Selten hat ein EU-Vorhaben so viel Kontroverse ausgelöst wie die Reform des Copyrights im Internet. Doch intensives Lobbying, übermotivierte Gegner und selbst die dünnhäutig reagierende EU-Kommission vernebeln die Tatsachen. Zehn Fragen und Antworten.
Warum braucht es eine Reform?
Das aktuelle EU-weit gültige Copyright stammt aus dem Jahr 2001. Da gab es Google erst seit vier Jahren, Youtube ging vier Jahre später online. Seitdem hat sich die Art und Weise, wie wir das Internet nutzen, grundlegend verändert. Entsprechend fehlen bis heute einheitliche Regeln, wie das Urheberrecht im Netz angewandt werden muss. Der zuständige Kommissar sagt, es würden im Internet Zustände wie im « Wilden Westen » herrschen. Um das zu ändern, legte die Kommission im September 2016 einen Richtlinienvorschlag « über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt » vor.
Wie ging es weiter?
Es folgten Verhandlungen zwischen der Kommission, dem Rat und dem Europäischen Parlament. Vor allem unter den Abgeordneten gab es 2018 heftige Diskussionen. Die Parlamentarier brachten zahlreiche Änderungsanträge ein. Letztlich stimmte eine deutliche Mehrheit im September für die Aufnahme von Verhandlungen mit der Kommission und dem Rat. Dieser sogenannte Trilog endete vergangene Woche mit einem Kompromiss.
Um was geht es genau?
Der Text regelt, wie geschützte Werke wie Musik, Text oder Bilder genutzt werden dürfen. Dazu zählt, wie Lizenzen für die Nutzung gewährt und wie Urheber entschädigt werden sollen. Es gibt unterschiedliche Kapitel für Bibliotheken, Museen und Forschungseinrichtungen sowie für die Nutzung von Presseinhalten und schließlich für Online-Plattformen wie etwa Youtube. Auch das Verhältnis zwischen Künstlern und den Verwertungsgesellschaften, die die Lizenzen vergeben, wird geregelt.
Warum ist der aktuelle Kompromiss umstritten?
Umstritten sind vor allem zwei Artikel. Artikel 11 regelt die Vergütung von Presseorganen, wenn kommerzielle Online-Plattformen deren Inhalte wie etwa Artikel nutzen. Das beinhaltet zum Beispiel das Anzeigen von Auszügen, wie es Google News tut. Doch Google warnt, dass das Aushandeln von Lizenzen schwierig ist und die Regeln dazu führen könnten, dass nur die Artikel großer Medienhäuser angezeigt werden würden. Ein Link allein bedarf keiner Lizenz, doch unklar ist, ob die Vorschau, die etwa Facebook von einem Link zeigt, unter die Copyright-Richtlinie fallen werden.
Der zweite besonders strittige Punkt ist Artikel 13. Er regelt, dass Online-Plattformen wie etwa Youtube Lizenzen für möglichst alle Inhalte aushandeln müssen, die ihre Nutzer hochladen. Haben sie die Rechte nicht, müssen sie die Inhalte herausfiltern. Die Gegner kritisieren solche « Uploadfilter », weil sie fehleranfällig und für kleinere Unternehmen sehr schwer umzusetzen sind. Befürworter behaupten, dass das technisch kein Problem sei. Eine weitere Sorge ist, dass solche automatischen Filter für Zensur eingesetzt werden könnten. Kritiker nennen vor allem das Beispiel Ungarn.
Gibt es Proteste gegen das Vorhaben?
Seit vergangenem Jahr riefen die Gegner der Reform dazu auf, Abgeordnete und Minister in den Mitgliedsstaaten anzuschreiben und sie aufzufordern, sich gegen den Vorschlag zu stellen. Aktivisten starteten die Initiative #SaveYourInternet. Politiker beschwerten sich über massenhafte Mails. Laut einem Bericht der « FAZ » sind auch Internetkonzerne an der Kampagne beteiligt.
« Rettet das Internet » – ist das nicht ein wenig dramatisch?
Ja und Nein. Negative Entwicklungen im Internet wie Monopole der großen Konzerne, weit verbreiteter Hass und falsche Informationen haben wenig mit Copyright zu tun. Trotzdem ist die Gefahr real, dass die teils strengen Regeln zwar dazu führen, dass die Digitalriesen Geld an Urheber zahlen müssen, gleichzeitig aber ihre Position gestärkt wird. Kleine und junge Unternehmen werden Schwierigkeiten haben, die Anforderungen umzusetzen. Auch für kleine Verlage könnte es schwieriger werden, im Internet präsent zu sein. Die « Uploadfilter » tragen möglicherweise ebenfalls dazu bei, die lebendige Kultur der « Memes » und Remixes zu stören. Und nicht nur Onlineaktivisten warnen vor der rechtlichen Unsicherheit, die der Text verursachen wird.
Welche Position vertritt die luxemburgische Regierung?
Die Vertreter der Mitgliedsstaaten stimmten an diesem Mittwoch mehrheitlich für den Text. Luxemburg lehnte den Entwurf aber zusammen mit den Niederlanden, Polen, Italien und Finnland ab. Der Grund: Gerade Artikel 11 sei nicht ausreichend klar. Auch befürchtet die Regierung negative Konsequenzen für Luxemburger Start-ups bei der Umsetzung der Regeln.
Wie positionieren sich Luxemburgs Abgeordnete?
Die Europaabgeordneten Frank Engel (CSV), Georges Bach (CSV), Christophe Hansen (CSV) und Charles Goerens (DP) stimmten für den Reformtext, Mady Delvaux (LSAP) und Tilly Metz (Déi Gréng) dagegen. Auf nationaler Ebene sind nur die Piraten richtig aktiv, deren Abgeordneter Sven Clement beim Thema aufblüht. Sie sind klar gegen den Text.
Wer ist für die Reform?
Gute Frage. Es sind vor allem die Verbände, die die Urheber vertreten, die sich positiv äußern. Das sind in Luxemburg etwa die Sacem und Luxxor. Das überrascht auch wenig, denn als Verwertungsgesellschaften erhalten sie künftig mehr Macht. Doch auch der Europäische Journalistenverband ist für den Text. Andere haben ihre Meinung geändert: Die Bertelsmann-Gruppe (u.a. RTL, Gruner+Jahr) machte erst kräftig Lobbyarbeit, stellt sich aber nun gegen den Text. Die Regeln seien zu kompliziert in der Umsetzung.
Wie geht es jetzt weiter?
Nächste Woche stimmt der zuständige Ausschuss des Europaparlaments über den Text ab. Im April sollen dann alle Abgeordneten im Plenum endgültig über den Text entscheiden – kurz vor den Europawahlen. Auch der Rat der Minister muss noch zustimmen. Das scheint allerdings nach der Abstimmung am Mittwoch nur noch Formsache. Das Copyright wird wahrscheinlich trotzdem ein wichtiges Thema im Wahlkampf.
Update: Die EU-Direktive wurde am 26. März im Europaparlament mit 348 Stimmen dafür und 274 Stimmen dagegen angenommen. Es gab 36 Enthaltungen. Zuvor war ein Antrag knapp gescheitert, Änderungen zu einzelnen Artikeln noch zu erlauben (312 Stinmen für eine Auseinandersetzung mit den Änderungsanträgen, 317 dagegen – 24 Enthaltungen.) Die Luxemburger Regierung war gegen den Text in seiner jetzigen Form.
