Brauchen Familien mit traditioneller Rollenverteilung mehr Geld? Oder soll die Politik in erster Linie berufstätigen Vätern und Müttern mehr Zeit für ihre Kinder geben? „Wahlfreiheit“ versus „Karriere und Kind“: So scheinen die Linien zu verlaufen im aktuellen Wahlkampf.

„Jede Familie soll in ihrem Modell unterstützt werden“, sagt CSV-Vizepräsidentin Françoise Hetto-Gaasch. Dass bei der Vorstellung des Wahlprogramms ihrer Partei bei den Maßnahmen für Familien allein die Wiedereinführung der Erziehungszulage hängen blieb, ärgert die frühere Ministerin für Chancengleichheit. Von der Erziehungszulage hätten einst nicht nur Ein-Verdiener-Haushalte profitiert, sondern auch finanziell schwache Elternpaare, die beide berufstätig waren. Und genau die wolle man mit einer sozial gestaffelten Zulage fördern.

„Die Politik war zuletzt darauf ausgerichtet, es Eltern bequem zu machen. Die Frage, ob jede Maßnahme für Kinder gut ist, wurde nicht gestellt“, meint Françoise Hetto-Gaasch und erinnert an die langen Betreuungszeiten bereits für kleine Kinder in der „Crèche“. „In den ersten drei Jahren des Kindes wollen wir Familien die Zeit einräumen, die sie benötigen.“ Dass die Konservativen das klassische Rollenmodell bevorzugten, verneint sie und verweist auf weitere CSV-Vorschläge, wie die Verlängerung des Vollzeit-Elternurlaubs auf acht Monate, die Förderung von Teilzeitarbeit und alternativen Kita-Konzepten.

Die Sache mit der « Wahlfreiheit »

Als „leeren Slogan“ bezeichnete Familienministerin Corinne Cahen in einem RTL-Interview kürzlich die von der CSV propagierte „Wahlfreiheit“. Ihr DP-Kollege Gilles Baum, der die parlamentarische Familienkommission leitet, hat für den Vorschlag der Konservativen einen Kommentar übrig: „zurück zu KKK: Kinder, Küche und Kirche“. Die Wahlfreiheit gebe es schon heute, meint er: „Es wird doch niemand gezwungen, seine Arbeit aufzugeben oder sein Kind in eine Betreuung zu geben.“

Sozial schwachen Familien sei die Regierung in dieser Legislaturperiode bei der Steuerreform und mit dem Mietzuschuss entgegengekommen, so Baum weiter. Mit 485 Euro – so hoch war die Erziehungszulage einst – sei niemandem geholfen. Besser sei es, Frauen in der Beschäftigung zu halten und die Arbeitszeiten so flexibel zu gestalten, dass Familien mehr Zeit miteinander verbringen.

Es wird doch niemand gezwungen, seine Arbeit aufzugeben oder sein Kind in eine Betreuung zu geben.“ Gilles Baum, Abgeordneter der DP

Der DP-Vorschlag: Ein „Congé parental plus“ – eine Verlängerung des bisherigen Elternurlaubs um 18 bis 36 Monate, je nachdem ob Vater oder Mutter halbtags oder komplett zuhause bleiben. Einen finanziellen Ausgleich vom Staat gibt es dafür nicht, jedoch sollen aus Steuermitteln die Rentenbeiträge in diesem Zeitraum übernommen werden. Würden beide Elternteile jeweils in Vollzeit zuhause bleiben und alle Möglichkeiten beim Elternurlaub ausschöpfen, wäre das Kind knapp drei Jahre alt.

Forderungen nach Teilzeit-Anspruch

Einen Anspruch auf reduzierte Arbeitszeiten über den Elternurlaub hinaus sieht die DP nicht vor. Anders die LSAP: Sie will eine Teilzeit aus familiären Gründen für Eltern mit Kindern bis 12 Jahren einführen. Auch hier soll es staatliche Hilfe für die Rentenbeiträge geben. Die Sozialisten setzen sich für eine gerechte Aufteilung von beruflichen und familiären Pflichten zwischen Frau und Mann ein. „Eltern wollen heute beides“, sagt Taina Bofferding, die die LSAP in der parlamentarischen Familienkommission vertritt. Wenn etwa eine Mutter ihren Job wegen des Nachwuchses aufgebe, drohe ihr im Fall einer Scheidung eine prekäre finanzielle Lage. „Als verantwortungsvoller Politiker kann man ein solches Modell nicht befürworten.“

Auch den Grünen schwebt ein Teilzeit-Anspruch bis zum 12. Lebensjahr des Kindes vor mit der Möglichkeit, die Rentenansprüche in diesem Zeitraum aufzustocken. Zudem schlägt die Partei weitere Maßnahmen vor, um gezielt Väter zum Elternurlaub zu motivieren. „Chancengleichheit“ –dies auch ein Stichwort bei déi Lénk, die sich neben einem Recht auf reduzierte Arbeitszeiten auch einen Vollzeit-Elternurlaub von zwölf Monaten wünschen.

ADR will eine « natalistische » Politik

Das finanziell attraktivste Wahlversprechen kommt von der ADR, die nach eigenen Angaben eine „natalistische“ – sprich geburtenfördernde – Politik betreibt. Ebenso wie die CSV fordert sie eine „Wahlmöglichkeit“ für Eltern. Doch statt einem überschaubaren Erziehungsgeld möchte sie Elterngeld in einer Höhe einführen, die für manchen durchaus als Anreiz zum „Daheimbleiben“ geben könnte: 2.000 Euro fürs erste Kind plus mehreren hundert Euro für jedes weitere Geschwisterchen. Und das bis zur Einschulung im „Secondaire“.

Es kann keine Rede davon sein, das Elterngeld würde sich zum Ziel setzen, Mütter wieder hinter den Herd zu befördern.“ Sylvie Mischel, Kandidatin der ADR

„Es kann keine Rede davon sein, das Elterngeld würde sich zum Ziel setzen, Mütter wieder hinter den Herd zu befördern, wie das hin und wieder behauptet wird“, widerspricht Sylvie Mischel, Präsidentin der ADR-Frauen. Schließlich stehe es Müttern und Vätern frei, zusätzlich zu arbeiten und mit dem Elterngeld die Kinderbetreuung zu finanzieren. Dem Armutsrisiko im Fall einer Scheidung solle vorgebeugt werden, indem Rentenbeiträge auf das Elterngeld fällig werden.

Auf wenig Gegenliebe stößt der Vorschlag bei DP-Politiker Gilles Baum. Wenn nur zehn Prozent der Mütter aufgrund des Elterngeldes zuhause blieben, schaffe dies enorme Personalengpässe für die luxemburgischen Betriebe: „Woher sollten sie die Leute holen? Dann müssten sie noch stärker auf Grenzgänger zurückgreifen.“

Welche Flexibilisierung in der Arbeitsmarktpolitik in den kommenden Jahren Wirklichkeit wird, bleibt spannend zu sehen. Neben Teilzeitmodellen und gegebenenfalls einem erweiterten Elternurlaub werden aller Voraussicht nach auch die Schaffung von Arbeitszeitkonten und die Télé-Arbeit ein Thema sein. Die Flexibilisierung der Arbeitszeiten ist immer wieder ein Zankapfel zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern. Da die Politik eine Abstimmung mit den Sozialpartnern anstrebt, wird die konkrete Ausgestaltung sicherlich nicht nur von den Koalitionspartnern abhängen, sondern auch von den Vorstellungen von Arbeitgebern und -nehmern.

Schlechte Aussichten für Gratis-Kinderbetreuung

Je nach Regierungsbildung könnte es eine Rolle rückwärts beim Kindergeld geben. Aktuell liegt es bei 265 Euro pro Kind, für ältere Kinder bei 285 bzw. 315 Euro. Seit der Reform von 2016 ist die Hilfe unabhängig von der Anzahl der Kinder in einem Haushalt. Die CSV will Familien ab drei Kindern nun eine Extra-Zulage zukommen lassen. Sie soll je nach Einkommen gestaffelt sein. Zahlen nennt die Partei nicht.

Diese bleibt auch die LSAP schuldig, die das Kindergeld ab dem kommenden Jahr „strukturell erhöhen“ möchte. Eine automatische Anpassung an die Lebenshaltungskosten, die seit 2006 nicht mehr stattfindet, befürworten die Sozialisten ebenso wie déi Lénk und die ADR. Letztere bringt die weitreichendste Erhöhung ins Spiel, von der insbesondere kinderreiche Familien profitieren würden. Für einen Mechanismus zur Anpassung von verschiedenen Familienbeihilfen, darunter das Kindergeld, hat DP-Ministerin Corinne Cahen bereits 2016 ein Gesetzesprojekt in die Chamber eingebracht. Im Wahlprogramm ihrer Partei sind Änderungen beim Kindergeld ebenso wenig ein Thema wie déi Gréng.

Die Schule ist auch gratis, sowohl für die Bankierstochter als auch für Sozialhilfeempfänger. »Carole Thoma, Déi Lénk

Während in der aktuellen Legislaturperiode die 20-stündige Gratis-Betreuung in der „Crèche“ eingeführt wurde, dürfte eine komplette Übernahme der Kosten durch den Staat so bald nicht Realität werden. DP, LSAP und déi gréng wollen lieber in die Qualität und den Ausbau des Angebots investieren. Die CSV setzt sich für eine kostenlose Betreuung für Grundschulkinder ein, die aber schrittweise eingeführt werden soll.

Bei den Linken spiegelt sich das Streben nach einem starken Sozialstaat in der Forderung nach einer beitragsfreien Betreuung wider, die nicht mehr von privaten Unternehmen angeboten werden soll. „Die Schule ist auch gratis, sowohl für die Bankierstochter als auch für Sozialhilfeempfänger. Dementsprechend wollen wir die Kinderbetreuung zu einem öffentlichen Dienstleistungsangebot für Eltern machen“, sagt Sprecherin Carole Thoma.

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