Die EU will sicherstellen, dass für die seltenen Metalle in unseren Handys, Autos oder Schmuck keine Menschenrechte verletzt wurden. Doch die Lieferketten sind unübersichtlich und die beschlossene Verordnung hat Schwächen.

Es ist mal wieder an der Zeit. Das Smartphone gibt langsam den Geist auf. Der Akku hält nicht mehr. Der Vertrag läuft aus. Es muss ein neues Handy her – Sie kennen das.

Das Problem scheint banal, ist es aber nicht. Es wird schwierig, sobald man sich fragt, woher eigentlich die Rohstoffe herkommen, aus denen das Smartphone besteht. Denn die Gefahr ist groß, dass das Tantalerz Coltan für das neue Handy aus einem Kriegsgebiet stammt. Womöglich aus der Demokratischen Republik Kongo, wo die humanitäre Lage so ernst ist, dass erst kürzlich eine internationale Spenderkonferenz einberufen wurde.

Zwangsläufig stellen sich die Fragen: Wer hat wohl für mein Handy geschuftet? Und wie viele Menschen mussten leiden, damit es im Laden auf mich wartet?

Unübersichtliche Lieferketten

Wie Gold, Zinn oder Wolfram ist auch Tantal ein sogenanntes Konfliktmineral. Diese Erze werden vorwiegend in Hochrisikogebieten in Entwicklungsländern gewonnen. Da die Minen oft unter der Kontrolle von Milizen stehen, heizen die Gewinne aus dem Abbau und dem Handel dieser Mineralien gewaltsame Auseinandersetzungen an. Die Einnahmen finanzieren bewaffnete Gruppen, unterstützen Korruption, Ausbeutung und Landraub. Um die Minen herum sind Zwangsarbeit, Folter, Verschleppung und Vergewaltigungen oft ein trauriger Begleitfaktor. All das, um möglichst billig an die Rohmaterialien für neue Handys, Autos oder Schmuck zu kommen.

Für Konzerne ist das ein Problem. Selbst Apple, kann laut eigenen Angaben nicht ausschließen, dass manche seiner Produkte Mineralien problematischer Herkunft enthalten. Dabei gilt das kalifornische Unternehmen laut einem Ranking des Enough-Projektes als Musterschüler in punkto Transparenz und Sorgfaltspflicht.

Die Herkunft ist schwer zu ergründen, denn die Mineralien durchlaufen eine lange Lieferkette: von der Mine zu Händlern weiter zu Schmelzhütten und Raffinerien hin zu Zwischenlieferanten, Zulieferern und letztlich den Herstellern. Die zahlreichen Verarbeitungsschritte und das viele Hin und Her machen die Rückverfolgung der Mineralien zur Detektivarbeit.

EU-Importeure in der Pflicht

Dabei werden die öffentlichen Forderungen nach Transparenz immer lauter. Das sagt auch Annie Calliway, die für das Enough Project untersucht hat, wie genau Unternehmen ihre Sorgfaltspflicht nehmen. „Immer mehr Menschen interessieren sich für die Herkunft ihrer Produkte“, so Calliway.

Auch internationale Instanzen machen Druck. Die OECD hat Richtlinien zur Wahrung der Sorgfaltspflicht in den Lieferketten aufgestellt. Die US-Regierung versucht über den Weg des Gesetzes, den sogenannten „Dodd-Frank-Act“, die Unternehmen und Importeure in die Pflicht zu nehmen. Und die Europäische Union ist im Mai letzten Jahres nachgezogen. Auf Druck des EU-Parlaments hat sie eine entsprechende Verordnung verabschiedet, die 2021 in Kraft treten wird.

Es gibt keine zentrale Kontrolle. Man muss sich also darauf verlassen, dass die einzelnen Staaten die Sache ernst nehmen.“EU-Abgeordneter Charles Goerens

Diese EU-Verordnung legt „Pflichten zur Erfüllung von Sorgfaltspflichten in der Lieferkette“ für den Import von Zinn, Tantal, Wolfram und Gold aus Konflikt-und Hochrisikogebieten fest. Die Hoffnung: Indem sichergestellt wird, dass die Erze aus „sauberen“ Quellen kommen, sollen Gewalt, und Menschenrechtsverletzungen ein Ende finden.  Betroffen sind zwischen 600 und 1.000 Importeure sowie rund 500 Schmelzhütten und Raffinerien, die Mineralien in die EU einführen. Sie müssen minutiös nachweisen, aus welchen Ursprungsländern und von welchen Lieferanten, Hütten und Raffinerien die Produkte stammen. Sie müssen sicherstellen, dass alle Akteure ihrer Verantwortung nachkommen, und mögliche Risiken „schädlicher Auswirkungen“ in der Lieferkette ausfindig machen und beheben.

In Luxemburg fühlt sich niemand zuständig

Die einzelnen Mitgliedsstaaten sollen sicherstellen, dass das auch geschieht. So wird jedes EU-Mitglied aufgefordert, eine zuständige Behörde zu beauftragen. Und genau hier liegt eine der großen Schwächen des Textes, kritisiert der EU-Abgeordnete Charles Goerens (DP). „Es gibt keine zentrale Kontrolle. Man muss sich also darauf verlassen, dass die einzelnen Staaten die Sache ernst nehmen“, bemängelt Goerens im Gespräch mit REPORTER.

In Luxemburg zeichnen sich bereits erste Probleme ab. Für die Umsetzung scheint sich in diesem Dossier niemand zuständig zu fühlen. Fragt man nach, wird man von einem Ministerium an das nächste verwiesen. Der Logik nach müsste das Wirtschaftsministerium verantwortlich sein, doch hier hat man auf Nachfrage„von Konfliktmineralien noch nie gehört.“

Es fehlt an Sanktionen

Dies ist aber nicht die einzige Schwäche der Verordnung. Für Annie Callaway ist das größte Problem, dass – im Gegensatz zur US-Regelung – die Importeure von bereits verarbeiteten Produkten nicht betroffen sind. Nicht nur ermöglicht diese Ausnahme die EU-Regeln zu umgehen. „Damit hat die Verordnung eine viel geringere Reichweite. Die Firmen, die die Verbraucher tatsächlich kennen, sind nicht betroffen“, kritisiert Callaway. Denn während wir alle wissen, wer Apple ist, weiß wohl kaum jemand etwas mit den Namen  Aurubis, DODOCU oder Umicore anzufangen – alles Namen von europäischen Schmelzhütten und Raffinerien, die den Technologie-Giganten beliefern.

Wäre der Handel mit dem Kongo vorbei, so würde man all diese Menschen ihrer Existenzgrundlage berauben.“Annie Callaway

Zudem sieht der EU-Text keine Sanktionen für diejenigen vor, die sich nicht an die Regeln halten. Es fehlt also ein klares Druckmittel. Bedenkt man, wie viele Unternehmen die OECD-Richtlinien ignorieren, auf denen die EU-Verordnung basiert, dann gibt es wenig Grund zum Optimismus. Laut einer Studie von Kumi-Consulting im Auftrag der OECD, kommen gerade einmal fünf Prozent der Unternehmen ihren Pflichten nach.

Wie Charles Goerens betont, war die Verordnung jedoch „alles, was das Parlament erreichen konnte.“ Er gibt zu bedenken, dass es auch im Interesse der Betriebe ist, sich dafür zu interessieren, woher ihre Rohstoffe kommen. Nur so könnten sie nämlich eine nachhaltige Lieferung sicherstellen. „Wenn irgendwo ein Konflikt ausbricht und es zu Lieferengpässen kommt, ist schließlich niemandem geholfen“, sagt der EU-Parlamentarier.

Gegenseitige Abhängigkeit

Fakt ist: Die Unternehmen in der EU brauchen die Erze. Die Verordnung erwähnt ausdrücklich, wie wichtig es ist, einen verlässlichen Zugang zu den Rohstoffen sicherzustellen. Das sei „ein wichtiger Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit der Union.“

Gleichzeitig ist aber auch die Bevölkerung in den betroffenen Gegenden auf den Abbau und Export der Rohstoffe angewiesen. Für sie wäre es fatal, wenn Risikogebiete gänzlich gemieden würden. Zinn, Tantal, Wolfram und Gold werden meist im Kleinbergbau gefördert und stellen eine unerlässliche Einkommensquelle für die örtliche Bevölkerung dar. „Wäre der Handel mit dem Kongo vorbei, so würde man all diese Menschen ihrer Existenzgrundlage berauben“, warnt Anie Callaway.

Kommt das Coltan im neuen Handy demnach aus einer verantwortungsvollen Quelle, so kann ich mit dem Kauf – von der Ressourcenverschwendung einmal abgesehen – solche Kleinunternehmer sogar unterstützen.  Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg.