Zwei parlamentarische Anfragen der Abgeordneten Nathalie Oberweis fordern ein politisches Handeln gegen Gewaltanwendungen im Geburtssaal. Das Gesundheitsministerium hat zum jetzigen Zeitpunkt keine konkreten Pläne, um gegen das Phänomen vorzugehen.
Gewalt bei der Geburt ist ein weit verbreitetes Problem. Allerdings existieren in Luxemburg keine Statistiken dazu. Das zu ändern, ist eine Forderung der Abgeordneten Nathalie Oberweis (Déi Lénk), die kürzlich eine parlamentarische Anfrage zum Thema stellte. Die Abgeordnete fragt nach Plänen zur Erfassung der Fälle und zur systematischen Auswertung der Erfahrungen junger Mütter und Eltern. Zudem fordert die Politikerin von Déi Lénk, dass die Regierung sich die nötigen Mittel geben soll, um das Problem zu bekämpfen.
Die parlamentarische Anfrage von Nathalie Oberweis ist an Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) gerichtet und basiert auf der Feststellung, dass Gewalt bei der Geburt in den wenigsten Fällen eine notwendige Folgeerscheinung oder Nebenwirkung der Geburt sei. Vielmehr handele es sich um eine fest etablierte und systematische Praxis, die die Rechte der Frauen missachte und die Frau nicht in den Mittelpunkt des Geburtsprozesses stelle, so die Abgeordnete in ihrer Anfrage.
„Keine einheitliche Definition“
„Kein Land ist vor diesem Phänomen gefeit“, schrieb schon Sozialminister Romain Schneider (LSAP) auf eine parlamentarische Anfrage im Herbst 2019. Die Bürgerinitiative „The Roses Revolution“, die jedes Jahr am 25. November, am Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, Rosen vor die Kreißsäle legt, versucht auch in Luxemburg eine breite Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren. Es geht vor allem um Praktiken von zweifelhaftem medizinischem Wert, die oft ohne Einverständnis der Frau durchgeführt werden.
„Derzeit gibt es keine einheitliche Definition für den Begriff der geburtshilflichen Gewalt“, stellt Paulette Lenert in ihrer Antwort klar. Diese Tatsache mache es schwierig, Fälle systematisch zu erheben und Daten zu sammeln. Es sei auch zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgesehen, junge Mütter und Eltern zum Ablauf der Geburt ihres Kindes zu befragen, so die Ministerin.
Die Gesundheitsministerin weist aber darauf hin, dass die Krankenhäuser im Rahmen ihrer Auswertungen zur Patientenzufriedenheit auch jungen Eltern die Möglichkeit geben würden, ihre Erfahrungen mitzuteilen und gegebenenfalls auch Anzeige zu erstatten. Die Institutionen seien zudem verpflichtet, ein System zur Erfassung von „unerwünschten Ereignissen“ einzurichten.
„Ein Schlag ins Gesicht“
Die Antwort der Gesundheitsministerin sei „ein Schlag ins Gesicht aller Frauen, die Gewalt bei der Geburt erlebt haben“, schreibt Nathalie Oberweis als Reaktion auf ihrem Facebook-Account. Am Folgetag reicht sie eine zweite parlamentarische Anfrage zum Thema ein, weil sie sich mit den Antworten der Ministerin nicht zufriedengibt.
Die Abgeordnete fragt nun, ob die Gesundheitsministerin einverstanden sei, dass es vonnöten sei, eine klare Definition auszuarbeiten. Sie will auch wissen, ob bereits Anstrengungen unternommen wurden, eine solche zu entwickeln. Darüber hinaus wiederholt sie ihre Frage nach einer systematischen Erhebung von Daten, die die Grundlage bieten würden, die Leistungen der Geburtshilfe in Luxemburg zu verbessern.
„Ich kenne so viele Geschichten von Frauen, die Gewalt während der Geburt erlebt haben“, begründet Nathalie Oberweis ihre Hartnäckigkeit im Gespräch mit Reporter.lu. Anzeige zu erstatten, sei das letzte, an das eine junge Mutter denke. Die Politik sei hier gefordert, um gegen den systematischen Missbrauch und die Missachtung der Frauenrechte vorzugehen.
„Der erste Schritt liegt in der Erstellung einer soliden Datenbasis“, sagt die Parlamentarierin. „Darauf lässt sich dann aufbauen.“ Die Antwort von Paulette Lenert auf die zweite parlamentarische Anfrage steht noch aus.
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