Der derzeitige Krieg von Israel im Gazastreifen verläuft schneller als frühere Konflikte. Dennoch gehen Israels Generäle davon aus, dass der Kampf gegen die Hamas noch ein Jahr dauern könnte. Innenpolitisch nimmt derweil die Kritik an Premier Benjamin Netanjahu zu.
Die Erde bebte, und dann öffnete sich der Boden. Am 31. Oktober flogen israelische Kampfflugzeuge Luftangriffe auf ein Flüchtlingslager in Jabalia, im Norden des Gazastreifens. Ein Zeuge berichtete, er habe mehrere Explosionen gehört, die riesige Krater hinterließen. Videos vom Einschlagort zeigten apokalyptische Szenen: Gebäude wurden zerstört, Leichen aus den Trümmern gezogen. Dutzende Menschen wurden getötet. Die israelische Armee erklärte, sie habe das unterirdische Hauptquartier des Hamas-Kommandanten Ibrahim Biari und seiner Kämpfer ins Visier genommen, und ein Großteil des Schadens sei durch den Einsturz von Tunnels entstanden.
Der Krieg zwischen Israel und der Hamas, der militanten Gruppe, die Gaza kontrolliert, dauert seit einem Monat an, und es ist bereits jetzt der blutigste Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern seit 1948. Seit er am 7. Oktober begann, als die Hamas mehr als 1.400 Israelis ermordete, haben die israelischen Streitkräfte in Gaza mehr als 11.000 Ziele angegriffen und damit die Dimension früherer Kriege bei Weitem übertroffen. Nach Angaben des von der Hamas geführten Gesundheitsministeriums wurden bisher mehr als 8.800 Palästinenser getötet, darunter etwa 3.500 Kinder. Große Teile des nördlichen Gazastreifens, in denen normalerweise mehr als eine Million Menschen leben, wurden in Schutt und Asche gelegt.
Ein Großteil des gewaltigen Grenzzauns Israels zum Gazastreifen ist verschwunden. Die Hamas hat ihn während ihres Angriffs an 29 verschiedenen Stellen durchbrochen, Israel hat weitere Teile abgebaut, um den Einmarsch von Panzertruppen zu erleichtern. Israelische Truppen drangen am 27. Oktober von zwei Orten aus in den Gazastreifen ein: in der Nähe von Beit Hanoun im Norden und an einem Punkt südlich von Gaza-Stadt an der engsten Stelle des 45 Kilometer langen Streifens. Ihr Ziel war es, Gaza in zwei Teile zu spalten und den nördlichen Teil der Enklave, zu dessen Verlassen sie die Zivilbevölkerung aufgefordert haben, schrittweise einzukreisen. Am Abend des 5. November vermeldeten die Streitkräfte, dass dieses Ziel erreicht sei.
Unzureichende Hilfslieferungen
Die Hamas will keinen direkten Kampf mit den vorrückenden israelischen Streitkräften, die über eine weit überlegene Feuerkraft verfügen. Stattdessen wird sie versuchen, die israelischen Truppen in einen Guerillakrieg zu verwickeln. Israelische Militärquellen gehen davon aus, dass ihnen nur ein kurzes Zeitfenster zur Verfügung steht, um mit großen Verbänden innerhalb des Gazastreifens zu operieren. Sie werden versuchen, Tunnels und Kommandozentralen zu zerstören, um die Bewegungsfreiheit der Hamas zu beeinträchtigen und ihre Kämpfer aufzuspalten. In den kommenden Wochen erwarten die israelischen Generäle, dass der internationale Druck sie dazu zwingen wird, die Präsenz im Gazastreifen wieder zu verringern. Der Krieg wird sich dann auf Angriffe gegen bestimmte Ziele verlagern. Die Militärs gehen davon aus, dass dies Monate, vielleicht sogar ein Jahr dauern werde.
Die Armee hat einen schrecklichen Schlag erlitten, steht nun aber wieder auf eigenen Füßen. Vom Rest von Israels Führung kann man das nicht behaupten.“hochrangiger Offizieller
Es wird vermutet, dass etwa zwei Drittel der Bevölkerung im nördlichen Gazastreifen die Aufforderung zur Evakuierung befolgt haben. Doch es bleiben immer noch Hunderttausende Menschen übrig. Die Bedingungen im Süden, der angeblich eine sichere Zone ist, sind furchtbar. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung Gazas – 1,4 Millionen Menschen – wurde vertrieben. Die Notunterkünfte sind überfüllt: Eine UN-Einrichtung in Khan Yunis, der ersten Stadt südlich der Evakuierungslinie, beherbergt jetzt 22.100 Menschen, mehr als das Zehnfache der geplanten Kapazität …
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