Nächste Woche können Obdachlose in den Räumlichkeiten der Winteraktion gegen Covid-19 geimpft werden. Wie viele Menschen diese Aktion tatsächlich erreicht, bleibt unklar. Hilfsorganisationen kritisieren sowohl die Ausschlusskriterien als auch den Aufwand für betroffene Personen.
Am 1. und 2. Juni soll in den Räumlichkeiten der Wanteraktioun die erste Impfkampagne für Menschen, die in prekären Verhältnissen leben, starten. Sie untersteht der Verantwortung des Gesundheits- und des Familienministeriums und wird von der Caritas, dem Roten Kreuz und Inter-Actions gemeinsam organisiert.
Nähere Details zur Organisation und Durchführung der Aktion waren von offizieller Seite nicht in Erfahrung zu bringen. Die Fragen, wer nun tatsächlich geimpft wird, mit welchem Impfstoff und von wem, sind immer noch unklar. Ebenso ist fraglich, ob in nächster Zukunft weitere Schritte geplant sind, um marginalisierte Bevölkerungsgruppen direkt aufzusuchen und gegen Covid-19 zu impfen.
Eine Recherche von Reporter.lu war zur Schlussfolgerung gelangt, dass viele Menschen in Luxemburg durch das Raster der Impfstrategie fallen und auch von der Impfaktion auf dem Findel ausgeschlossen sind. Eine parlamentarische Anfrage von den Abgeordneten Marc Hansen und Djuna Bernard (beide Déi Gréng) bestätigte mittlerweile, dass bei der Impfung von marginalisierten Gruppen durchaus politischer Klärungsbedarf besteht.
Registrierungsnummer als Voraussetzung
Ein faktisches Ausschlusskriterium für eine Covid-19-Impfung, das in dem besagten Artikel von einem Vertreter der Hilfsorganisation „Médecins du Monde“ kritisiert wurde, ist die Verpflichtung, seine Identität für einen Impftermin bekannt zu geben. Für Menschen, die in prekären Verhältnissen leben, kann die Wahrung ihrer Anonymität ein wichtiger Schutz sein. Nicht umsonst arbeiten Hilfsorganisationen, die sich um diese Menschen kümmern, oft mit anonymisierten Personalakten.
Das Gesundheitsministerium wollte seinerseits in einer Stellungnahme nach der Recherche von Reporter.lu einige Punkte richtigstellen. So stört sich das Ministerium von Paulette Lenert (LSAP) an der Formulierung, wonach die Vorlage eines Passes oder Personalausweises für eine Impfung zwingend sei.
In dem Schreiben des Ministeriums wird präzisiert, dass das Vorlegen nur im Falle einer fehlenden Registrierung beim Nationalen Register natürlicher Personen (RNPP) verlangt werde und eine zur Impfung nötige Registrierungsnummer auch kurzfristig beim RNPP angefragt werden könne. Im Falle der Impfung von obdachlosen Personen könne das Verfahren zur Überprüfung, ob die richtige Person geimpft werde, auch flexibler gestaltet werden. Über die flexiblere Handhabe jedoch sind keine weiteren Details in Erfahrung zu bringen.
Administrative Hürden und Alternativen
Die Impfaktion am 1. und 2. Juni schließt Menschen jedoch auch aus anderen Gründen aus. Raoul Schaaf ist Direktor des „Centre national de défense sociale“ (CNDS). Unter seiner Verantwortung steht auch das Drogenhilfezentrum „Abrigado“. Er kritisiert sowohl die geografische Distanz als auch den administrativen Aufwand, der von den Betroffenen aufgebracht werden muss, um von einer Covid-19-Impfung profitieren zu können.
„Für unsere Kundschaft ist es nicht leicht, an einem bestimmten Tag, zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort zu sein“, beschreibt Raoul Schaaf die Situation. Er hofft, dass die Impfaktion auf dem Findel nur ein erster Schritt der Impfkampagne für marginalisierte Gruppen ist und dass danach weitere Angebote kommen werden: „Ich hoffe, dass in Zukunft auch in Luxemburg mit mobilen Teams gearbeitet wird, die die Menschen direkt in den Räumlichkeiten der Hilfsorganisationen aufsuchen und impfen.“
Neben den Verantwortlichen von „Abrigado“ und „Médecins du Monde“, äußern sich auch Mitarbeiter weiterer Hilfsorganisationen kritisch gegenüber der Planung und Durchführung der Impfungen von marginalisierten Gruppen der Gesellschaft. „Wenn du dir die Frage stellst, wo du heute Nacht schläfst und Infektionskrankheiten für dich ohnehin zu deinem Alltag gehören, dann hat eine Covid-19-Impfung für dich nicht unbedingt erste Priorität“, erklärt auch Sandy Kubaj von der „HIV-Berodung“. Deshalb sei es umso wichtiger, auf die Menschen zuzugehen und ihnen ein möglichst unkompliziertes Angebot für eine Impfung zu machen. „Menschen, die in niedrigschwelligen Verhältnissen leben, brauchen auch niedrigschwellige Angebote“, sagt Raoul Schaaf abschließend.
Wie weit die Ausarbeitung dieser niedrigschwelligen Angebote fortgeschritten ist, welche Rolle die mit den betroffenen Menschen arbeitenden Hilfsorganisationen in der Impfstrategie spielen und welche Kriterien eine impfwillige Person erfüllen muss, um geimpft zu werden, war von Seiten der Verantwortlichen zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Erfahrung zu bringen. Die Sprecherin des Gesundheitsministeriums verwies auf die erwähnte parlamentarische Anfrage von Déi Gréng, die in nächster Zukunft beantwortet werde und Klarheit bringen solle.
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