Anders als vor fünf Jahren durften die Sozialpartner vergangene Woche bei den Koalitionsverhandlungen dabei sein. Die Geste war am Ende wohl wichtiger als der Erkenntnisgewinn. Doch immerhin bei der Arbeitszeit deutet sich Bewegung an.
André Roeltgen konnte sich einen Seitenhieb nicht verkneifen, als er am vergangenen Donnerstag das Außenministerium verließ. „Es gab einige da drin, die viel an ihren Smartphones herumgespielt haben“, bemerkte der OGBL-Präsident trocken über das Verhalten der Regierungsanwärter von DP, LSAP und Déi Gréng. „Ich hoffe, sie können multipolar denken und haben trotzdem zugehört.“
Große Euphorie klingt anders. Dabei sollte der Auftritt der Sozialpartner in den Koalitionsverhandlungen doch eigentlich ein Zeichen der Aufgeschlossenheit sein. Anders als vor fünf Jahren, war es dem Formateur Xavier Bettel dieses Mal wichtig, nicht nur Experten aus den Verwaltungen einzuladen, sondern auch Gewerkschaften und Arbeitgebervertreter. Nacheinander bekamen die Sozialpartner am vergangenen Donnerstag die Gelegenheit, ihre Positionen in aller Kürze darzulegen.
Anhaltende Spannungen
„Wir haben unsere Hauptanliegen nochmals erklärt“, so André Roeltgen im Gespräch mit REPORTER. „Es sind die gleichen, die wir den Parteien bereits vor den Wahlen unterbreitet haben.“ Zu den Prioritäten des OGBL gehören eine Erhöhung des Mindestlohns um zehn Prozent, das Einführen einer sechsten Urlaubswoche sowie steuerliche Entlastungen für kleine und mittlere Einkommen. Die Forderungen sind in diesen Punkten fast deckungsgleich mit dem Wahlprogramm der LSAP.
Dass seine Gewerkschaft diese Forderungen im Rahmen der Koalitionsverhandlungen nun erneut zum Ausdruck bringen konnte, ändere „nichts Fundamentales“, meint Roeltgen. „Ob es etwas gebracht hat, kann ich erst sagen, wenn wir wissen was im Koalitionsvertrag steht.“
Es fühlt sich immer gut an, wenn uns zugehört wird.“Romain Wolff, CGFP-Präsident
Trotz dieser Ungewissheit begrüßen die Sozialpartner das Gesprächsangebot des Regierungsformateurs unisono. „Es fühlt sich immer gut an, wenn uns zugehört wird“, meint Romain Wolff, der Präsident der Beamtengewerkschaft CGFP. Auch der Vorsitzende des Unternehmerverbandes UEL, Michel Wurth, spricht von einer „guten Initiative“ der Regierung in spe.
Das positive Feedback deutet darauf hin, dass die Einladung in die Koalitionsverhandlungen als positiver Akzent für den Sozialdialog wahrgenommen wird. In den vergangenen fünf Jahren war es mehrmals zu Spannungen zwischen den Sozialpartnern und der blau-rot-grünen Regierung gekommen.
Insbesondere die gescheiterten Verhandlungen über die Organisation der Arbeitszeit (das sogenannte PAN-Gesetz), hatten für einen Eklat gesorgt: Die Arbeitgeberverbände, aber auch der LCGB warfen Arbeitsminister Nicolas Schmit (LSAP) damals vor, er sei vor dem OGBL eingeknickt.
Keine inhaltlichen Diskussionen
„Wir sind sowieso nicht in diese Runde gegangen, um konkrete Forderungen zu stellen“, sagt auch UEL-Präsident Michel Wurth. „Es ging uns vor allem darum, der angehenden Koalition den wirtschaftlichen Kontext aus unserer Sicht zu erklären.“
Gänzlich ohne Forderung waren die Redebeiträge der Arbeitgebervertreter aber wohl nicht. Zur eventuellen Senkung der Steuerlast für Unternehmen meint Wurth auf Nachfrage: „Wir könnten uns vorstellen, dass der Steuersatz bis 2023 Jahr für Jahr leicht gesenkt wird. Dann wären wir am Ende der Legislaturperiode bei 20 oder 21 Prozent.“
Wir haben nie eine 38-Stunden-Woche gefordert, weil es in der Öffentlichkeit zu Missverständnissen führen kann.“André Roeltgen, OGBL-Präsident
Wesentliche Signale, in welche Richtung sich die Gespräche der drei Parteien in diesem Punkt bewegen, wurden bei den Gesprächen jedoch nicht ausgesendet. Die kurze Konsultation am vergangenen Donnerstag habe ohnehin keinen Raum für inhaltliche Diskussionen gelassen, heißt es seitens der Teilnehmer.
Flexibilität statt 38 Stunden
Gleiches gilt prinzipiell beim Thema Arbeitszeiten. Die Arbeitgeber wollen mehr „Flexibilität“. Die Gewerkschaften verstehen diese freilich als Verkürzung. Doch selbst OGBL und LCGB stellen sich nicht ausdrücklich hinter die Forderung der LSAP, die Wochenarbeitszeit gesetzlich auf 38 Stunden bei vollem Lohnausgleich zu senken.
„Wir haben nie eine solch präzise Forderung gestellt, weil es in der Öffentlichkeit zu Missverständnissen führen kann“, erklärt OGBL-Präsident André Roeltgen. „Die Arbeitszeiten werden in der alltäglichen Praxis nämlich nach ganz verschieden Modellen geregelt. Und nicht überall macht es Sinn, 38 Stunden zu fordern“, so Roeltgen.
Auch LCGB-Präsident Patrick Dury gibt zu bedenken, dass es „bei den Arbeitszeiten in etwa so viele verschiedene Modelle wie Betriebe gibt“. Der LCGB spreche sich deshalb für „flexiblere Arbeitszeiten zum Vorteil der Arbeitnehmer“ aus. Zweitrangig sei dabei, ob dies durch eine gesetzliche Reglung passiert oder im Rahmen von Kollektivverträgen über zusätzlichen Urlaub oder über Arbeitszeitkonten.
Inwiefern das Vorsprechen der Sozialpartner die Verhandlungen von DP, LSAP und Grüne beeinflusst, bleibt abzuwarten. Auch ob es in einer zweiten Amtszeit von Blau-Rot-Grün zu einer Wiederbelebung des Sozialdialogs kommen wird, bleibt offen. Weitere Gespräche mit den Sozialpartnern sind bis auf Weiteres jedenfalls nicht vorgesehen.