Der von US-Präsident Donald Trump verkündete Ausstieg aus dem Atomvertrag mit dem Iran wird in der Islamischen Republik im Kontext der jahrzehntelangen traumatischen Beziehungen zu den USA beurteilt. Eine Presseschau aus einer Nation, deren Stolz durch Druck aus dem Ausland nur größer wird.
In deutschsprachigen Medien dominierte der angekündigte Ausstieg der USA aus dem Atomdeal mit dem Iran am Mittwoch ausnahmslos die internationale Berichterstattung. Für die Iraner und ihre Regierung war Donald Trumps Entschluss zwar nicht ganz unerwartet, hatte der amerikanische Präsident doch immer wieder angekündigt, den Vertrag aufkündigen zu wollen.
Überraschend war er in dieser Form trotzdem, zumal er für die Iraner zu einer Zeit kommt, in der ihre Wirtschaft stark unter Druck steht. Der iranische Rial ist im Verhältnis zum Dollar bereits seit Wochen auf einem Tiefststand. Während viele Iraner nun weitere verheerende ökonomische Konsequenzen befürchten, hoffen die Regierenden in Teheran zumindest auf den Fortbestand der Unterstützung durch Europa.
Das Medienecho im Iran, der eine der lebendigsten Zeitungsszenen im Mittleren Osten besitzt, ist geprägt von Empörung, Trotz, einem Hauch Spott, aber auch von konstruktiver und überlegter Analyse von bestehenden außenpolitischen Möglichkeiten der Islamischen Republik.
Gut-Böse-Schema der Islamischen Republik
Die Tageszeitung „Kayhan“, die gerne als konservativstes Blatt des Iran bezeichnet wird, titelte am Mittwoch: „Trump hat den Vertrag zerrissen – Jetzt ist es Zeit ihn zu verbrennen“. Im Artikel hieß es weiter, dass „die Vereinigten Staaten von all den im Vertrag aufgelisteten Privilegien Gebrauch gemacht und keine einzige seiner eigenen Verpflichtungen eingehalten haben“.
Nun, so die Zeitung, sei es für die iranische Regierung an der Zeit, mit größerer Geschwindigkeit die nuklearen Aktivitäten voranzutreiben. Passend dazu brachte die „Kayhan“ auf ihrer Titelseite eine Meldung, die einen amerikanischen Senator zitierte, der erfasst habe, dass Trump seit Beginn seiner Präsidentschaft ganze 3.000 Mal gelogen habe.
Der größte Widersacher Trumps in dieser Sache ist das amerikanische Volk selbst.“
In einem Land, in der die alte persisch-zoroastrische Maxime von „guten Gedanken, guten Worten und guten Taten“ nach wie vor als moralischer Maßstab gilt, scheint Trumps Verhalten umso mehr dem Selbstverständnis der iranischen Kultur zuwider zu laufen. Das passt ins „Gut-Böse-Schema“, dem die Islamische Republik seit ihrer Gründung folgt. In den iranischen Medien sieht man sich nach Jahrzehnten der Spannungen mit den USA wieder einmal bestätigt.
Die innenpolitisch reformkritische „Kayhan“ holte auch zur Kritik gegen die dem Westen gegenüber versöhnlich gestimmten inneriranischen Kräfte aus, „jene Freunde, die entgegen der kontinuierlichen Warnungen(…) Amerika vertraut haben und aus diesem Vertrauen heraus dem Feind der Menschen innerhalb dieser Grenzen viele Zugeständnisse gemacht haben“. Und weiter: „Die Erinnerung an diese Tatsache ist wichtig, denn vielleicht – aber nur vielleicht – wird sie für diese Freunde ein Lehrstück sein.“
Die USA und Trump haben „einen Fehler begangen“
Die reformorientierte Tageszeitung „Sharq“ bezeichnete Trumps Entscheidung ihrerseits als „kurz, mit scharfem Tonfall, mit denselben expliziten Behauptungen gegen die Islamische Republik wie immer“. Am Donnerstag titelte die „Sharq“ mit einem Zitat von Ayatollah Khamenei, der wie immer schnell auf Trump reagierte: „Ein stolzer Iran ist unerträglich für sie“. Weiter hatte der Revolutionsführer in Reaktion auf Trumps Ankündigung verlauten lassen: „Trump hat die Nation der Islamischen Republik bedroht, wir als iranische Nation sagen zu ihm: ‘Sie haben einen Fehler begangen’.“
Die „Sharq“ ließ ferner den Politikwissenschaftler Alireza Soltani analysieren: „Obgleich man die Aufkündigung des Vertrags als diplomatische Niederlage auffassen kann, bedeutet sie jedoch nicht das Ende. Der Vertrag ist nicht nur eine Vereinbarung zwischen dem Iran und den großen Mächten, sondern er ist auch eine internationale Leistung, die für die allgemeine Weltmeinung von Bedeutung ist.“
Der Niedergang in die Abgründe eines neuen Krieges wäre für alle, vor allem für die amerikanische Nation, eine große Katastrophe.“
Hingegen beschäftigte sich die „Ettelaat“, die im Jahr 1926 gegründet wurde und als älteste noch aktive Zeitung des Iran gilt, mit der Aussicht auf neue amerikanische Sanktionen. Sie wendete sich auch mit klaren Worten gegen die Kriegstöne Israels: „Es scheint, dass die Ausführung der Sanktionspolitik, zumal mit der Teilnahme anderer Länder der Welt an Seiten Trumps, unmöglich und nicht erfolgreich sein wird. Jedoch geht es in den Forderungen Netanyahus und der Saudis darum, Amerika in einen neuen Krieg im Mittleren Osten zu bewegen (…). Der Niedergang in die Abgründe eines neuen Krieges wäre für alle, vor allem für die amerikanische Nation, eine große Katastrophe.“
Vereint gegen den Erzfeind und offen für Europa
Die kurz nach der Revolution von 1979 gegründete Zeitung „Jomhuri-ye Eslami“ („Islamische Republik“) druckte am Donnerstag über einem Bild von der Ansprache Khameneis: „Der Iran steht vereint gegenüber der Verletzung der Versprechen der Amerikaner“.
Jedoch differenziert der Kommentator in der Zeitung folgendermaßen: „Man sollte den Ausstieg Amerikas aus dem Vertrag auf Anweisung von Trump nicht den Amerikanern zur Last legen. Dieses den internationalen Traditionen zuwiderlaufende Handeln hat der Glaubwürdigkeit und Würde des amerikanischen Volkes großen Schaden zugefügt. Der größte Widersacher Trumps in dieser Sache ist das amerikanische Volk selbst. Angesichts der irrationalen Entscheidung Trumps(…) kann die Regierung der Islamischen Republik, für den Fall dass die anderen Vertragsstaaten am Vertag festhalten, seinen Weg der Zusammenarbeit mit diesen Ländern zur Umsetzung des Vertrags fortführen.“
Eine gehörige Portion Trotz und Nationalstolz spricht aus diesen Zeilen der „Jomhuri-ye Eslami“: „Die erfolgreiche Erfahrung des Widerstands der iranischen Nation gegen die Verschwörungen und Sabotagen Amerikas haben gezeigt, dass diese Nation alle Herausforderungen überkommen und mit Scharfsinn den Verschwörungen gegenüber tritt (…). Die irrationalen und unüberlegten Handlungen des amerikanischen Präsidenten werden auch dieses Mal zu seinem eigenen Nachteil und zum Nachteil seines Volkes sein. Der Iran wird aus diesem Test erneut erhobenen Hauptes hervorgehen.“