Das extrem auf Personen zugeschnittene Wahlsystem zerfrisst das Fundament der Demokratie. Es produziert ein männerdominiertes Parlament, Patex-Politiker und Abgeordnete, die ihre eigentliche Pflicht vernachlässigen. Ein Kommentar.

Die Wähler lieben das Panaschieren und auch die Wahlbezirke sind im Grunde gut so, wie sie sind. Mit diesen Aussagen wehrte vor vier Jahren LSAP-Veteran Alex Bodry bei einer Diskussionsrunde Forderungen nach einer Reform des Wahlrechts ab. Heute hat die LSAP den Schaden: Als das Parlament am Dienstag zusammenkam, saß in den Reihen der Sozialisten keine einzige Frau. Dafür aber mit Bodry und Mars di Bartolomeo zwei Politiker, die bereits in den 1980er Jahren auf diesen Sesseln Platz nahmen. Die Partei tut sich schwer mit ihrer Erneuerung.

Die LSAP-Fraktion ist dabei nur das krasseste Beispiel. Auf den Wahllisten waren zu 46 Prozent Frauen, gewählt wurden zwölf Frauen, was gerade einmal einem Fünftel der Abgeordneten entspricht. Wirkungslos blieb die 2016 eingeführte gesetzliche Quote, die 40 Prozent des „unterrepräsentierten“ Geschlechts auf den Wahllisten einfordert. Es gibt noch weniger Parlamentarierinnen als vor der Wahl. Das Nachrücken in Folge der Regierungsbildung wird zwar voraussichtlich das Bild etwas aufhellen. Das grundsätzliche Problem aber bleibt.

Das Panaschieren perpetuiert die Probleme

Ein Grund ist klar: Das Panaschieren befördert die Wahl von bekannten Gesichtern. Die Listenstimmen legen die Gewichtung zwischen den Parteien fest, die persönlichen Stimmen entscheiden, wer ins Parlament kommt. In vielen Fällen sind es Politiker, die bereits ein Amt haben, sei es kommunal oder national. Und das sind vor allem Männer.

Die Kontrolle der Regierung vernachlässigen die Abgeordneten immer wieder sträflich.“

Damit erhöhen sich die Hürden gerade für junge Politiker und Kandidatinnen. Die Parteien gehen ein hohes Risiko ein, wenn sie diesen Teufelskreis durchbrechen und neue Gesichter nach vorne bringen wollen. Sie setzten also auf bewährte Strategien: Die Listen strotzten von kommunalen Amtsträgern, obwohl quasi alle Parteien gegen Doppelmandate sind.

Fehlende Kompetenz ist eine Gefahr

Die Parteien haben nur begrenzten Einfluss darauf, wen sie ins Parlament schicken. Das hat zur Folge, dass es in vielen Themenbereichen an kompetenten Volksvertreter fehlt. Es gibt Fraktionsmitarbeiter, die klagen, man könne selbst bei großen Parteien nur mit drei oder vier Abgeordneten ordentlich arbeiten. Selbst gewisse Fraktionsvorsitzende antworten Journalisten öfters, man solle sich mit dieser Frage doch bitte an den zuständigen Minister wenden, da wüsste man Bescheid.

Die Wähler haben die Lust am Panaschieren verloren.“

Genau das ist aber nicht die Rolle eines Parlaments. Die Kontrolle der Regierung vernachlässigen die Abgeordneten immer wieder sträflich. Der SREL-Skandal ist ein gutes Beispiel. Im Bericht der SREL-Untersuchungskommission von 2013 heißt es, dass der Geheimdienstkontrollausschuss eine „Alibi-Veranstaltung“ und nicht „proaktiv“ gewesen sei.

An den Wählern liegt es nicht

Das Panaschieren führt dazu, dass im Parlament vor allem Politiker sitzen, die gerne Hände schütteln. Und das obwohl inzwischen eine überwältigende Mehrheit der Wähler „de Rondel schwäerzt“. Die Listenstimmen machten bei diesen Wahlen knapp 64 Prozent aller Stimmen aus – das ist ein Rekord seit 1984. Es bestätigt sich ein Trend, der sich seit 2013 in allen Urnengängen zeigt. Die Wähler haben die Lust am Panaschieren verloren.

Damit wird auch ein klassisches Argument der politischen Klasse hinfällig, die immer wieder behauptet, der Luxemburger hänge so sehr am Panaschieren. Dass die Parteien diesen Trend übersehen haben, erklärt warum sie dennoch B-Promis wie etwa Ex-Journalisten auf den Listen platzierten. Deren durchweg enttäuschenden Resultate sollten den Parteistrategen eine Lehre sein.

Eine Hürde einer großen Wahlrechtsreform entfernen

Eine mögliche Lösung wäre, das Panaschieren einzuschränken, indem Wähler nur einen Teil ihrer Stimmen an Personen verteilen können. Die Parteien hätten so eine stärkere Kontrolle, wer wie auf der Liste platziert ist. Und damit wären sie auch in der Verantwortung, für ein ausgeglichenes Verhältnis von Frauen und Männern, Jung und Alt sowie Lebenserfahrungen und Expertise zu sorgen.

Es wäre eine niederschwellige Möglichkeit, um eine Reform des Wahlsystems einzuleiten. Anders als die Wahlbezirke steht das Panaschieren nicht in der Verfassung, sondern nur im Wahlgesetz. Die Mehrheit von Blau-Rot-Grün würde demnach reichen. Will die Politik langfristig die Bezirke anpassen oder abschaffen, wird das Panaschieren so oder so zum Problem. Denn niemand verteilt in der Wahlkabine 60 Stimmen. Das Ende des Panaschierens würde einen Neuanfang möglich machen.