Die Krise trifft Restaurants und Cafés besonders hart. Der Lockdown führte trotz Finanzhilfen vom Staat zu großen Einbußen. Die wenigsten Betreiber denken zwar daran, das Handtuch zu werfen. Und doch stehen in der andauernden Pandemie viele Existenzen auf dem Spiel.
Die Terrassen sind voll. Die Fußgängerzone der Hauptstadt erweckt den Anschein eines Booms in der Gastronomie. Ein Blick auf die Leere des Innenraums der Restaurants belehrt einen jedoch schnell eines Besseren. Spricht man mit den Betreibern, merkt man: In der Hauptstadt kämpft die Branche um das Überleben. Auch wenn sie den Lockdown noch überstanden haben, sorgen sie sich vor den Herbst- und Wintermonaten, die dieses Jahr besonders schwierig sein könnten.
„Den größten Unterschied erleben wir in den Mittagsstunden“, sagt Rémy Manso. Die Buchungen für seine Restaurants seien um etwa ein Drittel gefallen, so der Betreiber von mehreren Lokalen in Kirchberg, darunter das El Barrio und das ELA. Das Homeoffice führte vor allem dort zu einem tiefen Einschnitt in der Geschäftsbilanz. „Für die ganze Gruppe ergibt sich ein Loch von fast zwei Millionen Euro“, so Rémy Manso im Gespräch mit REPORTER.
Dieses Loch zu füllen, wird allerdings schwer. Zwar hätten im Juni wieder mehr Kunden den Weg in die verschiedenen Restaurants gefunden, aber aus den roten Zahlen ist die Gruppe noch lange nicht. Nach zwei schwierigen Jahren, die von der Tram-Baustelle in Kirchberg geprägt waren, hoffte der Unternehmer eigentlich auf große Gewinne. „Für uns ist es die Krise nach der Krise“, so Manso. Dass sein Unternehmen nicht allein in dieser misslichen Lage ist, ist dabei nur ein schwacher Trost.
Staatliche Hilfen haben nur das Schlimmste verhindert
Die staatlichen Hilfen konnten dabei lediglich das Schlimmste verhindern, eine Rettung waren sie allerdings nicht. „Den Großteil der Hilfen müssen wir irgendwann zurückzahlen. Die Frage ist mit welchem Geld“, sagt Paul Mreches, einer der Partner der Gruppe Maniax, der unter anderem die Lokale „Snooze“ und „Gruppetto“ gehören. Zurzeit sei es vor allem das Restaurant „Pavillon“ im Merler Park, das die Verluste der anderen drei Restaurants durch die große Terrasse abfedern würde. Für die Rückerstattung der Hilfen bleibe dabei aber nur wenig übrig: „Als Restaurant beginnt man erst an den letzten Tagen des Monats einen Gewinn zu erwirtschaften“, so Paul Mreches.
Sollte die Telearbeit weitergehen und damit unsere Kundschaft fernbleiben, müssen auch wir schließen.“Restaurantbesitzer in der Hauptstadt
Vor allem die Mietkosten bereiten dem Restaurantbesitzer Schwierigkeiten. Die meisten Lokale vereinbarten mit ihren Vermietern einen Aufschub der Miete, doch nicht jeder wollte das hinnehmen. Unter anderem die Restaurants im „Belval Plaza“ wollten sich gegen die Zahlung der Miete wehren. Der Besitzer, der Investmentfonds „Firce Capital“ schaltete jedoch die Gerichte ein. „Auf einmal hatten wir den Gerichtsvollzieher am Hals“, sagt Paul Mreches. Für das Burger-Restaurant „Snooze“ im Escher Einkaufszentrum musste die Gruppe Maniax deshalb die gesamte Kreditlinie bei der Bank ausschöpfen, um die ausstehenden Mieten zu begleichen.
Paul Mreches hätte sich mehr Unterstützung vom Staat erhofft, zum Beispiel indem Teile der Miete und der Arbeitgeberbeiträge übernommen würden. Letztere werden übrigens auch fällig, wenn Arbeitnehmer in Kurzarbeit sind. Auch Gabriel Boisante, unter anderem Besitzer des „Bazaar“ und Gemeinderatsmitglied für die LSAP, hätte sich vorstellen können, den Mehrwertsteuersatz und die Arbeitgeberbeiträge für ein halbes Jahr zu reduzieren. Er zeigt sich mit dem neuen Maßnahmenpaket der Regierung dennoch überwiegend zufrieden.
Kurzarbeit: ein Erfolgsmodell mit ungewisser Zukunft
Vor allem während des Lockdowns erhielt die Branche Hilfen vom Staat, um die ausfallenden Einnahmen abzufedern. Die Regierung verteilte zwei Mal eine Soforthilfe von 5.000 Euro an alle Kleinunternehmen und eine einmalige Subvention von 12.500 Euro an Unternehmen mit bis zu 20 Mitarbeitern. Die größte Unterstützung für betroffene Unternehmen blieb allerdings die Möglichkeit der Kurzarbeit.
Um die Rückkehr zur regulären Arbeit zu fördern, hat die Regierung jetzt allerdings die Bestimmungen angepasst. Der Staat unterscheidet nun je nach Branche, ob das Unternehmen einen vollen Anspruch auf Kurzarbeit hat oder nicht. Das Ministerium überprüft dies anhand des sogenannten NACE-Codes des Unternehmens, der die Branchenzugehörigkeit bezeichnen soll.
„Die meisten unserer Mitglieder haben noch nie etwas von einem solchen Code gehört“, sagt François Koepp im Gespräch mit REPORTER. Laut dem Generalsekretär der „Fédération nationale des hôteliers, restaurateurs et cafetiers“ (Horesca), hat das Statec allerdings mehreren Gastwirtschaften einen falschen NACE-Code zugewiesen. „Mehrere Mitglieder haben so den Anspruch auf Kurzarbeit verloren, wegen eines Verwaltungsfehlers. Wird jetzt nicht schnell gehandelt, könnte es für die Betroffenen das Aus bedeuten“, meint François Koepp. Da die Kassen vielerorts bereits leer sind, könnten die Gewerbe die Personalkosten nicht vorstrecken, so der Generalsekretär.

Die Tragweite eines Ausfalls der Kurzarbeit-Regelung wäre enorm. Der gesamte Sektor musste auf diese Möglichkeit zurückgreifen und auch heute noch gibt es kaum größere Restaurants, die ohne Kurzarbeit auskommen. Der Dachverband versucht nun mit dem Ministerium eine Lösung für die Betroffenen zu finden.
Die Verluste sind auf Dauer nicht wettzumachen
Die Zeit drängt, denn niemand rechnet damit, dass die Branche sich schnell wieder erholen wird. „Wir mussten ausgerechnet in unseren stärksten Monaten schließen“, sagt Luka Heindrichs, einer der Geschäftsführer des „Gudde Wëllen“, im Gespräch mit REPORTER. Allein im Juni erwirtschaftet das Lokal normalerweise doppelt so viel wie in einem durchschnittlichen Monat. „Die Events, wie der ING-Marathon, die Fête de la Musique oder die Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag geben uns den nötigen Puffer, um über den Winter zu kommen“, erläutert Heindrichs.
Der Klub ist allerdings mittlerweile einer der wenigen, der mehr Einnahmen erzielt als üblich. „Für den August mussten wir sogar eine weitere Person einstellen“ sagt Luka Heindrichs. Die stets gut besuchte Terrasse auf der „Corniche“, die die Stadt dem Lokal zur Verfügung stellte, hat vorerst das Überleben des „Gudde Wëllen“ gesichert. Während des Lockdowns musste man noch auf Crowdfunding und eine Kunstauktion setzen, um die ausstehenden Rechnungen und die Selbstständigen, die für das Lokal arbeiten, zu bezahlen.
Jedoch haben nicht alle Restaurants das Glück, eine Genehmigung für eine große Terrasse zu erhalten. Die Terrassen können die Zahl der Tische höchstens wieder auf den Stand vor der Pandemie setzen. „Im Gastwirtschaftsgewerbe gilt eine simple Rechnung: Man kann immer nur so viel verkaufen, wie man Sitzplätze hat“, sagt Gabriel Boisante. Die Einnahmen können also nicht steigen, da die Tischzahl in den meisten Fällen reduziert werden musste, um die Abstandsregeln einzuhalten.
Branche überzeugt: Die schwierigen Monate stehen bevor
Auch François Koepp rechnet damit, dass etwa 25 Prozent der durch die dreimonatige Schließung ausgefallenen Einnahmen nicht mehr wettgemacht werden können. Wie groß die Einbußen werden, hängt allerdings auch vom weiteren Verlauf der Pandemie ab. Der Horesca-Verband machte bereits früh deutlich, dass ein weiterer Lockdown nicht hinnehmbar wäre. Doch selbst ohne Lockdown könnte die Pandemie den Sektor im Herbst und Winter in die Knie zwingen.
Unser Konzept hat so keine Perspektive.“Luka Heindrichs, Geschäftsführer „De Gudde Wëllen“
„Für uns, und viele andere im Horesca-Sektor, ist der 31. August der Stichtag, auf den wir alle schauen“, sagt Renzo Bellanima. Der Besitzer des „Delirio Culinario“ hofft, dass die Regierung dann die Ausnahmeregeln für die Besteuerung von Grenzgängern, die im Homeoffice arbeiten, fallen lässt. Um zu verhindern, dass Pendler durch die Arbeit im Homeoffice sowohl in ihrem Heimatland als auch in Luxemburg besteuert werden, hat der Staat bis Ende August ein Abkommen mit den Nachbarländern abgeschlossen. Dadurch sind kaum mehr Grenzpendler in der Stadt anzutreffen. Renzo Bellanima schätzt, dass er mittags mittlerweile 50 bis 60 Prozent weniger Einnahmen erwirtschaftet, da Gäste, die im Stadtzentrum arbeiten, ausbleiben. „Sollte die Telearbeit weitergehen und damit unsere Kundschaft fernbleiben, müssen wir auch schließen“, so der Restaurantbesitzer.
Zudem lebt das Gewerbe in den Sommermonaten zusätzlich vom Tourismus. „Mit der Einstufung als Risikogebiet, fällt nun auch diese Kundschaft zum Teil weg“, sagt Paul Mreches. An das Szenario einer dritten Welle will er gar nicht erst denken. Er hat das Thema, wie viele andere der Branche, satt. Realistischerweise wird die Pandemie den Sektor allerdings auch noch in den kommenden Monaten prägen. „Zurzeit will jeder nur auf der Terrasse sitzen. Wenn diese im Oktober oder November schließen und sich nichts ändert, sprechen wir von rückläufigen Umsätzen von bis zu 80 Prozent und nicht wie zurzeit von 20 bis 30 Prozent“, sagt Gabriel Boisante.
Zwischen Existenzängsten und vorsichtigem Optimismus
Trotzdem wollen die meisten befragten Unternehmer durchhalten. „Während des Lockdowns sagte ich mir noch, ich würde mir das nicht noch mal antun“, sagt Paul Mreches. Jetzt wolle er trotzdem weitermachen, auch wenn die Zukunftspläne vorerst auf Eis gelegt wurden. Auch bei den anderen Restaurantgruppen will man kleinere Brötchen backen und die kommenden Monate abwarten. Zumindest bis zum Ende des Jahres würden die Restaurants der Manso-Gruppe über die Runden kommen, so ihr Geschäftsführer. Bei den anderen Gruppen gibt man sich vorsichtig optimistisch. Sie hätten geringere Schwierigkeiten als Restaurants in Kirchberg oder der Cloche d’Or, schätzt Gabriel Boisante.

Für kleinere Restaurants geht es allerdings bereits jetzt ums Überleben. Zwar könnte Renzo Bellanima des „Delirio Culinario“ bereits Geld einsparen, indem er Angestellte entlässt, um Arbeitgeberbeiträge zu sparen. Sollte die Ausnahmeregelung allerdings fallen, würde ihm dieses Personal im September fehlen. Es ist eine Zwickmühle. Er setzt nun alles auf die Hoffnung, dass jene Arbeitnehmer, die bisher im Homeoffice geblieben sind, wieder in die Stadt zurückkehren.
Obwohl „De Gudde Wëllen“ zurzeit gut läuft, sieht auch Luka Heindrichs für die Wintermonate schwarz. „Unser Konzept hat so keine Perspektive“, so einer der Geschäftsführer. Ab Mitte November müssen sie die Terrasse schließen, in den kleinen Räumen des Klubs können sie allerdings die gewohnten Konzerte nicht unter Einhaltung des Sicherheitsabstands organisieren. Als Kulturstätte hofft er auf staatliche Unterstützung und neue Lösungen, die das Überleben des Lokals sichern.
Nach der Coronawelle eine Insolvenzwelle?
Die Stimmung in der Branche lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Niemand rechnet damit, dass es nicht zu Insolvenzen kommen wird, man hofft nur, dass es einen nicht selbst trifft. „Die Herbst- und Wintermonate werden für viele ausschlaggebend sein, das ist weder optimistisch noch pessimistisch, es ist eine rein pragmatische Einschätzung“, sagt Gabriel Boisante.
Obwohl die Lage bereits jetzt für viele Restaurantbetreiber schwierig ist, schlägt sich die Krise aber noch nicht in den Bilanzen und oder in offiziellen Insolvenzen nieder. Nur die „Pizzeria Tomela“ in Grevenmacher gilt als insolvent. In Esch musste bereits der Catering-Betrieb „De Gourmang“ die Türen schließen. Auch das „Mi Garba“ an der Montée de Clausen hat seit Ende des Lockdowns die Türen nicht mehr geöffnet. Dazu kommen mehrere Restaurants in der Hauptstadt, die laut REPORTER-Informationen bereits ihr Geschäft verkauft haben oder bei denen die Insolvenz kurz bevorsteht.
Wird jetzt nicht schnell gehandelt, könnte es für die Betroffenen das Aus bedeuten.“François Koepp, Generalsekretär des Horesca-Verbandes
Die rechtliche Prozedur führt allerdings dazu, dass die Insolvenzen erst Wochen später öffentlich werden. Vor allem für Betreiber, die weiter an ihr Café oder Restaurant glauben, kann die Prozedur langwierig werden. Vor der richterlich gesprochenen Insolvenz stehen dem Restaurantbesitzer noch mehrere Möglichkeiten offen, das Unternehmen weiterzuführen. Unternehmer könnten etwa versuchen, einen Vergleich mit den Gläubigern zu finden, um die Insolvenz abzuwenden.
„Erst wenn wir merken, dass keine Mitgliedsbeiträge mehr gezahlt werden, können wir feststellen, wie viele durch die Krise aufhören mussten“, sagt François Koepp. Als Generalsekretär der Horesca rechnet er allerdings damit, dass die Krise ein „Todesstoß“ für jene Restaurants wird, die bereits vorher finanzielle Schwierigkeiten hatten. Es wäre wohl noch der glimpflichste Ausgang für das krisengebeutelte Gewerbe.