Mitten im Wahlkampf verschärft Luxemburg fast unbemerkt seinen Umgang mit Geflüchteten. Betroffene müssen die überlasteten Strukturen verlassen und werden in die Obdachlosigkeit getrieben. Dem Ministerium fehlt ein Plan, um solche Situationen in Zukunft zu verhindern.

Montag, 18. September 2023: Außenminister Jean Asselborn (LSAP) gibt dem „Deutschlandfunk“ ein Interview zur Situation auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa. Dort sind in den Tagen zuvor mehr als 8.000 Geflüchtete angekommen. Und Europa streitet mal wieder, wer sie jetzt aufnehmen soll. Jean Asselborn, dessen Markenzeichen immer noch eine gewisse Humanität im Umgang mit Geflüchteten ist, plädiert für eine europäische Solidarität und sagt dabei einen Nebensatz, der zumindest in seiner Heimat aufhorchen ließ: „Unsere Auffangstrukturen sind voll.“

Die Aussage bezog sich explizit auf Luxemburg. Sie verwundert. Denn das „Office National de l’Accueil“ (ONA), das für die Aufnahme von Geflüchteten verantwortlich ist, hat in den vergangenen Jahren die Kapazitäten erhöht. Es wurden zusätzliche Unterkünfte eröffnet, jedoch wurden auch vereinzelte Strukturen geschlossen, wie Reporter.lu berichtete. Dennoch bildet Luxemburg mit seinen etwa 7.300 Plätzen einen gewissen Gegentrend zu seinen Nachbarländern, wie etwa Belgien, welche die Bettenzahl reduzierten. Und auch die Anfragen von Geflüchteten sind in den vergangenen Monaten nicht dramatisch gestiegen. Das zeigen die aktuellen Zahlen aus dem Monat August.

Die Zahl der Geflüchteten, die einen internationalen Schutzstatus in Luxemburg beantragen – das sind hauptsächlich Menschen aus Syrien, Eritrea und Guinea -, liegt aktuell etwas höher als in den zwei Jahren zuvor. Was auch mit dem Wegfallen der covid-bedingten Reisebeschränkungen zusammenhängt. Die Anzahl der Menschen, die einen einstweiligen Schutz beantragen, und zu 91 Prozent aus der Ukraine stammen, ist rückläufig. Im August waren dies knapp über 100 Dossiers.

Was ist also passiert? „Die Kapazitäten in den Unterkunftsstrukturen des ONA stoßen momentan durchaus an ihre Grenzen“, so die Stellungnahme des Außenministeriums auf Fragen von Reporter.lu. Man rechne momentan mit 300 Neuankünften im Monat, das „Centre de Primo-Accueil“ sei jedoch auf gerade mal 129 Betten begrenzt.

Schwerer rein, schneller raus

Die Flüchtlingsorganisationen stellen bereits seit Monaten einen Sinneswandel beim ONA fest. Dies fällt vor allem an zwei Stellen im System auf: Beim Eintritt und beim Austritt. Wer in Luxemburg ankommt, um Asyl zu beantragen, wird an das „Centre de Primo-Accueil Tony Rollmann“ in Kirchberg verwiesen . Dort gibt es erste Notunterkünfte und Hilfestellung. Oder besser gesagt, dort gab es das.

Denn die Regeln haben sich inzwischen verändert. Wie „Radio 100,7“ bereits Ende August meldete, müssen Geflüchtete, die im „Centre de Primo-Accueil Tony Rollmann“ ankommen, bereits einen Antrag bei der „Direction de l’Immigration“ gestellt haben – sonst bleiben ihnen die Türen der Zeltstadt verschlossen. Dies, weil festgestellt wurde, dass 30 Prozent der Menschen, die ins Zentrum wollen, nie einen Antrag stellen würden – und wieder verschwinden würden.

Normalerweise hat das ONA ein bisschen Mitgefühl, wenn die Leute nicht aus den Strukturen herauskommen. Aber das scheint momentan nicht mehr der Fall zu sein.“
Marianne Donven, „Oppent Haus“

Das Problem ist aber, dass die Behörde lediglich an Wochentagen von halb neun bis mittags geöffnet hat. Wer also am Wochenende ankommt, landet erstmal auf der Straße. Zwar gibt es Ausnahmen für Familien mit Kindern oder unbegleitete Minderjährige. Trotzdem kam es bis zum 20. September zu 169 Abweisungen am Aufnahmezentrum.

Und der Minister hat offenbar nicht vor, die Bedingungen zur Aufnahme wieder zu verbessern …