Urgestein oder Neuling? Jeff Engelen ist beides. Seit Ende der 1980er Jahre ist der ADR-Mann politisch aktiv, wurde aber erst 2018 ins Parlament gewählt. Dem 66-Jährigen ging es dabei nie nur um den eigenen Erfolg, sondern vielmehr um seine Partei – die sich mittlerweile gewandelt hat.
Jeff Engelen weiß genau, was er will. Zur Sicherheit wirft er aber noch einmal einen Blick in die Speisekarte, bevor er bestellt. Nur um zu schauen, wie das Gericht auf Französisch heißt – falls die Bedienung kein Luxemburgisch versteht. Das „Filet de Sole“ soll es sein, „s’il vous plaît“. Zum Apéro gönnt sich der Neu-Abgeordnete an diesem sommerlichen Donnerstagmittag einen Porto. Zur Hauptspeise dann ein Glas Wein. Welchen? „Das ist egal, Hauptsache Wein.“
Dienstags, Mittwochs und Donnerstags ist Jeff Engelen normalerweise für Parlaments- und Kommissionssitzungen in der Hauptstadt. Für den Hin- und Rückweg braucht er drei Stunden mit seinem dunkelroten Peugeot. Danach noch ein paar Veranstaltungen – entweder für die Politik oder einen Verein. „Ich passe aber immer auf“, sagt er. Nach zwei bis drei Gläsern Wein oder drei bis vier „Mini“ ist Schluss. „Manchmal trinke ich auch gar keinen Alkohol.“ Schlimm sei es, wenn man dem verfalle.
Vom Gewerkschafter in die Politik
Im Alter von vier Jahren zog Jeff Engelen mit seinen Eltern aus den Niederlanden nach Luxemburg. Erst lebte er in Tüntingen, seit 1972 in Tratten. Mit 15 begann er eine Lehre als Kfz-Mechaniker in einer Autowerkstatt. Später wechselte er zu Goodyear, dann zu Circuit Foil. Zu der Zeit wurde er auch gewerkschaftlich aktiv – sein Einstieg in die Politik.
Angefangen hat alles im März 1987, als die drei Gewerkschaften Neutral Gewerkschaft Letzebuerg (NGL), Union des Journalistes Luxembourgeois vom Verlagshaus Saint Paul (UJL) und der Letzebuerger Rentner- an Invalidenverband (LRIV) gemeinsam für mehr Rentengerechtigkeit demonstrierten. Die Renten aus Privatsektor und öffentlichen Dienst sollten endlich aneinander angepasst werden und Jeff Engelen wollte sich für alle einsetzen, die weniger hatten als die Staatsbeamten.
Wer Wähler für sich gewinnen will, darf nicht zuhause auf der Couch sitzen bleiben.“
Vielleicht hat er es auch ein bisschen für sich selbst getan – er wollte aber vor allem mehr Gerechtigkeit: „Es ging mir immer um die Menschen und um das Land.“ Er streckt den Zeigefinger aus – das ist ihm wichtig. Bei der ADR sei das heute immer noch so.
Aus der Gruppierung 5/6-Komitee entstand schließlich das Aktionskomitee für Demokratie und Rentengerechtigkeit (ADR). Jeff Engelen ist neben Gast Gibéryen eines der Gründungsmitglieder. „Ich bin da so mit reingeschlittert“, sagt der 66-Jährige. Etwas, was ihm in seinem Leben oft passierte.
Lokalpolitischer Tausendsassa
Szenenwechsel. Jeff Engelen geht durch die „Buvette“ des Fußballvereins A.S. Wintger, zeigt mal mit dem Finger nach links, mal nach rechts. Hier hat er Strom- und Wasserleitungen verlegt, dort die Wände gestrichen, drüben ein paar Fliesen gelegt. „Ich bin hier praktisch zu Hause“, sagt er. In den 1990er Jahren hat er beim Aufbau geholfen.
Seit 33 Jahren ist er im Vereinsvorstand, schon mehrmals wollte er aufhören, gelungen ist es ihm bis heute nicht. Auch, weil vieles im Verein mit ihm steht und fällt. So wie die lokale „Sport Zeitung“. „Wir müssen das Layout morgen um acht Uhr in Druck geben“, sagt er während er in der „Buvette“ durch eine alte Ausgabe blättert. Die aktuelle wird 180 Seiten haben.
„Wir“ ist eigentlich er. „Wir“ kümmert sich fast alleine um das Layout der Zeitschrift, die Texte, die Fotos, die Auswahl der Themen, das Zusammentackern der Seiten. „Wir“ gibt das aber nicht gerne zu. Lieber lächelt er und drückt ein Auge zu.

Jeff Engelen ist seit 1986 Sekretär des Fußballvereins A.S. Wintger, Mitglied in mehreren Vereinen und Syndikaten. Er hat bereits sechs Bücher geschrieben – oder zumindest mitgeschrieben. Außerdem geht er gerne angeln, ist dabei ein lokalhistorisches Archiv in Wintger aufzubauen und macht gerne Fotos. Nicht ohne Stolz zählt er alles auf, Schweißperlen laufen über die Stirn und den Hals hinunter. Es sind bestimmt 40 Grad in der „Buvette“.
„De Jeff mécht dat schonn“
Jeff Engelen weiß, was von ihm verlangt wird. „De Jeff mécht dat schonn“, heißt es, wenn es etwas zu tun gibt. Er erzählt davon, legt dann langsam sein erstes Kinn in das zweite und lächelt. Gebraucht zu werden ist nicht schlecht.
Und dann macht er auch noch Politik. Gefühlt ewig auf Lokalebene (er ist seit 1990 im Gemeinderat), seit 2018 auf Nationalebene. Die ADR brauchte ihn und er half – mal wieder.
Dass er nach all den Jahren in der ADR ins Parlament gewählt wurde, war genau so geplant. Als Jean-Pierre Koepp noch für die ADR Norden im Parlament war, war Jeff Engelen der Mann im Hintergrund. Er schrieb Reden für „Koeppe Jemp“, arbeitete ihm zu. Doch mit dem Tod des Abgeordneten und dem Abgang des Ex-Parteikollegen Jean Colombera verlor die ADR auch einen Sitz im Parlament. Und der musste wiedergewonnen werden.

Der Vorteil von Jeff Engelen: Er kennt die gleichen Leute wie Jean-Pierre Koepp im Norden – und noch viele mehr. „Wer Wähler für sich gewinnen will, darf nicht zuhause auf der Couch sitzen bleiben“, sagt er.“Es ging mir aber nie um meine Person. Wir wollten nur, dass die ADR wieder einen Sitz im Norden erhält.“ Der Plan ging auf.
Die alte und die neue ADR
Jetzt sitzt Jeff Engelen mit seinem alten Verbündeten Gast Gibéryen auf der Oppositionsbank. Aber auch mit Roy Reding und Fernand Kartheiser. Die einen stehen für die Gründergeneration, die anderen für die Nachfolgegeneration. Die einen: Automechaniker und Schlosser. Die anderen: Anwalt und Diplomat.
Zeitweise hatten wir von links nach rechts alle möglichen Richtungen in unserer Partei vertreten. Das konnte nur zu Schwierigkeiten führen.“
Die Unterschiede könnten kaum größer sein. Und dennoch sieht Engelen keine. „Die Werte der Partei sind heute immer noch die gleichen“, sagt er. „Sie haben sich nur weiterentwickelt.“ Früher waren es die „kleinen Leute“ und die Renten, heute ist es die Luxemburger Sprache, die Identität, das Wachstum.
Die ADR würde sich immer noch für das einsetzen, was den Luxemburger beschäftigt – das seien heute nur andere Dinge als früher.
„Ich laufe keinem Journalisten nach“
Jeff Engelen war immer gerne Teil der ADR – auch, wenn es nicht immer einfach war. Die internen „Grabenkämpfe“ musste er aussitzen, sein Streit mit Ex-Mitglied Jean Colombera war Thema in den Medien. Colombera wollte die Partei 2012 verlassen, weil sie ihm zu konservativ geworden war. Jeff Engelen soll ihn in einer Sitzung unter anderem als „dreckigen Hund“ beschimpft haben. Er bestreitet das.
Doch die weitere Entwicklung der Partei hat die Episode durchaus geprägt. „Zeitweise hatten wir von links nach rechts alle möglichen Richtungen in unserer Partei vertreten. Das konnte nur zu Schwierigkeiten führen.“ Heute sei man wieder auf einer Linie. Colombera ist seit 2012 raus.
Heute ärgert ihn vor allem, dass die ADR mit rechtsextremen Parteien wie der deutschen AfD gleichgestellt wird. Das sei aber auch die Schuld der Presse. „Ich laufe keinem Journalisten nach“, sagt Jeff Engelen. Er streckt wieder den Zeigefinger aus. „Die ADR muss sich natürlich nach außen hin verkaufen, wir machen das aber selbst“. Vor allem über Social Media Kanäle wie Facebook oder Youtube oder die Sendung „ADR Télé“.
Jetzt in der Sommerzeit kann er sich aber vor allem wieder seinen Vereinen widmen, wieder mehr fotografieren, vielleicht mal wieder angeln gehen. Ob er es auch schafft in Urlaub zu fahren, weiß er noch nicht. „Mal schauen, ob die Zeit dafür reicht“, sagt er und reibt Daumen, Zeige- und Mittelfinger zusammen. Und wenn nicht dafür, dann zumindest für ein gutes Essen und ein Glas Porto.