Der neue CSV-Präsident hat seit 14 Jahren Verbindungen zu einem privaten Sicherheits- und Militärunternehmen. Global Strategies Group ist weltweit aktiv – darunter im Irak und in Afghanistan. Es ist ein Beispiel für die mangelnde Regulierung von Sicherheitsfirmen.
Am Samstag wurde Frank Engel zum Präsidenten der CSV. Er will dieses Ehrenamt „quasi“ in Vollzeit ausüben. Wie er denn seinen Lebensunterhalt verdienen wolle, fragte Radio 100,7. „Frank Engel ist ein Typ, der es auch fertig bringt, zwei oder drei andere Dinge zu finden, mit denen er sein Geld verdienen kann“, sagte Engel über Engel.
Eine Antwort auf diese Frage findet sich im Januar 2005: In einem Büro in Luxemburg wechselt eine Gesellschaft ihre Aktionäre und ihren Verwaltungsrat aus. Ein internationales Unternehmen will seinen Sitz nach Luxemburg verlagern. Ungewöhnlicher sind die Beteiligten der Aktion. Es sind unter anderen Frank Engel, Patrick Santer und Léon Gloden.
In jenen Jahren wollen sich die drei einen Namen in der CSV machen und provozieren das Establishment mit ihrem „Think Tank“ Cercle Joseph Bech. Doch diesmal geht es nicht um Politik, sondern ums Geld. Santer und Gloden sind als junge Geschäftsanwälte bei Elvinger Hoss Prussen anwesend, Engel wird zum Mitglied des Verwaltungsrates der Universal Holding S.A. Er ist damals seit knapp vier Jahren Fraktionssekretär der CSV und einem lukrativen Nebenjob offenbar nicht abgeneigt.
Luxemburger Holding für ein führendes Militärunternehmen
Um was es beim Unternehmen tatsächlich geht, zeigt ein Blick in die Liste der Aktionäre. Es sind der Ex-Royal-Marine Damian Perl, dessen private Holding Damazein International sowie der Ex-Scots-Guard Charles Andrews. Die beiden britischen früheren Militärs sind 2005 mit ihrem Unternehmen Global Risk Strategies (kurz: Global) bestens bekannt in der Welt der privaten Sicherheitsfirmen. Im Juni 2005 ändern sie den Namen ihrer Luxemburger Gesellschaft in „Global Strategies Group Holding S.A.“ um.
Frank Engel ist bis heute Mitglied im Verwaltungsrat der Holding und bezieht ein Gehalt, wie er im Gespräch mit REPORTER bestätigt. Diese Aktivität, die bisher in der Luxemburger Presse kaum thematisiert wurde, ist durchaus einträglich. Von Global erhalte er monatlich knapp mehr als tausend Euro, so Engel. Gegenüber dem Europaparlament gibt er als Einkünfte den Bereich 1.001 bis 5.000 Euro brutto pro Monat an. Die Holding gab laut Jahresbericht 2016 insgesamt 739.583 Euro aus für einen Mitarbeiter und drei Mitglieder des Verwaltungsrates. Öffentlich zugängliche Dokumente geben keinen Aufschluss darüber, welchen Anteil Engel von dieser Summe erhält.

Das Millionengeschäft im Afghanistan und Irak
Mit Anfang 30 lancierten sich Damian Perl und Charles Andrews in das Geschäft der Privatarmeen. Der Afghanistankrieg war der Start ihrer Karriere. Sie flogen Mitarbeiter von NGOs und Medien von Großbritannien nach Kabul, berichtete der „Guardian“. Später wurde selbst die UN zum Kunden von Global, wie ein Bericht hervorhebt. Im Auftrag der Vereinten Nationen war das Unternehmen wesentlich an der Organisation der Wahlen 2002 in Afghanistan beteiligt.
Doch erst mit dem Irakkrieg kamen die richtig großen Aufträge. Der erste US-Zivilverwalter Jay Garner folgte im Frühjahr unmittelbar auf die Invasionstruppen. Mit seinem Team versuchte er, die irakische Verwaltung schnellstmöglich wieder in Gang zu bringen. Um ihn und seine Leute zu schützen, griff das Pentagon auf Perls Firma zurück. Das war der Anfang der privaten Sicherheitsfirmen im Irak, erzählte Garner dem „New York Times Magazine“.
Es blieb nicht der einzige Einsatz für Global. Allein 2003 erhielt das Unternehmen US-Aufträge in Höhe von knapp 15 Millionen Euro, um Personen und Gebäude im Irak zu schützen. Zwischen 2008 und 2012 summierte sich der Wert der von US-Behörden gekauften Dienste auf knapp 230 Millionen Euro. Das zeigt eine Datenbank der US-Regierung.
Ein profitables Geschäft und beste Regierungsbeziehungen
2006 verzeichnete die Luxemburger Holding von Global einen Gewinn von 32 Millionen Euro. Nach wechselhaften Resultaten machte der Konzern 2011 insgesamt einen Profit von 44 Millionen US-Dollar nach Steuern. Eine frühere Managerin gibt in ihrem Linked-In-Profil stolz an, dass Global innerhalb von sechs Jahren einen Umsatz von 600 Millionen Dollar erreicht habe.
Den wohl größten Coup landete Global 2007. Mit dem Cash aus den Aufträgen im Irak kaufte der Konzern das US-Unternehmen SFA Inc., einen Dienstleister und Lieferanten der amerikanischen Sicherheitsbehörden. Erst brachten Perl und sein Team 2009 die Firma unter dem Namen Global Defense Technology and Systems (GTEC) an die Börse. 2011 folgte der Verkauf an einen Investmentfonds, der Global einen Gewinn von 50 Millionen US-Dollar einbrachte.
Ein hübscher Nebeneffekt war, dass Global über den Kauf von SFA und den zugehörigen Tochterunternehmen Zugang zu den höchsten Behördenkreisen bekam. So wird 2007 auch ein gewisser John Brennan zu einem der Global-Manager. Brennan war damals ein Ex-Geheimdienstoffizier und unterhielt beste Beziehungen zum damaligen CIA-Direktor Georges Tennet. Brennan wurde 2009 Anti-Terror-Berater von Präsident Barack Obama, bevor dieser ihn 2013 zum CIA-Direktor ernannte.
Unbeantwortete Fragen nach Verantwortung
Global spielte demnach in der ersten Liga der privaten Sicherheits- und Militärdienstleister mit. Damit gingen unweigerlich hohe Risiken einher. Die US-amerikanischen Manager sorgten sich um das aggressive Vorpreschen von Damian Perl, wie der US-Sender CNBC berichtete.
Das Geschäftsgebaren von Global wirft weitere Fragen auf. Laut übereinstimmenden Medienberichten beschäftigte das Unternehmen im Irak und in Afghanistan vor allem Ex-Soldaten aus Nepal und von den Fidschi-Inseln. Sie waren eine kostengünstige Alternative zu den Ex-Mitgliedern von britischen oder amerikanischen Spezialeinheiten, die von anderen Firmen rekrutiert wurden. Wie gut Global seine eigenen Mitarbeiter schützte, stand im Mittelpunkt eines Prozesses in Großbritannien über den Tod des 39-jährigen Angestellten Julian Davies. Er starb im Juni 2004 als irakische Aufständischen sein Fahrzeug in einem Vorort von Mossul beschossen.
Davies Witwe klagte auf Entschädigung. Das Gericht sah eine Verantwortung von Global, akzeptierte aber die Argumente, dass die Ausrüstung von Davies ausreichend gewesen sei.
Ein Spiel mit unzähligen Offshore-Gesellschaften
Ein Verteidigungspunkt weist aber auf ein anderes Element hin. Die Anwälte des Unternehmens betonten, dass Davies gar nicht für das britische Unternehmen der Global-Gruppe, sondern für Global Strategies Group Hong Kong Limited arbeitete. Doch anders als der Name vermuten lässt, ist diese Firma nicht in Hong Kong ansässig, sondern hat ihren offiziellen Sitz auf den Turks- und Caicosinseln, einem autonomen britischen Überseegebiet. Das geht aus den konsolidierten Jahresberichten hervor, die im Luxemburger Handelsregister hinterlegt sind.
Global Hong Kong ist ein direktes Tochterunternehmen der Luxemburger Holding. Doch es ist nicht die einzige Offshore-Gesellschaft, die Global betrieb. Es gab eine Gesellschaft auf Zypern, die die Geschäfte in Kolumbien führte, sowie weitere in Dubai, Nigeria und den Britischen Jungferninseln. Das komplexe Firmengeflecht ist unübersichtlich und wurde – wie der Fall Davies zeigt – auch als juristischer Schutzwall genutzt.
Die Rolle der luxemburgischen Holding
Mitarbeiter des Unternehmens sterben, Konflikte in US-Geheimdienstmilieus und Geschäfte im dreistelligen Millionenbereich – ausreichend Sorgen für ein Verwaltungsratsmitglied. Doch Frank Engel sieht das anders: Die Luxemburger Holding sei nicht in das operative Geschäft eingebunden gewesen, erklärte er im Gespräch mit REPORTER. Die Gesellschaft sei 2005 als klassische „Holding 29“ gegründet worden, die laut Statuten auf Verwaltungsaufgaben beschränkt sei.
Er habe 2005 den Posten angenommen, weil er die Firmengründer gekannt habe. Bis heute ist Engel ununterbrochen Mitglied des Verwaltungsrats der Holding sowie einer weiteren Luxemburger Gesellschaft der Gruppe.
Allerdings scheint das Unternehmen das juristische Risiko anders einzuschätzen als Engel. In den Statuten steht im Artikel 22, dass das Unternehmen für finanzielle Aufwendungen im Falle von Klagen gegen die Mitglieder des Verwaltungsrats aufkommt.
Klar ist zumindest, dass das „Holding 29“-Statut Ende 2010 auslief – weil es von der EU als unlauterer Steuerwettbewerb eingeschätzt wurde. Genau wie andere Konzerne mit Sitz in Luxemburg wäre die Global-Holding spätestens ab diesem Zeitpunkt nicht gegen juristischen Schritten gefeit.
Schweizer Regierung wird auf Perl aufmerksam
Engels Sorglosigkeit ist zudem überraschend angesichts der Debatten in der Schweiz. In Sorge um die Neutralität des Landes versucht die Berner Regierung seit 2015 die privaten Dienstleiser zu regulieren und sie zu verpflichten, eine Zulassung zu beantragen.
Auf dem Radar der Schweizer Behörden erschien dabei auch Global-Gründer Damian Perl, weil er in einem Chalet in den Alpen lebt, berichtete „Le Temps“. Allerdings betonte Perl, dass er sein Unternehmen nicht von der Schweiz aus leite.
Bleibt die Frage, von wo aus Global tatsächlich operiert. Die Jahresberichte der britischen Tochter zeigen zumindest keine überbordende Aktivität. Perl hatte sein Unternehmen ursprünglich 1998 in Großbritannien gegründet. Das Land ist Sitz zahlreicher privater Sicherheitsdienste, die etwa im Irak aktiv waren.
Die britische Regierung setzte dabei sehr auf Selbstregulierung – anders als die Schweiz. Trotzdem habe sie die Aktivitäten dieser Firmen genau verfolgt, erklärt Elke Krahmann, Professorin für internationale Beziehungen an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Global habe in der Branche einen guten Ruf und sei eine lang eingesessene Firma, sagt die Forscherin, die sich seit Jahren mit privaten Sicherheits- und Militärdienstleistern beschäftigt.
Die schwierige Regulierung
Doch dass es Unklarheit über den tatsächlichen Sitz des Unternehmens gebe, sei kein gutes Zeichen. Oft sei das Problem, dass die Dienstleister ständig ihren Sitz wechseln und sich gegenseitig aufkaufen, sagt Elke Krahmann. Bei Vorfällen sei damit unklar, wer für Schäden aufkommen müsste.
Das Problem: Die internationalen Regeln für solche Unternehmen bestehen nur in Ansätzen. Ein Grundstein ist das sogenannte „Montreux-Dokument“, das 2008 in der UN diskutiert wurde. Darin wird explizit die Verantwortung des Landes genannt, wo die Militärunternehmen ihren Sitz und ihre effektive Leitung haben. Luxemburg hat den Text erst 2013 offiziell anerkannt, später als andere EU-Mitgliedsstaaten.
Trotzdem ist das Montreux-Dokument nur ein erster Schritt. „Das Problem ist, dass der Text sowohl die Dienstleister, die Auftraggeber sowie die Herkunftsländer und die Länder, wo die Aktivität stattfindet, in der Pflicht sieht. Damit besteht das Risiko, dass die Verantwortung hin und her geschoben wird“, erklärt Elke Krahmann.
Ein Geschäftsmodell ohne Zukunft?
Frank Engel lässt die Frage nach der richtigen Regulierung kalt. Global sei in einem Umstrukturierungsprozess und es sei wahrscheinlich, dass die Luxemburger Holding abgewickelt würde. Ansonsten wäre er entschlossen, sein Mandat im Verwaltungsrat abzugeben, so Engel gegenüber REPORTER.
Allerdings ist die Neuorientierung kein rezenter Vorgang. Nachdem die Kriegshandlungen im Irak und Afghanistan abgeklungen sind, mussten sich die privaten Dienstleister neu aufstellen. Global definiert sich heute als Investmentfonds in der Technologie- und Verteidigungsbranche. Im August 2018 änderte die britische Global-Gesellschaft ihren Namen in Mardam Global Services um. In Luxemburg veröffentlichte die Holding seit 2016 keine Jahresberichte mehr.
Frank Engel gibt sich derweil selbstkritisch: „Man muss sich fragen, ob Luxemburger Holdings noch ein Geschäftsmodell sind, auf das man setzen sollte.“ Die Frage der Verantwortung stelle sich nicht.
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