Was, wenn Arzt und Patient sich nicht richtig verstehen? Kommunikationsprobleme im Gesundheitswesen sind keine Seltenheit. Einige Parteien wollen deshalb die Luxemburger Sprache fördern. Das würde aber noch lange nicht jedem Patienten helfen.

Verständlich miteinander reden, sich gegenseitig zuhören und verstehen – das macht ein gutes Verhältnis zwischen Arzt und Patient aus. Denn wer seinem Arzt nicht vertraut und sich nicht gut beraten fühlt, geht kein zweites Mal zu ihm. Wer ihn nicht versteht, auch nicht.

Ärzte haben heute immer noch das Image der Halbgötter in Weiß. Sie sind diejenigen, die vielleicht nicht alles, aber vieles wissen. Zumindest hoffen das die Patienten. Ärzte sind diejenigen, die helfen können – und helfen sollen.

Was aber, wenn dieser Halbgott die Sprache seines Patienten nicht oder nur gebrochen spricht? Was wird dann aus dieser Beziehung?

Sprachprobleme haben viele Gründe

In Luxemburg ist es keine Seltenheit, dass Arzt und Patient unterschiedliche Sprachen sprechen. Die Gründe dafür sind eigentlich bekannt, um die Situation zu verbessern, wurde bisher aber nur bedingt gehandelt.

Bei einer Einwohnerzahl von rund 600.000 Personen haben 48 Prozent keine Luxemburger Staatsbürgerschaft. Die nationale Bevölkerung wächst seit Jahren – und das vor allem durch Zugezogene. Hinzu kommen Grenzgänger, die hierzulande arbeiten, und sich auch teilweise hierzulande medizinisch versorgen lassen.

Es ist ein langer Weg bis man endlich Arzt ist – deshalb ist es nicht unbedingt ein Traumberuf unter den Luxemburgern.“Marc Hastert, Fédération des Hopitaux Luxembourgeois

Auch die Fachkräfte aus dem Gesundheitswesen kommen zu einem großen Teil aus dem Ausland. In den Hopitaux Robert Schuman (HRS) werden 30 unterschiedliche Sprachen gesprochen, das Personal kommt aus 29 unterschiedlichen Ländern. Im Centre Hospitalier de Luxembourg (CHL) arbeiten Angestellte mit 30 unterschiedlichen Nationalitäten und es werden 31 verschiedene Sprachen gesprochen, 36 Prozent des Personals sind Luxemburger.

Dass so viele Fachkräfte aus dem Ausland kommen, liegt am akuten Ärztemangel in Luxemburg. „Es ist ein langer Weg bis man endlich Arzt ist – deshalb ist es nicht unbedingt ein Traumberuf unter den Luxemburgern“, sagt Marc Hastert, Generalsekretär der Fédération des Hopitaux Luxembourgeois. Verstärkung wird deshalb im Ausland gesucht. Gleiches gilt übrigens auch für Krankenpfleger.

„Wichtig ist, dass wir gute Ärzte im Ausland finden. Wenn Sie dann auch noch dazu bereit sind, Luxemburgisch zu lernen, ist das natürlich gut – in unseren Augen aber eigentlich nur Nebensache“, sagt Alain Schmit, Präsident der Association des Médecins et Médecins Dentistes (AMMD).

Nicht nur sprachliche, sondern auch kulturelle Unterschiede

Schon alleine die Herkunft des Personals zeigt nicht nur die kulturelle, sondern auch die sprachliche Vielfalt des Gesundheitswesens. Und mit den Sprachbarrieren kommen auch kulturelle Unterschiede  zum Vorschein. Georges Clees von der Patientevertriedung nennt das Beispiel einer chinesischen Frau, die in Luxemburg entbunden hat. „In China ist es Brauch, dass eine Frau, die ein Kind geboren hat, einen Monat lang nicht aufstehen darf. Das Personal wusste das aber nicht und hat nicht verstanden, warum sich die Frau weigerte, das Krankenhausbett zu verlassen“, erklärt er. Es musste ein Übersetzer gefunden werden, um die Situation aufzuklären.

Zumindest medizinische Begriffe soll das Personal in mehreren Sprachen beherrschen, um den Umgang mit den Patienten zu vereinfachen.“Georges Clees, Patientevertriedung

Dass im Gesundheitswesen unterschiedlichste Sprachen aufeinanderstoßen, kann oft zu unangenehmen Situationen für den Patienten führen: „Wenn man ins Krankenhaus muss, ist man sowieso schon gestresst. Gibt es dann noch ein Kommunikationsproblem mit dem Personal, wird es nur noch unangenehmer“, sagt Clees. „Andererseits ist es auch für den Arzt schwierig, eine richtige Diagnose zu stellen, wenn er die Patienten nicht oder nur schwer versteht.“

Seiner Meinung nach müssten in den Kliniken mehr Sprachkurse angeboten werden. „Zumindest medizinische Begriffe soll das Personal in mehreren Sprachen beherrschen, um den Umgang mit den Patienten zu vereinfachen“, meint Clees.

Französisch ist und bleibt ein Problem

In ihrer Masterarbeit aus dem Jahr 2017 befasste sich Martina Christen mit dem Thema der Kommunikation zwischen medizinischem Personal und Patienten und untersuchte die Sprachkenntnisse von Luxemburgern, Grenzgängern und Expats ebenso wie von Ärzten, Pflegepersonal und Patienten. Christen stellte fest, dass die Sprachbarrieren in Luxemburg nicht eine, sondern unterschiedlichste Ursachen haben – und deshalb besonders schwer zu lösen sind.

Es gibt in Luxemburg aber immer mehr Menschen, deren Hauptsprache nicht mehr Luxemburgisch oder Französisch, sondern Englisch ist.“Georges Clees

Was sich in ihrer Studie herauskristallisiert: Französisch ist nach wie vor für viele ein Problem. „Die meisten Probleme, denen Patienten ausgesetzt sind, ist, dass sie Französisch weder sprechen noch verstehen“, schreibt Christen. Ältere Luxemburger tun sich damit ebenso schwer wie viele Expats, die oft gar kein Französisch und nur Englisch sprechen können.

„Es gibt in Luxemburg immer mehr Menschen, deren Hauptsprache nicht mehr Luxemburgisch oder Französisch, sondern Englisch ist“, sagt auch Georges Clees. Vor allem auf den Kinder- und Entbindungsstationen sei Englisch viel gefragt. „Das liegt daran, dass viele junge englischsprachige Familien nach Luxemburg ziehen“, so Clees.

Diese Tendenz bestätigt auch Laurent Wehr, Koordinator der Personalabteilung und Verantwortlicher der Fortbildungen im CHL. „Englisch wird in der Medizin immer wichtiger. In Zukunft muss auch bei dieser Sprache nachgebessert werden“, sagt er.

Dabei ist – zumindest momentan – Französisch immer noch wichtiger Bestandteil des Gesundheitswesens in Luxemburg. Auch, weil die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Akteuren auf Französisch stattfindet und die Patientendossiers in Französisch verfasst werden. Zumindest auf der Verwaltungsebene führt demnach noch kein Weg an der Sprache vorbei.

Luxemburgisch-Kurse sollen helfen

Um den Umgang mit den Luxemburger Patienten zu verbessern, bieten alle vier Krankenhausgruppen ihrem Personal Luxemburgisch-Kurse an. Das Centre Hospitalier Emile Mayrisch (CHEM) bietet im Rahmen des Projekts „Mir schwätze Letzebuergesch“ die Kurse bereits seit 2009 an und versteht sich als Pionier des Sektors. Patrizia Ascani, Leiterin der Personalabteilung des CHEM schätzt, dass mittlerweile etwa 50 Prozent des Personals Luxemburgisch redet oder zumindest versteht.

Laurent Wehr erklärt, dass bei ihm im Krankenhaus seit etwa acht Jahren verstärkt Luxemburgisch-Kurse angeboten werden. „Die sind zwar nicht obligatorisch, werden von uns aber dringlichst empfohlen“, sagt er. In den Kursen lernen Ärzte und Pfleger vor allem, wie sie sich im Gespräch mit den Patienten richtig ausdrücken können. Der Fokus liegt dabei auf der gesprochenen Sprache und weniger auf der Grammatik.

Der Vorteil der freischaffenden Ärzte

Bei freischaffenden Ärzten ist die Situation eine andere. Anders als im Krankenhaus kann sich der Patient dort seinen behandelnden Arzt meist selbst aussuchen – auch nach dessen Sprachkompetenz. Wie Martina Christen in ihrer Arbeit schreibt, stoßen Ärzte mit eigenen Praxen daher seltener auf Sprachbarrieren mit Patienten als diejenigen, die in Krankenhäusern arbeiten.

Das Problem, das sich in diesen Fällen aber für den Patienten stellen kann: Er muss gegebenenfalls einen Kompromiss eingehen, sucht sich den Arzt zwar nach der passenden Sprache aber vielleicht nicht nach der besten medizinischen Qualifikation aus.

Laut Martina Christen greifen viele Expats in Luxemburg auf die Buchungsplattform Doctena zurück, um einen passenden Arzt zu finden. Aber längst nicht alle Ärzte sind auf der Plattform vertreten. Wer sich dort ein Profil anlegen will, muss dafür zahlen. Die Auswahl ist für die Patienten demnach begrenzt.

Politik legt den Fokus auf Luxemburgisch

Auch die Politik hat das Sprachproblem erkannt. Einige Parteien haben das Thema in ihrem Wahlprogramm aufgenommen und versprechen den Wählern grosso modo mehr Luxemburgisch im Gesundheitswesen. Die ADR will den Bürgern Zugang zu Dienstleistungen im Gesundheitswesen auf Luxemburgisch ermöglichen. Die Sprache soll dabei „keine Barriere“ sein.

Die DP und Déi Lénk wollen Luxemburgisch-Kurse fördern. Ein Krankenhausaufenthalt sei „eh schon belastend für den Patienten“ und es sei für manche Bürger schwierig sich in einer Fremdsprache auszudrücken, sagen die Liberalen. Sie wollen außerdem eine Art Dolmetscher für die Patienten einführen.

Auch die Piraten versprechen Übersetzer in den Krankenhäusern. Die CNS soll die Kosten dafür übernehmen. Sie gehen sogar noch einen Schritt weiter und wollen, dass der Patient sich „in jeder Amtssprache“ mit seinem Arzt verständigen kann – nicht nur auf Luxemburgisch.

Die CSV will laut Wahlprogramm Betriebe, die Sprachkurse anbieten, unterstützen. Die LSAP ihrerseits hält das Thema Sprache im Gesundheitswesen eher vage und spricht lediglich von einer „Förderung von Sprachkompetenzen im Rahmen der Erwachsenenbildung“. Sie will das „Angebot an Sprachkursen weiter ausbauen und verbessern“.

Ein Blick hinter die Kulissen der Krankenhäuser zeigt allerdings, dass bereits viele Sprachkurse – und vor allem Luxemburgisch-Kurse – in den Häusern angeboten werden. Bleibt die Frage, inwieweit eine weitere Förderung überhaupt notwendig ist.

Wird Luxemburgisch aber tatsächlich verstärkt im Gesundheitswesen eingesetzt, hilft das vor allem einer Bevölkerungsgruppe: den Luxemburgern, also den potenziellen Wählern. Für alle anderen bleibt das Sprachproblem aber bestehen. Es sei denn, sie finden doch noch einen Übersetzer.

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