Die Grundsteuer-Reform gilt als zentraler Baustein im Kampf gegen die Wohnungskrise. An der Aufgabe sind bereits mehrere Regierungen gescheitert. Blau-Rot-Grün macht hinter den Kulissen jetzt wesentliche Fortschritte. Doch der politisch heikle Teil steht noch aus.
In dieser Legislatur müsse die Reform der Grundsteuer kommen, sagt Max Leners. « Sonst braucht die LSAP nicht erneut bei den Wahlen anzutreten und Ideen zur Wohnungsbaupolitik zu äußern“, so das Mitglied des LSAP-Parteivorstandes kürzlich bei „Radio 100,7“. Seit 2013 wird das Innenministerium von sozialistischen Ministern geleitet – und damit trägt die Partei auch die Verantwortung für das politisch brisante Projekt.
Ministerin Taina Bofferding (LSAP) will nun dort erfolgreich sein, wo bisher all ihre Vorgänger scheiterten. Das Ziel des Innenministeriums: „Die Flächen sollen nach ihrem tatsächlichen Wert besteuert werden“. Was sich wie eine Banalität anhört, ist in Wahrheit eine kleine Revolution des Steuersystems.
Die Grundsteuer (« impôt foncier ») richtet sich nämlich noch nach Einheitswerten aus dem Jahr 1941, denn sie wurde unter deutscher Besatzung eingeführt. Das heißt, damalige Agrarflächen, wie etwa der Kirchberg, werden auch heute noch entsprechend besteuert. Selbst bei Neubauten bezieht man sich auf den Einheitswert aus der Besatzungszeit – die Steuerverwaltung bewertet also jede Immobilie nach einer Grundlage von vor bald 80 Jahren.
Einfaches Prinzip, schwierige Umsetzung
Allerdings ist der Politik nicht nur die unklare Wertbestimmung eines Grundstückes ein Dorn im Auge. Franz Fayot (LSAP) erklärte im Juli 2019 im Interview mit Reporter.lu, dass die Steuer einen „Lenkungseffekt“ haben solle. Demnach müsse sie deutlich höher ausfallen als bisher, damit Grundstücksspekulation sich nicht mehr lohne. Zudem soll sie „zum Teil den Effekt einer Besteuerung von leerem Wohnraum übernehmen“, so der heutige Wirtschaftsminister damals. Obwohl die Grundsteuer den Gemeinden zugute kommt, geht es bei der Reform nicht so sehr um mehr Steuereinnahmen. Sie soll auch, zumindest wenn es nach der LSAP geht, ein weiteres Instrument zur Bekämpfung der Wohnungsnot sein.
Ob jemand auf seinem Grundstück einen Bungalow, eine Villa oder ein Mehrfamilienhaus baut – der Steuersatz bleibt gleich. »Gilles Roth, CSV-Abgeordneter
Die Erwartungen an die Reform sind entsprechend groß. Obwohl der Aufwand für die Steuerverwaltung zur Berechnung der Steuer enorm ist, konnte über Jahrzehnte kein nennenswerter Fortschritt erzielt werden. Allerdings wäre der Aufwand noch größer, wenn die Verwaltung selbst den tatsächlichen Wert jeder Immobilie neu bestimmen müsste. 2013 rechnete das Ministerium vor, dass etwa zehn Beamte über zwei Jahre dafür freigestellt werden müssten, um den Wert jeder Immobilie zu bestimmen. Für den damaligen Finanzminister Luc Frieden (CSV) ein zu teures Unternehmen. Das Projekt wurde auf Eis gelegt, obwohl es seit 1999 in fast allen Koalitionsabkommen mehr oder weniger deutlich gefordert wurde.
In der Amtszeit von Innenminister Dan Kersch (LSAP) sollte dann eine Arbeitsgruppe ein neues System ausarbeiten. Eine erste Grundlage lieferte der CSV-Politiker Gilles Roth, der kurzzeitig Mitglied der Arbeitsgruppe war. Der Grund für seine Teilnahme war sein Bericht zum Budget 2012. Darin forderte der Abgeordnete und Bürgermeister von Mamer eine grundlegende Reform des Systems. Die Idee: Nur die Fläche und deren Nutzung sollen für die Berechnung der Steuer ausschlaggebend sein. Weiter ausführen konnte Gilles Roth seine Pläne allerdings nicht. Er nahm lediglich an einer Sitzung der Arbeitsgruppe teil und wurde anschließend von seiner eigenen Partei zurückgepfiffen.
Neue Grundsteuer soll noch vor 2023 kommen
Für Gilles Roth steht auch heute noch fest, dass es auf die „Bebaubarkeit“ der Flächen ankomme. „Ob jemand auf seinem Grundstück einen Bungalow, eine Villa oder ein Mehrfamilienhaus baut – der Steuersatz bleibt gleich“, sagt der Abgeordnete im Gespräch mit Reporter.lu. Neben einer Vereinfachung der Berechnung würde die reformierte Steuer zusätzlich einen Anreiz schaffen, künftig dichter zu bauen. „Es ist ja eine Grundsteuer und keine Haussteuer“, so der CSV-Parlamentarier.

So einfach die Idee klingt, so kompliziert ist die praktische Umsetzung der Grundsteuer-Reform. Die Arbeitsgruppe tagte auch ohne Gilles Roth weiter. Allerdings scheiterte auch Dan Kersch an der technischen Umsetzbarkeit des Projekts. Das wiederkehrende Problem: Das Ministerium stellte fest, dass die in den Bebauungsplänen der Gemeinden festgelegte Nutzung der Flächen nicht so leicht auf die jeweiligen Grundstücke übertragen werden kann.
Kurz vor den vergangenen Parlamentswahlen konnte Dan Kersch lediglich versprechen, dass eine Reform Teil der allgemeinen Steuerreform der kommenden Legislaturperiode werden solle. Die Steuerreform wurde jedoch pandemiebedingt verschoben. Wie es aus Koalitionskreisen heißt, soll die Grundsteuer trotzdem kommen. Laut dem Ministerium wurden die ersten Schritte bereits eingeleitet. Dabei geht es vor allem um ein informatisches System, das die letzten Bedenken auflösen soll.
Automatische Ermittlung des Grundstückswertes
Wenn es nach den Beamten des Innenministeriums geht, könnte dieses System den Durchbruch bedeuten. Vor einem Monat veröffentlichte das Ministerium eine öffentliche Ausschreibung für die Erstellung eines „Instruments zur jährlichen Anpassung des Katasters und des Bebauungsplans.“ In dem Dokument wird die Grundsteuer nur am Rande erwähnt. Sie ist jedoch der eigentliche Grund für die Ausschreibung. Es ist der erste Baustein für eine neue Berechnungsbasis.
Zurzeit wird für die Erstellung eines Allgemeinen Bebauungsplans (PAG) der Kataster zeitlich „eingefroren“. Anschließend nutzen die Gemeinden die topografischen Daten, um einen neuen PAG auszuarbeiten. Sollten danach allerdings Änderungen im amtlichen Grundstücksverzeichnis vorgenommen werden, weil etwa Parzellen aufgeteilt werden, sind diese im Bebauungsplan nicht sichtbar. Das Problem: Mit der Zeit häufen sich die Unstimmigkeiten zwischen den Plänen. Eine Software soll deshalb jährlich beide Datensätze, PAG und Kataster, miteinander abgleichen.
Das Innenministerium will somit jeder Parzelle die im PAG festgelegte Nutzung der Flächen zuweisen. Anschließend können die Gemeinden dies zur Berechnung der Grundsteuer nutzen. Ein zweites Programm soll dann die neue Berechnungsformel auf alle Flächen anwenden. Allerdings befindet sich diese Formel noch in einer Testphase. Das Ministerium will die Entwicklung der entsprechenden Software in den kommenden Monaten ausschreiben.
Gemeinden bei Reform bisher außen vor
Die rein technischen Hürden, an denen die Reform bisher scheiterte, wären somit überwunden. Das zweite Problem bleibt jedoch bestehen: der politische Wille. Vor allem die anzuwendende Formel könnte nämlich noch für politischen Sprengstoff sorgen. Eine Neubewertung der Grundstücke würde für einige Haushalte notgedrungen eine Steuererhöhung bedeuten. Zusätzlich forderten LSAP-Politiker bereits einen höheren Steuersatz auf Baulücken.
Innerhalb der Koalition besteht allerdings noch Gesprächsbedarf. Damit die Steuer tatsächlich einen Lenkungseffekt auf den Wohnungsmarkt entfalten kann, muss sie hoch genug angesetzt werden. Die DP steht jedoch grundsätzlich jeder Steuererhöhung skeptisch gegenüber. Dies obwohl die Steuer zurzeit sehr niedrig ausfällt. Laut dem Wirtschafts- und Sozialrat entspricht sie knapp 1,5 Prozent der Einnahmen einer Gemeinde. Neben den internen Abstimmungen, muss die Regierung sich also zusätzlich mit den Gemeinden einigen, die die Steuer eintreiben.

Bisher wurden die Gemeinden in die Arbeiten zur Grundsteuer aber nicht wirklich eingebunden. Das bestätigt nicht zuletzt Emile Eicher, der Präsident des Gemeindesyndikats „Syvicol“. Er könne sich zu den aktuellen Plänen nicht äußern, denn er habe „keine Ahnung, was genau geplant ist“, so der CSV-Abgeordnete und Bürgermeister von Clervaux im Gespräch mit Reporter.lu. Das Ministerium habe ihn „überhaupt nicht gefragt“, so Eicher. « Die Regierung hat noch kein fertiges Konzept für die Steuer, so dass ein Austausch zurzeit keinen Sinn ergäbe », entgegnet die Pressesprecherin des Innenministeriums, Nathalie Schmit, auf Nachfrage.
Erst die Bebauungspläne, dann die Grundsteuer
In der Grundausrichtung ist man sich dennoch einig. Die Kommunen wollen objektive Kriterien, meint auch Emile Eicher. Über die Formel wolle man sich hingegen noch austauschen. Zurzeit ist hierzu nur wenig bekannt. Nur so viel: Die Stadt Luxemburg soll als Referenz zur Berechnung der Steuer herangezogen werden. Das Prinzip: Je höher die Distanz zur Hauptstadt, desto niedriger soll der Steuersatz ausfallen. Auch das Baupotenzial eines Grundstücks soll einen Einfluss auf die Höhe der Steuer haben.
Durch die neue Software könnte eine Spekulationssteuer leichter eingeführt werden. »Nathalie Schmit, Sprecherin der Innenministerin
Dennoch ist die Entscheidung, die Gemeinden nicht früher mit einzubinden, erstaunlich. Denn das System steht und fällt mit ihrer politischen Bereitschaft – sowie mit den von den Kommunen aufgestellten Bebauungsplänen. Das PAG-Gesetz wurde in den letzten 20 Jahren zweimal grundlegend reformiert. Bis zum 1. November 2019 sollten eigentlich alle Kommunen ihre Bebauungspläne an das Gesetz von 2011 anpassen. Doch selbst ein Jahr nach Ablauf der Frist gelten in 15 Gemeinden noch Bebauungspläne, die sich auf das Gesetz von 1937 beziehen.
Für die Entwicklung des neuen informatischen Systems zur automatischen Anpassung der Grundstücksdaten werden allerdings die Bebauungspläne der neuesten Generation benötigt. Damit das System funktioniert, könnte das Ministerium die Daten anschließend noch eigenhändig eintragen. Der Aufwand wäre jedoch groß.
Erster Schritt in Richtung Spekulationssteuer
Auch Emile Eicher fordert zudem ein Instrument für die Besteuerung von Baulücken. Genau das also, was Franz Fayot über den Weg der Grundsteuer erreichen wollte. „Durch die neue Software könnte eine Spekulationssteuer leichter eingeführt werden“, heißt es aus dem Innenministerium.
Allerdings ist dieser Effekt der Grundsteuer umstritten bzw. er hängt nicht unbedingt an der geplanten Reform. Die Gemeinden können bereits heute einen höheren Steuersatz für nicht bebaute Grundstücke festlegen. Allerdings machen nur die wenigsten von der Möglichkeit Gebrauch. Esch/Alzette, Diekirch, Beckerich und Esch-Sauer haben etwa einen entsprechenden Steuersatz eingeführt. Anfang des Jahres scheiterte ein entsprechender Vorschlag der Oppositionsparteien hingegen in Luxemburg-Stadt.
Ein Grund für die Skepsis: Die Nähe zwischen den kommunalen Grundbesitzern und den politisch Verantwortlichen ist oft zu groß, um gegen Spekulation vorzugehen. An dieser Konstellation wird auch eine neue Grundsteuer nichts ändern. Viele Bürgermeister bevorzugen dennoch eine nationale Lösung. Vor allem in kleineren Gemeinden befürchten die Verantwortlichen, dem Druck der Grundbesitzer ausgesetzt zu sein und den Preis für die Einführung einer Spekulationssteuer bei den nächsten Wahlen zu zahlen. Eine nationale Spekulationssteuer würde hingegen die Verantwortung von den Gemeinden auf den Staat verschieben. Sie wären den Interessen der Grundbesitzer somit weniger ausgesetzt.
Die Innenministerin hat nun also noch zweieinhalb Jahre Zeit, um die Reform fristgemäß in die Wege zu leiten. Ein knapper Zeitraum, wenn man bedenkt, dass bereits für die Entwicklung des ersten informatischen Systems ein Jahr eingeplant wird. Zumindest parteiintern ist der Druck auf Taina Bofferding offenbar groß, den bald 80 Jahre anhaltenden Reformstau bei der Grundsteuer aufzulösen. Ob die Reform dann die gewünschte Wirkung auf dem Wohnungsmarkt erzielt, steht zudem noch auf einem anderen Blatt.