Schmutzige Wäsche wäscht man zu Hause. So lautet das Motto weiterhin in Luxemburg. Doch es wird Zeit für einen Sinneswandel, denn es braucht mutige Whistleblower. Ein Kommentar.
„An et soll een och ni vergiessen, datt déi ganz Affär LuxLeaks sech baséiert op geklauten Dokumenter. Hei ass eng Persoun, déi Dokumenter, da seet deen, da spillt dee Robin Hood, jo ech hunn dat gemengt, well dat wichteg wier, do déi Transparenz, a pattati a pattata. Et ass e Fait pénal do“, sagte Premierminister Xavier Bettel im RTL-Interview im Dezember 2014 – ein Monat nach Bekanntwerden des Skandals. Erst eine Woche zuvor hatte der frühere PwC-Mitarbeiter Antoine Deltour im Interview mit „Libération“ offengelegt, dass er Tausende Rulings kopiert und 2012 an den Journalisten Edouard Perrin weitergegeben hatte.
Deltour stand zu diesem Moment erst seit wenigen Tagen unter Anklage. Die Justiz betonte – wie immer – die Unschuldsvermutung. Trotzdem fühlte sich der Premierminister und früherer Rechtsanwalt bemüßigt, über ihn zu urteilen. Er mokierte sich über „diesen Robin Hood“, über diese „Transparenz“.
Das offenbart eine Geisteshaltung, die die blau-rot-grüne Regierung bis heute nicht abgelegt hat. Nicht jene Unternehmen, die geltendes Recht bis zum Anschlag gedehnt haben, stehen in der Schusslinie, sondern der Überbringer der Nachricht. Ganz im Sinne: „Shoot the messenger.“
Doch ohne Deltour, ohne Luxleaks und Panama Papers wäre die Debatte über Steuergerechtigkeit nicht dort, wo sie heute ist. Dass Unternehmen oder Superreiche kaum bis keine Steuern zahlen, ist nicht akzeptabel. Das sagt selbst Bettel.
Nur mit „guten Absichten“
Unter dem medialen Druck zu Beginn des Luxleaks-Prozesses im April 2015, versprach Justizminister Felix Braz, die Whistleblower besser zu schützen. Passiert ist seither … nichts. Sein Gesetzentwurf kommt wohl nicht mehr vor den Wahlen, sagte Braz im Gespräch mit REPORTER.
Und sowieso würde der Schutz nur für „gute“ Whistleblower gelten. Das sind jene, die erst ihre Vorgesetzten über Missstände informieren – in „guter Absicht“. Hinweisgeber sollen „wenig invasiv“ vorgehen, sagte Braz 2015 im Interview mit dem „Luxemburger Wort“. „Es geht auch darum, dem Ruf eines Unternehmens oder einer Organisation nicht unverhältnismäßig zu schaden“, so der Justizminister damals. Sprich: Die schmutzige Wäsche soll nicht in der Öffentlichkeit gewaschen werden.
Die Regierung ist mit ihrer Skepsis nicht alleine. Es sei „Denunziation“, wenn Arbeitnehmer innerhalb eines Unternehmens als Whistleblower aktiv werden, schrieb noch 2013 das Verwaltungsgericht in einem Urteil. Das entspreche einfach nicht den Luxemburger Gepflogenheiten.
Mit Risiken und Nebenwirkungen
Angesichts dessen, was wir über Luxleaks, den VW-Dieselskandal, die Zinsmanipulationen Libor oder Datenmissbrauch bei Facebook gelernt haben, ist diese Haltung schlicht naiv. In keinem dieser Fälle haben Unternehmen oder Verwaltungen es im Alleingang geschafft, Entwicklungen zu stoppen, die ganz offensichtlich aus dem Ruder gelaufen sind.
Die Komplexität in modernen Gesellschaften ist derart groß, dass jeder nur einen kleinen Abschnitt des Räderwerks überblickt. Und da sollte der Staat jeden schützen, der meldet, wenn irgendwo etwas gewaltig hakt – egal unter welchen Bedingungen.
Das „Chamberleak“ ist nur das rezenteste Beispiel aus Luxemburg. Die Verantwortlichen des Parlaments beschäftigten sich mehr damit, dass jemand die vertraulichen Dokumente fand. In den Hintergrund geriet die Frage, warum sie überhaupt zugänglich waren und wie man das offensichtliche Problem behebt.
Whistleblowing hat Risiken und Nebenwirkungen. Hinweisgeber sind auch nur Menschen und haben eigene Motive und Interessen. Das ändert aber nichts daran, dass es Whistleblower braucht. Das gilt besonders für ein Land, dessen Verwaltungen chronisch unterbesetzt sind, und das einen gigantischen Finanzplatz beherbergt. Wenn alle wegschauen, ist niemandem geholfen.