Steigende Arbeitslosigkeit, schleppende Digitalisierung und chronischer Personalmangel: Die Jobvermittlung der ADEM stößt immer mehr an ihre Grenzen. Die Corona-Krise erhöht den Druck auf den Arbeitsmarkt und damit auf eine ohnehin überlastete Behörde. 

Dem Arbeitsamt fehlt es nicht an Arbeit. Neue Stellenausschreibungen bleiben aus, Teilzeitarbeit ist die Regel und die Arbeitslosigkeit liegt seit Mai mit sieben Prozent auf einem Rekordhoch. Nach der Bekämpfung der Pandemie ist der Kampf gegen Arbeitslosigkeit eine der Prioritäten der Politik.

Der Erfolg hängt dabei allerdings nicht nur von neuen Maßnahmen und Konzepten ab, sondern auch von ihrer praktischen Umsetzung. Für die „Agence pour le développement de l’emploi“ (ADEM) könnte sich das allerdings als schwierig erweisen. Die Behörde versucht den Ansturm zu bewältigen, stößt dabei aber schon seit Jahren an ihre eigenen personellen Kapazitäten.

Schwierige Anpassung im Lockdown

„Während des Lockdowns hat die ADEM sichergestellt, dass die Dienstleistungen weiterhin angeboten wurden“, heißt es von der Pressestelle des Arbeitsamtes. Innerhalb kürzester Zeit wurden Gespräche nur noch per Telefon geführt, E-Mails ausgetauscht und neue Formulare online gestellt. Die Job-Berater waren nur noch im Notfall für persönliche Gespräche verfügbar. Wer sich während des Lockdowns zum Arbeitsamt begab, stand vor verschlossenen Türen.

Informationen zur neuen Funktionsweise der Beratung und Vermittlung erhielten Arbeitslose vor allem über die Webseite und per E-Mail. Menschen, die besonders schwer zu vermitteln sind, sollten zudem per Telefon kontaktiert werden. Der monatliche Besuch wurde so für einige zum monatlichen Telefongespräch. Jedoch konnte dies nicht für jeden sichergestellt werden. Mehrere Arbeitslose berichten, dass die zeitlichen Abstände zwischen den Gesprächen größer wurden.

Berater findet man nicht wie Sand am Meer.“Dan Kersch, Arbeitsminister

Doch nicht nur Arbeitslose, sondern auch ein Arbeitgeber berichtet von Missständen. Nach Informationen von REPORTER wollte das Unternehmen mehrere junge Arbeitslose mit einem Berufseinführungsvertrag einstellen. Das Amt konnte allerdings nicht genügend Bewerber vorschlagen – trotz steigender Arbeitslosenzahlen.

„Bei den Stellenmeldungen handelt es sich um risikobehaftete Stellen, bei denen ein Arbeitsmediziner die Tauglichkeit der Bewerber überprüfen muss“, erklärt die Pressestelle der ADEM auf Nachfrage von REPORTER. Die Praxen der Arbeitsmediziner waren allerdings bis Mitte Mai geschlossen, weshalb keine weiteren Arbeitslosen vermittelt werden konnten. Diese Erklärung vergaß man allerdings dem Unternehmen mitzuteilen.

Chronische Unterbesetzung

Grund für die dürftige Kommunikation des Amtes könnten personelle Engpässe sein. Zwar stellt das Arbeitsamt jedes Jahr mehr Menschen ein, doch es bleibt weiterhin unter den Erwartungen.

„Um effizient arbeiten zu können, sollte ein Berater nur 100 Arbeitslose betreuen“, sagte Gaby Wagner vor genau fünf Jahren. Während der jährlichen Vorstellung des Aktivitätsberichts der ADEM, wendete sich die beigeordnete Direktorin des Arbeitsamts mit diesen Worten vor der Presse an den damaligen Arbeitsminister Nicolas Schmit (LSAP). Damals musste ein Berater fast dreimal so viele Menschen betreuen. Der jetzige Komissar für Arbeit ließ sich damals jedoch nicht von den Zahlen beeindrucken. Zu seinem Amtseintritt 2009 waren es über 400 Arbeitslose pro Sachbearbeiter. Laut dem letzten Jahresbericht von 2018 waren es immerhin noch 255 Arbeitslose pro Berater.

Zahlen für die jetzige Lage hat das Arbeitsamt noch nicht vorgestellt. Der rasante Anstieg von Arbeitssuchenden lässt allerdings einen Trend erahnen. Dabei sollte gerade die Überlastung der Job-Berater mit der Reform der ADEM verhindert werden. Zudem sollte die Digitalisierung von verschiedenen Anfragen vor zwei Jahren mehr Zeit für die eigentliche Beratung ermöglichen.

Es wird unumgänglich sein, Mitarbeiter aus anderen Abteilungen für neue Zwecke einzusetzen.“Isabelle Schlesser, Direktorin der ADEM

Bereits vor Beginn der Krise versuchte Arbeitsminister Dan Kersch (LSAP) die ADEM personell weiter aufzustocken. Laut eigenen Angaben habe er seit Beginn seiner Amtszeit 60 weitere Arbeitsplätze bei dem Arbeitsamt geöffnet. Immerhin 20 davon sind Beratungsstellen, die innerhalb des letzten Jahres hinzukamen. Trotzdem reichen die jetzigen Kapazitäten nicht aus.

„Es wird unumgänglich sein, Mitarbeiter aus anderen Abteilungen für neue Zwecke einzusetzen“, sagte Isabelle Schlesser in einem Interview mit „Wort.fr“. Damit sei allerdings vor allem die Bearbeitung von Anträgen für Teilzeitarbeit gedacht, so die Direktorin der ADEM. Laut Isabelle Schlesser, wolle man zudem künstliche Intelligenz einsetzen, um festzustellen, für welche Angebote der Arbeitssuchende geeignet ist.

Aufstocken kaum möglich?

Der OECD zufolge hat sich ein solcher Schritt zur Digitalisierung der Arbeitsprozesse bereits in den Niederlanden bewährt. Auch hier lautet die Theorie, dass Job-Berater in anderen Abteilungen eingesetzt werden. Tatsächlich war gerade bei den Kurzzeitarbeitsanträgen die Nachfrage groß. Im April hat das deutsche Arbeitsamt etwa die Abteilung um das 14-Fache vergrößert. Der Joberhalt bleibt die oberste Priorität, die Belegung von neuen Arbeitsplätzen wird notgedrungen zweitrangig.

Die persönliche Beratung könnte durch die Digitalisierung allerdings zu kurz kommen. „Gerade dieser persönliche Bezug ist jedoch in vielen Fällen unabdingbar“, sagt eine Ex-Beraterin der ADEM, die nicht namentlich genannt werden will. Gerade Menschen, die schwer zu vermitteln sind, benötigen Berater, die sich für ein persönliches Treffen Zeit nehmen. Etwas, das erst seit einer Woche wieder teilweise möglich ist.

Wir müssen mit den Mädchen tanzen, die wir schon haben.“Dan Kersch, Arbeitsminister

Trotz einer Rekordzahl an Arbeitslosen bezweifelt Dan Kersch, dass man den Personalmangel innerhalb des Amtes allzu leicht beheben kann. „Berater findet man nicht wie Sand am Meer“, sagte der Arbeitsminister auf einer Pressekonferenz vor zwei Wochen. Laut der Pressestelle der ADEM hätte man in den vergangenen Jahren hingegen keine Schwierigkeiten gehabt, die offenen Stellen zu besetzen. Allerdings sei das Stellenprofil „sehr komplex und heterogen“, so das Arbeitsamt.

Für die meisten Stellen benötige man sowohl gute soziale Kompetenzen als auch ein großes Wissen über das luxemburgische Arbeitsrecht. Von Beratern, die schwerer vermittelbare Arbeitslose betreuen sollen, fordert die ADEM zusätzlich einen Abschluss in Psychologie oder Sozialwissenschaften. Für die anderen Beratungsstellen reicht ein Sekundarschulabschluss, was auf die große Mehrheit der Berater zutrifft.

Keine kurzfristige Lösung in Sicht

Trotzdem will das Ministerium nur bedingt auf Neueinstellungen setzen. Von den 1.700 noch zu besetzenden Stellen beim Staat sollen nur 26 auf die ADEM entfallen. Davon ist wiederum gerade mal eine Berater-Stelle zurzeit offiziell ausgeschrieben. Trotzdem beteuert Dan Kersch weiterhin, dass es nicht an den Mitteln des Ministeriums scheitern solle. Er sei bereit, noch weitere Stellen zu schaffen, wenn diese auch besetzt werden könnten.

Bis dahin gelte es aber, „mit den Mädchen zu tanzen, die wir schon haben“, so der Minister. Bis Ende des Jahres sollen Unternehmen weiterhin die Möglichkeit haben, auf Kurzarbeit zurückzugreifen. Ab diesem Zeitpunkt werden die meisten Berater womöglich erneut ihrer eigentlichen Tätigkeit nachkommen. Ob die Digitalisierung bis dahin so weit fortgeschritten ist, dass ein Berater nur 100 Arbeitslose betreut, bleibt jedoch fraglich.