Druck von allen Seiten
Der Druck auf den Präsidenten steigt von allen Seiten. Während die EU zum Beispiel durch Sanktionen Erfolge erzielen will, so sind es laut Hans Hoebeke vor allem die Nachbarstaaten, die Kabila unter Zugzwang setzen. Sie bekommen die Folgen der aktuellen humanitären Krise als erstes zu spüren. Nachbarländer wie Ruanda, Uganda, Burundi oder Tansania sind mit enormen Flüchtlingsströmen konfrontiert und die Gefahr ist groß, dass die Kämpfe überschwappen. „Die Nachbarstaaten machen Kabila deswegen sehr deutlich, dass seine Zeit vorbei ist“, so Hans Hoebeke.
Denn von einem stabileren Kongo würden alle profitieren: mit seinen reichen Ressourcen könnte der zentralafrikanische Staat als Motor fungieren, der den wirtschaftlichen Aufschwung der gesamten Region befördert. Auch internationale Investoren und all jene, die von den kongolesischen Rohstoffen profitieren, sind an einer Stabilisierung der Lage interessiert. Für sie alle gilt jedoch: Die Region soll ausreichend befriedet sein, damit der Zugriff auf Rohstoffe sichergestellt ist. Ein zu starker kongolesischer Staat jedoch könne der einfachen Bereicherung an den kongolesischen Ressourcen im Wege stehen.
Wer hält die Fäden in der Hand?
Vor diesem politischen Hintergrund ist Joseph Kabilas Haltung gegenüber der internationalen Gemeinschaft schwer nachvollziehbar. Doch laut Jean Asselborn hat der Präsident wenig Interesse an den Geldern, über die in Genf entschieden werden soll. „Das sind humanitäre Gelder, bei denen die Vereinten Nationen genau überprüfen, dass sie dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Davon hat diese Regierung nichts.“ Würde Kabila die humanitäre Krise eingestehen, käme das einer Bankrotterklärung seiner Regierung gleich, so der Außenminister.
Doch in dem er es nicht tut, belügt er nur sich selbst, erläutert Hans Hoebeke. Mit seiner Haltung schade Kabila womöglich sich selbst, ergänzt er. Indem er die humanitäre Krise negiert und behauptet, die Einschätzung der Vereinten Nationen würde dem Image der Republik schaden, spielt er der Opposition in die Hände. Zwar interessieren sich die Oppositionellen laut Hoebeke in der Regel wenig für die humanitären Probleme, doch könnten sie sich nun als Partner der internationalen Gemeinschaft positionieren. Dafür müssten sie sich aber erst neu aufstellen und besser organisieren, so der Experte des International Crisis Group.
Die letzten Entwicklungen zeichnen jedoch ein anderes Bild. Laut unseren letzten Informationen erwägen die Vereinten Nationen, die Notsituation im Kongo von L3 auf L2 herunterzustufen. So wollen die UN Joseph Kabila doch noch dazu zu bringen nach Genf zu kommen. Bestätigt sich dies, dann müsste die Frage neu gestellt werden, wer hier wen unter Druck setzt und die Fäden in der Hand hält.